Elftes Qualifying, elfte Pole Position. Mercedes bleibt auch nach der Sommerpause das Maß der Dinge, wenn es darum geht, eine schnelle Runde auf den Asphalt zu zaubern. Lewis Hamilton startet beim Großen Preis von Belgien zum bereits zehnten Mal im Jahr 2015 vom ersten Platz und hat damit schon die Pole Position Trophy gewonnen - ein netter Preis, der aber lediglich ideellen Wert hat.

Ganz anders stellt sich die Situation hingegen am Rennsonntag dar, da ist von Idealismus keine Spur, sondern es geht um wertvolle Punkte im Kampf um die Weltmeisterschaft. Motorsport-Magazin.com nimmt die Favoriten in Spa unter die Lupe und verrät, wer Mercedes vielleicht gefährlich werden kann.

Knackpunkt erste Runde

Den ersten Knackpunkt gibt es gleich am Start. Ab Belgien erhalten Piloten von ihren Teams via Funk keine Hilfe mehr, um Einstellungen wie den richten Kupplungsschleifpunkt zu wählen, sondern sind nun voll und ganz auf sich alleine gestellt. Der Fahrer soll wieder mehr Verantwortung tragen. Es bleibt abzuwarten, wie Mercedes mit dieser Neuerung umgeht, starteten die Silberpfeile unter dem alten Reglement zuletzt doch ziemlich schlecht. "Wir haben an diesem Wochenende, wie alle anderen auch, viel geübt. Jetzt müssen wir abwarten, wie es morgen Nachmittag aussehen wird", meinte Motorsportchef Toto Wolff.

Der Start wird diesmal besonders knifflig, Foto: Sutton
Der Start wird diesmal besonders knifflig, Foto: Sutton

Sind die Ampeln erst einmal erloschen, folgen fünf für den weiteren Rennverlauf ganz entscheidende Kurven. Nach der engen La-Source-Haarnadel, wo es in der Vergangenheit nicht nur einmal gekracht hat, geht es durch die legendäre Eau Rouge, die lange Kemmel-Gerade entlang bis zu Les Combes, wo im Vorjahr Hamilton und Rosberg kollidierten. Bis dahin sind zahlreiche Positionsverschiebungen zu erwarten, danach sollte sich das Feld zumindest vorerst einigermaßen sortiert haben.

Gelingt es Hamilton und Rosberg, die Anfangsphase des vermutlichen Zwei-Stopp-Rennens unbeschadet zu überstehen, steigen die Chancen auf einen Silberpfeilsieg gewaltig. Das Weltmeisterteam war der Konkurrenz an diesem Wochenende bislang deutlich überlegen und es deutet nicht allzu daraufhin, dass der Vorsprung plötzlich schmilzt. "Das perfekte Szenario sieht so aus: Einen perfekten Start erwischen und gut aus La Source beschleunigen, damit man den Windschatten nicht gibt. Das ist aber nie der Fall. Aber ich hoffe trotzdem nicht, dass ich als Zweiter aus La Source kommen", weiß Hamilton schon ganz genau, wie er vom Start wegkommen will.

Mit einer Wiederholung der teaminternen Kollision rechnet man bei Mercedes übrigens nicht. "Ich glaube, dass wir alle unsere Lektionen gelernt haben. Wir haben sehr enges Racing während des Jahres gesehen. Ich hab keine Zweifel, dass - wenn wir die Starts richtig hinbekommen - wir ein tolles Rennen durch La Source, durch Eau Rouge und die gerade danach sehen. Also tolles, spannendes Racing für uns alle, aber auch nicht mehr", glaubt Wolff nicht an eine Neuauflage des Krieg der Sterne.

Ferrari nimmt sich selbst aus dem Spiel

Nicht unwesentlich spielt Mercedes der Umstand in die Karten, dass Ferrari, der bislang schärfste Konkurrent in dieser Saison, das Qualifying völlig vergeigt hat. Kimi Räikkönen rollte mit einem technischen Defekt schon in Q2 aus und Sebastian Vettel musste sich mit dem achten Startplatz begnügen. "Ich kann nicht sagen, dass mein Auto schrecklich war, es hat sich gut angefühlt", nahm der Heppenheimer seinen SF15-T anschließend in Schutz und die schlechte Platzierung auf seine Kappe.

Vettel ist wohl kein Sieganwärter, Foto: Sutton
Vettel ist wohl kein Sieganwärter, Foto: Sutton

Selbst sollte Ferrari im Rennen die von Vettel erhoffte Pace finden, ist ein Duell mit Mercedes wohl nur dann realistisch, wenn die äußeren Umstände mitspielen. Nicht zuletzt deshalb hofft man bei der Scuderia auf Regen, der in der Schlussphase des Rennens tatsächlich die Ardennen erreichen könnte. "Das kann dir immer helfen, wenn du etwas weiter hinten bist", weiß Vettel.

Den einen oder anderen Regentanz wird man auch im Lager von Red Bull aufführen. Daniel Ricciardo, ausgestattet mit einem sehr flachen Heckflügel, um das Power-Defizit des Renault-Motors wettzumachen, startet vom fünften Platz. Ein Vorstoß scheint jedoch nur mit Hilfe des Wettergotts möglich. "Bei Regen ist ein Podium drinnen", sagte Dr. Helmut Marko bei Motorsport-Magazin.com. Ansonsten werde es "mühsam."

Red Bull hofft auf Regen, Foto: Sutton
Red Bull hofft auf Regen, Foto: Sutton

Bottas und Perez als erste Verfolger

Wer ist nun der größte Mercedes-Herausforderer in Spa? Diese Rolle könnte Valtteri Bottas zuteilwerden. Der Williams-Pilot sicherte sich den dritten Startplatz und verfügt mit dem FW37 über einen Wagen, dem die Streckencharakteristik entgegenkommen sollte. "Hinter mir war es sehr eng, also ist es gut, vor diesem Paket zu stehen", weiß Bottas um seine gute Ausgangsposition. Diese ist wesentlich besser als jene seines Teamkollegen Felipe Massa, der nach einem Fahrfehler nur Sechster wurde.

Der Hecht im belgischen Karpfenteich ist fraglos Sergio Perez, der wie Bottas einen Mercedes-Motor im Heck hat. Der Mexikaner stellte seinen Force India sensationell auf den vierten Startplatz. "Ich sehe keinen Grund, warum wir nicht um das Podium kämpfen sollten", strotzt Perez nur so vor Selbstvertrauen und peilt zum ersten Mal seit Bahrain 2014 den Sprung auf das Treppchen an.

Besonders gut schlägt sich der Force-India-Bolide im ersten Sektor, wo fast nur mit Vollgas gefahren wird. Perez und Hülkenberg wurden im Qualifying am Ende der Kemmel-Geraden mit über 340 km/h geblitzt, der erste Vertreter eines anderen Teams brachte es nur auf 336 km/h. Gerade in diesem Abschnitt der Strecke sollte sich für den Mexikaner somit die Möglichkeit bieten, Überholmanöver zu setzen respektive Attacken abzuwehren. Angesichts dessen scheint der Traum vom Podium nicht völlig aus der Luft gegriffen.