Haas ist eine der Überraschungen der Testfahrten in Barcelona. Das neue Team hat lediglich vier Testtage absolviert und bereits 281 Runden auf dem Konto. Viel wichtiger allerdings: Am Donnerstag gelang dem Team die erste Rennsimulation mit Esteban Gutierrez. "Wir hatten nicht angenommen, dass wir diese Woche so viel fahren und sogar fast eine gesamte Renndistanz abspulen können", erklärte Teamchef Günther Steiner. "Das war cool und gibt uns ein gutes Gefühl." Die fast komplette Renndistanz ging ohne Probleme über die Bühne, was selbst Steiner überraschte. Doch selbst bei einem Zwischenfall hätte sich die Enttäuschung in Grenzen gehalten.
Rundenzeiten standen bei dieser ersten Renndistanz jedoch nicht auf der Agenda. Vielmehr ging es für Haas darum, ein Gefühl für den Pirelli-Reifen zu entwickeln und den Abbau zu verstehen. "Wir sind sehr zufrieden damit. Wir haben keine Reifen-Daten aus der Vergangenheit und keine Erfahrung. Darum ging es und deshalb haben wir nicht auf die Rundenzeit geschaut und sie auch nicht mit anderen Teams verglichen, die Simulationen gefahren sind", so Steiner.
Gutierrez ging durch seine früheren Erfahrung mit den Reifen zunächst etwas konservativ zu Werke, wurde aber über die Rennsimulation eines Besseren belehrt. "Ich konnte dann etwas aggressiver sein, was mir gefiel", schilderte der Mexikaner. "Ich denke, Pirelli hat da in die richtige Richtung gearbeitet. Allerdings müssen wir bedenken, dass die Temperaturen hier nicht wie üblich waren."
Elektronik-Probleme stoppen Gutierrez
Nach der Rennsimulation kamen allerdings doch Schwierigkeiten auf, die den Tag für das Team beendeten und ein Rotphase auslösten. Der VF-16 von Gutierrez blieb eine Stunde vor Testende in Kurve vier liegen. Grund war ein Elektronik-Problem. Bis auf einen Run auf weicheren Reifen und einige Boxenstopp-Übungen war diese Stunde allerdings kein großer Verlust für Haas und gut zu verschmerzen. Am Vormittag kämpfte die Mannschaft mit überhitzenden Bremsen, da die Kühlung noch nicht optimal eingestellt war. "Wir hatten ein kleines Problem mit der Temperatur, das uns daran hinderte, unser Programm wie geplant abzuspulen", verriet Gutierrez. "Aber dafür sind wir hier, um an der Zuverlässigkeit zu arbeiten. Wir können glücklich sein, dass das Dinge sind, die wir hinkriegen können."
Für Steiner sind all diese Zwischenfälle ebenfalls kein Grund zur Beunruhigung. Das Team befindet sich im Aufbau und arbeitete erst den vierten Tag an der Strecke zusammen. Der Teamchef hat bereits in dieser Zeit eine deutliche Steigerung der Mechaniker erkannt, die mittlerweile Dinge routinierter erledigen und mit mehr Selbstvertrauen agieren. Bei kleinen Schwierigkeiten bedeutet die Komplexität der Autos jedoch immer Zeitverlust.
"Wenn du mit diesen Autos ein kleines Problem hast, dann braucht es sehr lange, bis es repariert ist, weil die Autos so kompliziert sind", verdeutlichte er auf Nachfrage von Motorsport-Magazin.com. Eine Bremsscheibe auszutauschen und das Auto wieder auf die Strecke zu bringen, nehme teilweise rund zwei Stunden in Anspruch. "Wenn dann bei acht Stunden Fahrzeit ein kleiner Fehler entsteht, kann es sein, dass man zwei Stunden raus ist."
Keine großen Fragezeichen
Trotz der guten Bilanz der ersten Woche gab Steiner ohne Umschweife zu, dass noch viele Dinge auf der Liste des Teams abgehakt werden müssen. Darunter sind seiner Meinung nach keine unlösbaren Aufgaben oder große Fragezeichen. Die positivste Erkenntnis ist für den Südtiroler, dass innerhalb des Teams schnell Lösungen für auftretende Zwischenfälle gefunden werden. So geschehen, als der Frontflügel von Romain Grosjeans Haas am ersten Testtag abfiel. "Es ist nicht gerade ein Genuss, wenn der Frontflügel am ersten Tag abfällt, aber wir haben uns schnell davon erholt, könnten das Problem lösen und waren bereits am Nachmittag wieder auf der Strecke", erinnerte sich Steiner. "Wir sind als Team sehr glücklich darüber, was wir erreicht haben und können stolz darauf sein."
Zweite Testwoche wartet bereits
In der zweiten Woche stehen beim Neueinsteiger-Team nun drei große Baustellen auf dem Programm. Haas möchte an die Performance steigern, Kilometer sammeln, um an der Zuverlässigkeit arbeiten und gleichzeitig das Boxenstopptraining intensivieren. "Wir haben nun eine Menge Daten gesammelt und können mehr Simulationen durchführen. Wir wissen, wie wir das Setup anpassen können und haben daher eine Liste an Dingen, die wir ausprobieren wollen", verriet Teamchef Steiner.
Das Thema Boxenstopps hätte bereits am Donnerstag intensiviert werden sollen, durch den technischen Defekt blieb das aber aus. Wie Steiner Motorsport-Magazin.com erklärte, besteht die Boxencrew aus einer Mischung von erfahrenen Formel-1- und GP2-Leuten. "Sie haben alle Erfahrung, aber bei einem Boxenstopp geht es darum, dass die Jungs zusammenarbeiten." Hierbei kommt es darauf an, dass die Mechaniker ihre Körpersprache untereinander deuten und schnell auf Situationen reagieren können. Zudem sei ein Boxenstopp an der Rennstrecke mit äußeren Faktoren wie der Hitze des Autos und der Geschwindigkeit nicht mit einem simulierten Stopp in der Fabrik zu vergleichen.
Punkte in Melbourne?
Wenn all diese Punkte abgehakt sind, ist Teamchef Steiner optimistisch für den Saisonauftakt - mit einer Ausnahme. "Eine der größten Sachen ist, dass wir alle Teile für Melbourne bekommen und genug Ersatzteile haben. Daran arbeiten wir ab Freitag. Ich sehe darin aber kein großes Problem. Es ist harte Arbeit, die aber erledigt werden kann", so der Südtiroler.
Ob es dann gleich beim ersten Saisonrennen mit Punkten klappt, wie es Romain Grosjean angedeutet hatte, wollte der Teamchef nicht prognostizieren. Die Top-10 sind das Ziel für Haas und laut Steiner auch erreichbar, der Zeitpunkt aber noch offen. Über die positive Haltung von Grosjean gegenüber dem Auto freute er sich allerdings. "Wenn er das sagt, gibt mir das Zuversicht. Er hat Erfahrung und ist schon viele andere Autos gefahren. Wenn er sagt, das Auto ist gut genug für Punkte, dann glaube ich das."
Zunächst geht es für die Neueinsteiger aber darum, Fehler auszumerzen und sich nicht zurückzulehnen. Dass Haas bereits in Australien bei 100 Prozent angelangt ist, war für Fahrer Gutierrez eine zu ambitionierte Denkweise - speziell durch den Erfahrungsrückstand im Vergleich zu anderen Teams. "Das wird Zeit brauchen. Das ist die größte Herausforderung, richtig integriert zu sein und effizient zu arbeiten." Die erste Überraschung ist allerdings perfekt geglückt und selbst Teamchef Steiner hätte nicht mit einer derartig reibungslosen ersten Testphase gerechnet. "Natürlich wäre ich noch zufriedener, wenn wir noch weniger Probleme gehabt hätten. Um ehrlich zu sein, hatten wir aber mit mehr Schwierigkeiten und damit auch weniger Fahrzeit gerechnet."
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