Seitdem die erste Power Unit beim Test in Jerez 2014 angelassen wurde, hagelte es Kritik an der Geräuschkulisse. Die Generation 2015 ist schon etwas lauter, allerdings noch immer weit von der akustischen Untermalung der V8 oder gar der V10 entfernt. Deshalb werden die Teams im kommenden Jahr dazu verpflichtet, mindestens ein zusätzliches Auspuffendrohr anzubauen. Wie genau das funktioniert, erklärt Motorsport-Magazin.com.

Sieht so die Zukunft der Formel 1 aus?, Foto: Sutton/Motorsport-Magazin.com
Sieht so die Zukunft der Formel 1 aus?, Foto: Sutton/Motorsport-Magazin.com

Im Mittelpunkt dieser Idee steht das sogenannte Wastegate-Ventil. Dieses Ventil befindet sich zwischen Abgaskrümmer und Turbolader. Soll der Turbolader weniger stark vom Abgasstrom angetrieben werden, öffnet sich das Ventil und leitet die Abgase am Turbolader vorbei. Quasi ein Bypass.

In der Vergangenheit war das Wastegate-Ventil essentiell, um den Ladedruck zu regeln. Heute ist das etwas anders: Weil am Turbolader nicht nur der Kompressor, sondern auch noch die MGU-H hängt, wird der Ladedruck größtenteils von der MGU-H geregelt. Wenn sie rekuperiert, ist der Widerstand für den Turbo größer.

Formel 1 ohne variable Turbinengeometrie

Die Anordnung der Rohre kann unterschiedlich aussehen, Foto: Sutton/Motorsport-Magazin.com
Die Anordnung der Rohre kann unterschiedlich aussehen, Foto: Sutton/Motorsport-Magazin.com

Eine variable Turbinengeometrie (VTG), wie sie heutzutage in vielen Serienfahrzeugen zu finden ist, ist in der Formel 1 verboten. Hier ändert sich die Lage der Turbinenschaufeln, so dass sie mal mehr, mal weniger im Abgasstrom stehen. Auch so kann der Ladedruck reguliert werden.

In der modernen Formel 1 wird der Ladedruck aber größtenteils über die MGU-H geregelt. Wird die Drehzahl aber zu hoch - das Reglement erlaubt maximal 125.000 Umdrehungen pro Minute -, greif das Wastegate ein. Das ist auch der Grund, warum die Motoren 2015 lauter sind als 2014: Neben den Verbrennungsmotoren (ICE) wurden auch die elektrischen Komponenten effizienter. Somit muss die MGU-H weniger angetrieben werden, die Wastegate-Ventile können häufiger öffnen.

Renault-Turbo von 1980 mit Wastegate-Rohren, Foto: Renault Sport F1
Renault-Turbo von 1980 mit Wastegate-Rohren, Foto: Renault Sport F1

Öffnen die Wastegate-Ventile, gelangen Energiereiche Abgase ohne den Umweg Turbolader direkt in das Auspuffendrohr. Die Lautstärke steigt. Deshalb ist der Renault-Motor auch deutlich leiser als die Aggregate von Mercedes und Ferrari: Die Wastegate-Ventile sind schlichtweg nicht so oft geöffnet.

Aktuell gibt es zwei Wastegate-Ventile. Eines hinter dem linken, eines hinter dem rechten Abgaskrümmer. Nach der Umgehung des Turboladers führt der Bypass in das große zentrale Endrohr. So schreibt es das Reglement bislang vor.

Ein großes, ein oder zwei kleine Rohre

Genau hier wird 2016 der Hebel angesetzt: Nach den Wastegate-Ventilen dürfen die Abgase gar nicht mehr in das zentrale Auspuffendrohr führen. Ab der kommenden Saison muss es einen eigenen Auspuff für die Wastegate-Gase geben. Dabei ist es den Teams freigestellt, ob sie jeweils ein Rohr für jede Seiten oder ein einzelnes Gesamtrohr verbauen wollen. Insgesamt wird es also mindestens zwei und maximal drei Endrohre geben.

Die Querschnittsflächen sind festgelegt, Foto: Sutton/Motorsport-Magazin.com
Die Querschnittsflächen sind festgelegt, Foto: Sutton/Motorsport-Magazin.com

Wie groß die Rohre sein dürfen, ist festgelegt. Beim eigentlichen Auspuffendrohr bleibt alles beim Alten: Die Querschnittsfläche muss zwischen 7.500 und 14.000 Quadratmillimeter betragen. Veranschaulicht bedeutet das einen Rohrdurchmesser zwischen 10 und 13,5 Zentimeter.

Beim Wastegate-Auslass ist die Fläche ebenfalls festgelegt. Egal ob ein oder zwei Rohre, die Querschnittsfläche muss insgesamt zwischen 1.590 und 2.375 Quadratmillimeter liegen. Bei einem einzelnen Rohr würde das einen Durchmesser zwischen 4,5 und 5,5 Zentimeter bedeuten. Bei zwei Rohren müsste der Durchmesser zwischen 3,2 und 3,9 Zentimeter liegen. Wichtig: Die zwei Rohre müssen gleich groß sein.

Natürlich gibt es auch bei der Anordnung Vorschriften, damit keine Karosserieteile angeblasen werden können. Wie der große Auspuff müssen auch die Wastegate-Rohre nach hinten rausblasen. Von oben betrachtet dürfen die Rohre nur maximal 5,0 Grad schräg liegen. Von der Seite betrachtet gilt der gleiche Grenzwert, allerdings dürfen die Gase nicht nach unten, sondern nur gerade oder maximal 5,0 Grad noch oben entweichen.

Verschiedene Anordnungen denkbar

Die Rohre dürfen maximal 100 Millimeter von der Mitte entfernt liegen, Foto: Sutton/Motorsport-Magazin.com
Die Rohre dürfen maximal 100 Millimeter von der Mitte entfernt liegen, Foto: Sutton/Motorsport-Magazin.com

Auch die mittige Position ist vorgeschrieben: Kein Endrohr darf mehr als 100 Millimeter von der Fahrzeugmitte entfernt sein. Für die Höhe gilt: Zwischen 350 und 550 Millimeter über der Fahrzeugreferenzebene.

Die Lotus-Lösung aus 2014 könnte wieder ausgegraben werden, Foto: Sutton/Motorsport-Magazin.com
Die Lotus-Lösung aus 2014 könnte wieder ausgegraben werden, Foto: Sutton/Motorsport-Magazin.com

Damit sind verschiedene Anordnungen denkbar: Die drei Rohe können direkt nebeneinander liegen. Am sinnvollsten mit dem großen Endrohr in der Mitte, die zwei kleineren jeweils links und rechts davon. Bei einem Endrohr wird die Lotus-Lösung aus 2014 wieder interessant: Ein Rohr könnte links an der Heckflügelhalterung vorbeiführen, das andere rechts. Auch eine Anordnung übereinander ist denkbar.

Interessant wird, ob die Power-Unit-Hersteller für ihre Kunden eine einheitliche Lösung anbieten, oder ob es verschiedene Varianten gibt. Die Entscheidung, ob ein oder zwei Wastegate-Rohre hat auch einen großen Einfluss auf die Aerodynamik. Nicht nur die Rohre selbst stehen im Wind, auch die Motorabdeckung muss entsprechend gestaltet werden.