Es war bemerkenswert, was Valtteri Bottas der Welt im Anschluss an den Belgien GP mitzuteilen hatte. Der an jenem Tag 27 Jahre alt gewordene Finne ist stets freundlich und zurückhaltend, Emotionen sieht man bei ihm so gut wie gar nicht. Doch diese Worte klangen für Bottas-Verhältnisse fast wie eine Wut-Rede: "Es war ein enttäuschender Tag und schade, dass wir diese Möglichkeit weggeschmissen haben. Wir müssen aus dem heutigen Tag lernen." Wohlgemerkt fielen diese Worte nicht in der Emotion direkt nach dem Zieleinlauf, sondern es war Inhalt der offiziellen, durch Williams weit nach Rennende an die Medien veröffentlichten Pressemitteilung.

Beim Traditions-Rennstall aus Grove wird inzwischen anscheinend nichts mehr schöngeredet. Nach außen wird offen ausgesprochen, was alle Welt in den vergangenen Monaten mit den eigenen Augen sehen konnte: Es läuft gar nicht mehr rund für Williams. Im Vergleich mit den Vorjahren sieht das Team 2016 äußerst schlecht aus: 2014 hatte man nach 13 Rennen 187 Punkte in der Konstrukteurswertung geholt, im vergangenen Jahr waren es sogar 198 Zähler.

Zeitweise galt das Team sogar als potentieller Mercedes-Herausforderer. 2016 wurde der Punkte-Wert zum gleichen Zeitpunkt mit 101 Zählern im Vergleich zur Vorsaison fast halbiert. In Spa zog Force India durch ein gutes Ergebnis sogar an Williams vorbei und ist nun Vierter bei den Konstrukteuren.

Ein Abrutschen in dieser Wertung könnte bei der Verteilung der Preisgelder nach Saisonende teuer werden. Deren Höhe richtet sich - unter anderem - nach der dortigen Platzierung. Ein Rang Unterschied kann mehrere Millionen ausmachen. 2014 und 2015 war Williams jeweils Dritter. Danach sieht es in dieser Saison nun gar nicht mehr aus. Nicht nur, dass Williams die Punkteausbeute der Vorjahre derzeit weit verfehlt. Auch die aktuelle Formkurve weist deutlich nach unten.

Williams hat die Entwicklung für 2016 eingestellt

In den letzten sechs Rennen gab es gerade einmal 20 Punkte. Zum Vergleich: Force India holte gleichzeitig 65 Zähler, also mehr als das Dreifache. "Die haben ihr Auto verbessert und wir befinden uns in einem großen Kampf mit ihnen", hatte Felipe Massa bereits beim Deutschland GP im Juli gesagt. Die Positionen scheinen sich nun zumindest für diese Saison zu festigen - mit Williams als Verlierer.

Zwei Gründe gibt es dafür: Erstens brachten die technischen Neuerungen bei Williams in dieser Saison nicht den gewünschten Erfolg. Bottas: "Wir haben nicht die Fortschritte gemacht, auf die wir gehofft hatten." Zweitens hat der Rennstall den Fokus bei der Weiterentwicklung des Autos aufgrund der anstehenden neuen Regeln inzwischen auf 2017 verlagert. In Hockenheim bestätigte Performance-Chef Rob Smedley gegenüber Motorsport-Magazin.com, dass die an jenem Wochenende montierten Frontflügel die letzten neuen Teile der Saison waren. Die derzeitigen Probleme bei der Aerodynamik bleiben. Mit einem Umschwung noch in diesem Jahr ist also auch nicht mehr zu rechnen.

Da passt es ins Bild, dass auch die Zukunft der beiden Piloten noch offen ist. Weder Felipe Massa noch Valtteri Bottas wurden von Williams bislang als Fahrer für die kommende Saison bestätigt. Der Finne wollte zuletzt aufkommende Gerüchte bezüglich eines Wechsels zu Renault weder bestätigen noch dementieren, kündigte aber an, "im September" Klarheit zu schaffen. Bei ihm ist die Verlängerung des Vertrags mit dem aktuellen Arbeitgeber eine sehr wahrscheinliche Option.

Massa ließ mitteilen, er sei mit mehreren Rennställen in Gesprächen, könne sich aber auch vorstellen, 2017 in den Königsklassen-Ruhestand zu gehen: "Ich bin nicht nur hier, um mitzufahren. Ich bin hier, um mein Bestes zu geben und ein wichtiger Bestandteil eines Teams zu sein. Wenn ich das nicht habe, bin ich nicht daran interessiert, weiter in der Formel 1 zu fahren."

Die Zukunft von Massa und Bottas bei Williams ist offen, Foto: Sutton
Die Zukunft von Massa und Bottas bei Williams ist offen, Foto: Sutton

In dem Fall wäre der Weg für eine Williams-Rückkehr von Jenson Button frei, der sich ebenfalls im Herbst seiner Königsklassen-Karriere befindet, aber wohl noch mindestens eine Saison dranhängen möchte. Mehrmals gab es in den letzten Monaten Spekulationen, der Weltmeister von 2009 werde für 2017 bei dem Team unterschreiben, für das er in seiner ersten Formel-1-Saison vor 16 Jahren fuhr. Auch Lance Stroll gilt als Kandidat. Der derzeit in der Formel-3-EM führende Kanadier hat den Vorteil, als Sohn eines Milliardärs viel Finanzkraft mitzubringen. Williams könnte auf diese Weise die in der Konstrukteurswertung verlorenen Millionen ausgleichen.