Die wichtigsten Eckpunkte des überarbeiteten Reglements – nur zwei Reifensätze am Freitag, ab dem ersten Qualifying nur noch ein Satz Pneus für den Rest des Wochenendes sowie Motoren, die zwei Grand Prix-Distanzen absolvieren müssen – veränderten die Arbeitsweise der Teams während der Rennwochenenden. Am Freitag und Samstag absolvieren die Piloten während der freien Trainings nur sehr wenige Runden, um ihre Triebwerke zu schonen. Auch während des Rennens achten die Fahrer darauf, ihre Reifen und Motoren zu schonen. Die Auswirkungen der neuen Regeln auf ein Grand Prix-Wochenende sind also erheblich. Doch wie sieht es mit der Arbeit hinter den Kulissen aus? Verändert das Reglement beispielsweise auch die Arbeit der Testteams?

Effizienz. "Mich erinnert die derzeitige Situation an die Saison 2003", erklärt Christian Silk, Leiter der Renault F1-Testabteilung. Die "Equipe Jaune" stimmte vor zwei Jahren einer Beschränkung der Testfahrten auf zehn Tage während der Saison zu. Im Gegenzug durfte das französisch-britische Team an den Grand Prix-Wochenenden freitags für zwei zusätzliche Stunden auf die Strecke. Für die Saison 2005 einigten sich neun der zehn Formel 1-Team auf eine Limitierung der Testfahrten auf 30 Tage, um Kosten zu sparen. "Wir müssen daher unsere Testprogramme noch sorgfältiger planen", so Silk, "denn jeder Kilometer zählt. Zudem verlangt uns diese Beschränkung ein großes Maß an Flexibilität ab. Wenn die Meteorologen Regen voraussagen, müssen wir in der Lage sein, unsere ursprünglichen Pläne umzuwerfen, um bei guten Wetter testen zu können." Zudem kommt es darauf an, möglichst viele Kilometer an einem Testtag abzuspulen. "Aufgrund der neuen Regeln müssen wir verlässliche Daten darüber sammeln, wie sich die Leistung der Reifen und der Motoren über die Distanz entwickelt. Deswegen ist es auch für uns als Testteam wichtig, dass der Renault R25 ein besonders zuverlässiger Rennwagen ist." In dieser Saison spulte das Team bislang durchschnittlich 450 Kilometer pro Testtag ab – eine Steigerung von 30 Prozent im Vergleich zum Vorjahr.

Flexibiliät. Keines der Teams möchte während seiner nur 30 Testtage pro Saison unter schlechten Bedingungen arbeiten. "Wir achten daher in diesem Jahr noch mehr auf die Wettervorhersagen", verrät Silk. In der vergangenen Woche in Barcelona beschloss das Renault-Testteam beispielsweise, statt – wie ursprünglich geplant – am Mittwoch bereits am Dienstag mit dem Testprogramm zu beginnen. Und wie vorhergesagt, setzte am Freitag der Regen ein und ermöglichte damit lediglich die Entwicklung von Regenreifen. "Durch die Änderung des Plans verlangten wir unserem Team viel ab", gesteht Silk. "Aber mit großem Einsatz machten sie das scheinbar Unmögliche möglich. Und es hat sich gelohnt..."

Einsatzbereitschaft. Die Testarbeit gehört mit Sicherheit nicht zu den glamourösen Seiten der Formel 1. Das Renault F1-Team verrichtet seine Aufgaben zumeist abseits der Kameras und des öffentlichen Interesses. "Aber meine Jungs geben immer alles", lobt Silk. "Die Testbeschränkung setzt sie nicht nur während der eigentlichen Testfahrten unter Druck, sondern bereits in der Vorbereitung. Ihre Arbeitstage sind wirklich sehr lang. Und wenn es darauf ankommt, schieben sie auch Nachtschichten ein. Die vergangenen Monate waren für mein Team wirklich sehr anstrengend. Aber die bisherigen Ergebnisse von Fernando Alonso und Giancarlo Fisichella entschädigen für alles. Unsere Motivation ist daher unverändert hoch."

Christian, inwieweit beeinflussen die neuen Regeln inklusive der Test-Limitierungen die Arbeit des Team?

Christian Silk: Mich erinnert die derzeitige Situation an die Saison 2003, als wir uns freiwillig einer Einschränkung der Testfahrten unterwarfen. Es kommt vor allem darauf an, sehr effizient zu arbeiten und eine größere Flexibilität an den Tag zu legen. Die vergangene Woche, als wir Testfahrten in Barcelona absolvierten, dient dafür als gutes Beispiel: Aufgrund der Wettervorhersage beschlossen wir, unser Programm um einen Tag nach vorne zu ziehen. In den einzelnen Testsessions müssen wir aufgrund des geänderten Reglements zudem deutlich mehr Kilometer absolvieren als in den vergangenen Jahren. Nur so können wir die Performance der Reifen und des Motors über längere Distanzen verlässlich beurteilen.

Heißt das im Umkehrschluss, dass andere Bereiche der Testarbeit vernachlässigt werden müssen?

Christian Silk: Wir verbringen auf jeden Fall weniger Zeit damit, während kurzer Stints bis an das Maximum zu gehen. Deswegen besitzen die Rundenzeiten bei den Testfahrten im Endeffekt noch weniger Aussagekraft als bislang. Da wir längere Distanzen fahren, gehen wir in puncto Performance selbstverständlich bis zu einem bestimmten Grad Kompromisse ein. Es kommt darauf an, die richtige Balance zu finden. Wenn wir nicht genau wissen, wie sich ein Reifen am Ende einer Grand Prix-Distanz verhält, kann uns das teuer zu stehen kommen. Die Leistungseinbußen, die wir dadurch erfahren, wiegen im Endeffekt schwerer, als kleinere Ungenauigkeiten beim Setup, die wir vielleicht während kürzerer Stints beim Testen hätten beseitigen können.

Nach den umfangreichen Wintertestfahrten kennen Sie und Ihr Testteam den Renault R25 in- und auswendig. Wie beurteilen Sie den Wagen?

Christian Silk: Der Renault R25 lässt sich vor allem sehr einfach abstimmen und fahren. Diese Charakteristik bringt sowohl dem Test- wie auch dem Rennteam große Vorteile. Der Wagen verfügt zudem auf jeder Art von Rennstrecke über eine sehr gute Grundschnelligkeit. Wir können also jeweils unmittelbar mit unserem Programm beginnen und müssen uns nicht mit grundlegenden Setup-Arbeiten aufhalten. Diese Zeitersparnis erleichtert unsere Arbeit enorm. Das Gesamtpaket des Autos profitiert außerdem von der Leistungsfähigkeit des Renault RS25-Zehnzylinders, von der aerodynamischen Effizienz sowie von dem schonenden Umgang mit den Michelin-Reifen. Im Rahmen der Testfahrten hatten wir in den vergangenen Wochen hin und wieder Probleme mit der Zuverlässigkeit. Aber genau darin liegt ja auch der Sinn unserer Arbeit: während der Tests Probleme zu finden, um sie vor den Renneinsätzen zu beseitigen. Über den Winter haben wir hart an der Zuverlässigkeit von Chassis und Motor gearbeitet. Bislang zahlte sich das aus.

Wie schnell geht die Weiterentwicklung des Renault R25 voran?

Christian Silk: Direkt bei den ersten Testfahrten begannen wir damit, neue Komponenten auszuprobieren. Auch die Beseitigung möglicher Schwachstellen in puncto Zuverlässigkeit stand von Beginn an ganz oben auf unserer Liste. Wir haben ein umfangreiches Entwicklungs-Programm gestartet, dessen Ergebnisse stetig und problemlos in unsere Arbeit einfließen. Neue Aerodynamik-Komponenten haben sich beispielsweise bereits bewährt. Als großer Vorteil erweist sich, dass wir bereits sehr früh begannen, mit zwei R25-Chassis gleichzeitig zu arbeiten – bereits bei den zweiten Testfahrten in dieser Saison, um genau zu sein. Dies half uns sehr dabei, Kinderkrankheiten des Autos auszukurieren sowie den Wagen zu verstehen und weiterzuentwickeln.

Das Renault Team scheint in allen Bereichen einen Gang hochgeschaltet zu haben...

Christian Silk: Es stimmt, dass das gesamte Team derzeit mit Hochdruck arbeitet. In den beiden Renault F1-Workshops in Enstone und Viry-Châtillon sowie an den Test- und Grand Prix-Strecken ist die Motivation praktisch mit Händen greifbar, denn wir wissen, wie konkurrenzfähig unser Auto ist. Jeder Einzelne hängt sich daher besonders rein, um seine Aufgaben zu erledigen – zusätzliche Nachtschichten inbegriffen. In der vergangenen Woche haben wir durch unsere Entscheidung, das Programm vorzuziehen, einen ganz Tag der Vorbereitung verloren. Doch das Team ließ sich davon überhaupt nicht irritieren. Und am Dienstagmorgen waren beide Rennwagen perfekt vorbereitet. Wir erledigen einfach unseren Job und werden dafür durch die herausragenden Ergebnisse bei den Grands Prix belohnt.

In dieser Woche stehen Testfahrten in Le Castellet auf dem Programm. Worauf werden Sie sich dabei vor allem konzentrieren?

Christian Silk: Wir testen Reifen für den bevorstehenden Grand Prix von San Marino und beschäftigen uns mit der Abstimmungsarbeit. Dabei gilt unser besonderes Augenmerk dem Verhalten des Renault R25 beim Überfahren der Kerbs. Zudem treiben wir auch verschiedene längerfristige Entwicklungsprogramme weiter voran. Da wir uns in den vergangenen Monaten hauptsächlich um das Thema Zuverlässigkeit gekümmert haben, finden wir auch heute noch Setup-Lösungen, die wir bislang noch nicht ausprobieren konnten. In der vergangenen Woche erzielten wir in verschiedenen Bereichen viel versprechende Ergebnisse, die wir in Le Castellet verifizieren wollen. Da die Piloten während eines Grand Prix-Wochenendes kaum Zeit finden, an ihrer Abstimmung zu arbeiten, kommt es sehr auf das Setup an, das man während der Testfahrten erfahren konnte.