Die Geräuschkulisse war im vergangenen Jahr Thema Nummer eins in Jerez. Die Kritik an der neuen Technik ist deshalb nach wie vor groß. Schon am ersten Tag der Jerez-Tests munkelte der ein oder andere, dass die überarbeiteten Power Units ein wenig lauter sind als ihre Vorgänger. "Darüber wurde heute viel an der Pitwall und auch in der Fabrik gesprochen", gestand Mercedes Motorenchef Andy Cowell.

Allzu viel Hoffnung machte der Brite den Fans aber nicht: "Ich kann nicht sagen, ob es lauter geworden ist. Vielleicht liegt es daran, dass wir alle zwei Monate lang keinen Sound eines Rennautos gehört haben und es schön ist, ihn wieder zu hören? Vielleicht sind es auch die Berge hier - zuletzt in Abu Dhabi war alles flach?"

Mercedes Motorenchef Cowell hat wenig Hoffnung

Einen wirklichen Grund fand Cowell aber nicht, wieso die neue Genration lauter sein soll. "Vielleicht steigen die Drehzahlen ein bisschen, aber nicht besonders", suchte er noch nach einer Erklärung. Den meisten Ingenieuren ist das auch egal. "Lärm ist verschwendete Energie", meint Williams Technikdirektor Pat Symonds ganz pragmatisch.

Ein wenig Hoffnung für die Fans gibt es aber doch. Besonders auffällig in Jerez sind Red Bull und Toro Rosso. Die beiden Renault-betriebenen Boliden fahren im Vergleich zur Konkurrenz flüsternd über die Start- und Zielgerade. Selbst bei der schlechten Schallisolierung des Media Centers sind die Boliden kaum zu hören.

"Ich glaube nicht, dass unser Motor leiser geworden ist", sagte Renault Motorenchef Remi Taffin zu Motorsport-Magazin.com. "Ich glaube, dass alle Motoren lauter geworden sind." Grund dafür ist - auch wenn es sich zunächst komisch anhört - die gesteigerte Effizienz der Motoren. Auf der einen Seite erlaubt das Reglement in diesem Jahr variable Ansaugtrichter. Dadurch wird die Verbrennung effizienter.

Zudem haben alle Motorenhersteller Fortschritte bei der Technik gemacht. Die Verbrennungsmotoren sind weiterentwickelt und somit effizienter, aber auch die Hybridkomponenten. Deshalb muss die MGU-H vom Turbolader nicht mehr so stark mit Energie gefüttert werden, wie zuvor. Das erlaubt den Ingenieuren das Wastegate-Ventil früher zu öffnen, was für die Soundkulisse sehr förderlich ist. Abgase werden dann über einen Bypass am Turbolader vorbeigelenkt.

13.000 Umdrehungen wahrscheinlich

Eine Soundkulisse wie zu Sauger-Zeiten ist nicht zu erwarten, Foto: Sutton
Eine Soundkulisse wie zu Sauger-Zeiten ist nicht zu erwarten, Foto: Sutton

Dadurch sinkt der Abgasgegendruck, der Motor kann effizienter arbeiten. Hinzu kommen neue Kraftstoffe, die weiter auf die speziellen Anforderungen der Power Units angepasst wurden. Auch Motoröle wurden weiterentwickelt, womit die Reibung im Verbrennungsmotor verringert wird. Deshalb arbeiten die Motoren trotz der begrenzten Benzindurchflussmenge von 100 Kilogramm pro Stunde, die ab 10.500 Umdrehungen pro Minute gilt, bei etwas höheren Drehzahlen effizient.

Zwar sind die Steigerungen in allen Bereichen keine Quantensprünge, sie summieren sich aber. Variable Ansaugtrichter, weiterentwickelte Verbrennungsmotoren, Schmier- und Kraftstoffe und weniger Abgasgegendruck sorgen für höhere Drehzahlen. Renault erwartet eine Steigerung von rund 1000 Umdrehungen pro Minute. Somit würden die Motoren in diesem Jahr auf rund 13.000 Umdrehungen kommen. Erlaubt sind maximal 15.000 - über 13.000 Umdrehungen hinaus sinkt die Effizienz wieder.

Der Toro Rosso ist im Flüster-Modus unterwegs, Foto: Sutton
Der Toro Rosso ist im Flüster-Modus unterwegs, Foto: Sutton

Mehr Drehzahl bedeutet auch mehr Geräuschkulisse. Außerdem ist das Wastegate-Ventil öfter geöffnet, was zusätzlich ein paar Dezibel bringt. Wunder sind aber leider nicht zu erwarten. 13.000 Umdrehungen sind noch immer weit von vergangenen Sauger-Tagen entfernt. In Jerez ist der Soundunterschied im Vergleich zum Vorjahr - wenn überhaupt - marginal.

Bleibt noch die Frage, warum die Renault-Motoren so leise sind. Das könne sich noch ändern, meint Taffin. Denn Renault geht nach dem Debakel im Vorjahr mit der neuen Generation erst einmal auf Nummer Sicher. Getestet wird derzeit noch weit unter dem maximalen Power-Output. Deshalb sind die Drehzahlen niedriger und auch das Wastegate-Ventil ist kaum geöffnet. Da auch Ferrari, Mercedes und Honda noch lange nicht am Limit fahren, ist also noch eine kleine Steigerung möglich. Aber es bleib dabei: Wunder sind nicht zu erwarten.