Lewis Hamilton ist der Pechvogel der Stunde: In Bahrain von Bottas getroffen, in China erst Getriebewechsel, dann Power-Unit-Defekt im Qualifying und schließlich eine unverschuldete Kollision im Rennen, im Russland-Qualifying dann erneut das MGU-H-Dilemma und im Rennen ereilte ihn der nächste Defekt. Nur mit Glück sah er am Ende die Zielflagge und konnte mit Rang zwei sogar einmal mehr Schadensbegrenzung begehen.
Nur mit größter Mühe konnte Mercedes überhaupt sicherstellen, dass Hamilton trotz des Qualifying-Defektes von Startplatz zehn aus ins Rennen gehen durfte. Mercedes musste die Power Unit an Hamiltons Fahrzeug tauschen, allerdings sind unter Parc-ferme-Bedingungen nur Wechsel erlaubt, wenn die identischen Teile verbaut werden. Weil Mercedes allerdings in Russland eine Ausbaustufe des Benzinsystems an die Strecke brachte und der Ersatzmotor jener aus China war, der noch mit dem alten System ausgerüstet ist, hatte Mercedes nicht genügend Teile in Sochi.
Beim Einbau des alten Motors mit dem alten Benzinsystem hätte Hamilton aus der Boxengasse starten müssen. In Brixworth liefen sofort die Maschinen an, ein neues Teil wurde gefertigt und umgehend nach Russland geflogen. Weil das wegen der Zollbestimmungen nicht so einfach möglich ist, gelang es nur mit Hilfe von Bernie Ecclestone und dessen guten Beziehungen zu Wladimir Putin.
Diese Teile wurden vor dem Rennen getauscht:
- Verbrennungsmotor (benutzt)
- Turbolader (neu)
- MGU-H (neu)
- MGU-K (benutzt)
- Batterie (neu)
- Leistungselektronik
- Öltank des Verbrennungsmotors
- Wärmetauscher
- Teile in Verbindung mit dem Motorwechsel
Hektische Startphase für Hamilton
Auch im Rennen lief dann nicht alles glatt. Doch von vorne: Hamilton erwischte einen mäßigen Start, entschied sich dann in Kurve eins aber für die richtige Seite im Getümmel. "Ich weiß nicht, was passiert ist, aber ich sah etwas im Augenwinkel geschehen und dachte mir: Das passiert mir nicht noch einmal! Es gelang mir, mich herauszuhalten und es zu vermeiden."
Dabei kam Hamilton aber von der Strecke ab, fuhr durch die Auslaufzone und fädelte sich in Kurve drei wieder ein. "Wenn ich eingelenkt hätte, hätte ich sie mitgenommen. Es war reiner Instinkt und ich bin froh, dass ich diesmal ohne Berührung durchgekommen bin", rechtfertigt er sich.
Nach Runde eins fand sich der Weltmeister auf Platz fünf wieder, nach der Safety-Car-Phase war Felipe Massa leichte Beute. Auch Kimi Räikkönen konnte der Mercedes-Pilot schnell hinter sich lassen, nur an Valtteri Bottas fand er auf den Supersoft-Reifen keinen Weg vorbei. Nach dem Boxenstopp konnte Bottas auf den Soft-Reifen Hamilton nicht mehr halten. In Runde 22 lag Hamilton auf Rang zwei und ging auf Rosberg-Jagd.
Defekt auf der Jagd nach Rosberg
In freier Fahrt war Hamilton der schnellste Fahrer im Feld, den Rückstand auf seinen Teamkollegen Nico Rosberg konnte er Runde für Runde abknabbern. "Ich habe von Tag eins an gewusst, dass ich der Schnellste bin", gibt er sich selbstbewusst. "Aber natürlich ist es gut, das ein bisschen in Erinnerung zu rufen. Wir haben bei der Performance einen fantastischen Job an diesem Wochenende erledigt."
Doch lange hielt die Freude des Briten nicht. "Ich habe den Rückstand von zwölf auf sieben Sekunden verringert. Dann wurde mir gesagt, ich hätte ein Motorenproblem, von da an wollte ich das Rennen nur noch beenden." Der Druck des Kühlwasser sank von Runde zu Runde, ein Leck im System ließ die Flüssigkeit austreten.
"Danach konnten wir ihn nur bitten, zurückzustecken, um das Auto ins Ziel zu bringen", erklärt Motorsportchef Toto Wolff. "Zum Glück stabilisierte sich die Situation dadurch, aber es kostete ihn die Chance, gegen Nico zu kämpfen." Technikchef Paddy Lowe ergänzt: "Es war eine potentiell rennendende Situation. Wir drückten rund 20 Runden lang die Daumen und hofften, dass das Auto die Zielflagge sehen würde. Wie durch ein Wunder trat genau das ein, was nach den Schwierigkeiten an diesem Wochenende eine riesige Erleichterung darstellte."
"Ich musste das Auto richtig ins Ziel tragen", schildert Hamilton. "So wie das Wochenende verlaufen ist, bin ich einfach nur froh, dass ich die Zielflagge gesehen habe." Mit Rang zwei holte er immerhin noch 18 Punkte, in der Weltmeisterschaft fehlen dem Briten damit allerdings schon 43 Zähler auf Nico Rosberg, der nach vier Rennen mit der perfekten Ausbeute von 100 Punkten dasteht.
Nach den zahlreichen Defekten bei Hamilton kommen vermehrt Verschwörungstheorien auf, Mercedes würde nach zwei Weltmeistertiteln in Folge von Lewis Hamilton nun Nico Rosberg bevorzugen. Teamchef Toto Wolff hat dafür absolut kein Verständnis: "Ich denke, es ist sehr schwer solche Leute überhaupt ernst zu nehmen, die zuhause mit dem Laptop im Bett sitzen und solche Vorwürfe formulieren. Wir nehmen das nicht ernst, man wundert sich nur, was manche Menschen sich da zusammenspinnen."
Wolff kontert Verschwörungstheorien
"Der Grund, warum ich etwas dazu sage, ist, dass ich die Jungs in Schutz nehmen will. Sie werden in Kommentaren beschuldigt - ohne jeden Grund. Wenn jemand von den Jungs diese Kommentare liest, könnten er es vielleicht persönlich nehmen und das ist der Grund warum ich hier ganz klar sage: Wir schätzen jeden rationalen und wahren Kommentar und wir nehmen uns Kritik zu Herzen. Aber manchmal, wenn wir einfach Mist bauen, müssen wir zugeben, dass es eben nicht das Beste war, was wir hätten tun können. In den letzten Rennen haben wir nun mal Fehler gemacht und Lewis mit seinem Motor im Stich gelassen - und das war sicherlich einer dieser Fehler. Wir wissen das und spüren das sicherlich mehr als sonst jemand. Ich glaube manche der Jungs nehmen sich das sehr zu Herzen."
Lewis Hamilton selbst macht seinem Team nicht den geringsten Vorwurf, auch seiner neuen Crew nicht, die zu Beginn des Jahres von Nico Rosbergs Team zu ihm stieß: "Die Jungs auf meiner Seite der Box erleben gerade eine schwierige Zeit, aber ich glaube fest an sie und vertraue ihnen. Wir haben in dieser Saison ein paar Veränderungen in der Box vorgenommen, aber das ist absolut nicht der Grund für die Probleme. Das war es in den vergangenen drei Jahren nicht und auch jetzt habe ich keinen Grund, das zu glauben. Ohne ihre harte Arbeit wäre ich gar nicht erst hiergekommen. Also nochmals vielen Dank an sie alle."
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