Der Circuit de Barcelona-Catalunya gilt als Gradmesser: Wer hier schnell ist, ist überall schnell. Deshalb wurde in der jüngeren Formel-1-Geschichte auf keiner Strecke mehr getestet als hier. Es ist der perfekte Kompromiss. Für die meisten Teams sind es nur zwei Flugstunden nach Barcelona, das Wetter ist meist brauchbar.

Auch diesmal war das Wetter zum größten Teil brauchbar, perfekt war es aber nicht. Vor allem am Samstag war es kalt. Wenn die Formel 1 im Frühling wieder nach Barcelona kommt, hat es mindestens 10 Grad mehr. Trotzdem: die Testfahrten in Barcelona sind repräsentativer als jene in Jerez. Motorsport-Magazin.com analysiert das zweite Aufeinandertreffen der neuen Autos.

Kombinierte Bestzeiten

PlatzFahrerTeamZeitRückstandReifen
1 Grosjean Lotus 1:24.067 Supersoft
2 Rosberg Mercedes 1:24.321 +0.254Medium
3 Maldonado Lotus 1:24.348 +0.281Supersoft
4 Ricciardo Red Bull 1:24.547 +0.507Soft
5 Räikkönen Ferrari 1:24.584 +0.517Soft
6 Massa Williams 1:24.672 +0.605Soft
7 Perez Force India 1:24.702 +0.635Supersoft
8 Verstappen Toro Rosso 1:24.739 +0.672Supersoft
9 Hamilton Mercedes 1:24.923 +0.856Medium
10 Kvyat Red Bull 1:24.941 +0.874Soft
11 Nasr Sauber 1:24.956 +0.889Supersoft
12 Bottas Williams 1:25.345 +1.278Soft
13 Sainz Toro Rosso 1:25.604 +1.537Supersoft
14 Alonso McLaren 1:25.961 +1.894Soft
15 Palmer Lotus 1:26.280 +2.213Soft
16 Vettel Ferrari 1:26.321 +2.245Soft
17 Ericsson Sauber 1:26.340 +2.273Soft
18 Hülkenberg Force India 1:26.591 +2.524Soft
19 Wehrlein Force India 1:27.333 +3.266?
20 Button McLaren 1:28.182 +4.115Medium
21 Wolff Williams 1:28.906 +4.839Medium

Rundenzeiten sind bei den Testfahrten weiterhin mit größter Vorsicht zu genießen. Man weiß nie, wie viel Benzin der Fahrer dabei an Bord hatte. Auch hinter den Reifen stehen Fragezeichen. Welcher Pilot mit welchen Reifen unterwegs ist, wird für die Öffentlichkeit nicht aufgezeichnet, Pirelli gibt nicht allzu viele Daten heraus. Deshalb wissen wir bestenfalls, auf welchem Reifentyp welcher Pilot seine Runden dreht, nicht aber, wie alt diese bereits sind.

Lotus könnte ein Geheimtipp sein, Foto: Sutton
Lotus könnte ein Geheimtipp sein, Foto: Sutton

Nicht alle Piloten sind schnelle Runden auf den Soft oder Supersofts gefahren. Man kann ungefähr abschätzen, wie groß der Vorteil der weicheren Reifen ist. Der Soft war bei diesen Bedingungen in Barcelona zwischen einer und anderthalb Sekunden schneller als der Medium Reifen. Weil die Strecke mit ihren vielen schnellen Kurven die Reifen stark beansprucht, ist der Supersoft nur sehr bedingt für den Circuit de Catalunya geeignet. Kein Pilot ist den Supersoft länger als fünf Runden gefahren. Er bringt im Vergleich zum Supersoft vielleicht noch einmal drei Zehntelsekunden in der ersten Runde.

Wir haben die kombinierten Zeiten reifenbereinigt. Für Runden auf Supersoft haben wir den Piloten 0,3 Sekunden auf ihre schnellste Rundenzeit hinzuaddiert, für Runden auf dem Medium-Compound haben wir 1,2 Sekunden abgezogen. Das Ergebnis ist interessant: Dass Mercedes vorne sein würde, war klar. Der Abstand ist allerdings beängstigend groß.

Kombinierte Bestzeiten (reifenbereinigt)

PlatzFahrerTeamZeitRückstand
1 Rosberg Mercedes 1:23.121
2 Hamilton Mercedes 1:23.723 +0.602
3 Grosjean Lotus 1:24.367 +1.246
4 Ricciardo Red Bull 1:24.547 +1.453
5 Räikkönen Ferrari 1:24.584 +1.463
6 Maldonado Lotus 1:24.648 +1.527
7 Massa Williams 1:24.672 +1.551
8 Kvyat Red Bull 1:24.941 +1.820
9 Perez Force India 1:25.002 +1.881
10 Verstappen Toro Rosso 1:25.039 +1.918
11 Nasr Sauber 1:25.256 +2.135
12 Bottas Williams 1:25.345 +2.224
13 Sainz Toro Rosso 1:25.904 +2.783
14 Alonso McLaren 1:25.961 +2.840
15 Palmer Lotus 1:26.280 +3.159
16 Vettel Ferrari 1:26.321 +3.191
17 Ericsson Sauber 1:26.340 +3.219
18 Hülkenberg Force India 1:26.591 +3.470
19 Button McLaren 1:26.982+3.861
20 Wolff Williams 1:27.706 +4.585

Lotus landet mit Reifenkompensation noch überraschend weit vorne. Der stellvertretende Teamchef Federico Gastaldi bekräftigte im Gespräch mit Motorsport-Magazin.com, dass sein Team nicht darauf aus sei, Showrunden in den Asphalt zu brennen. Allerdings ist diese Floskel aus allen Lagern zu hörne. Trotzdem, Lotus könnte ein Geheimtipp sein.

Auch reifenbereinigt sollte die Tabelle mit Vorsicht genossen werden. Sebastian Vettel zum Beispiel taucht gar nicht unter den ersten zehn auf. Der vierfache Weltmeister belegt gar nur Rang 16. Allerdings ist Vettel seine schnellste Runde in einem längeren Stint gefahren als die meisten Konkurrenten. Vettel war bei diesem Run sechs Runden auf der Strecke, die von Alonso verursachte Rot-Phase beendete seinen Stint. Wie viele Runden Vettel noch draußen geblieben wäre, weiß nur Ferrari.

Ferrari kämpft wohl mit Red Bull, Williams und Lotus um Platz zwei, Foto: Ferrari
Ferrari kämpft wohl mit Red Bull, Williams und Lotus um Platz zwei, Foto: Ferrari

Rosberg fuhr seine schnellste Runde übrigens in einem sieben Runden langen Stint. Also noch längst keine Qualifikations-Simulation. Das sollte der Konkurrenz noch mehr Angst machen. Beim Rest sah es schon eher nach ersten Quali-Simulationen aus. Grosjean fuhr (inklusive In- und Outlap) vier Runden, Ricciardo gar nur drei. Bei allen Piloten unter den ersten zehn war die erste gezeitete Runde die schnellste, außer bei Lewis Hamilton. Der Brite klagte darüber, die Reifen nicht richtig ins Betriebsfenster zu bekommen.

Mercedes ist wieder auf und davon, Foto: Mercedes-Benz
Mercedes ist wieder auf und davon, Foto: Mercedes-Benz

Gerne hätten wir ihnen auch die Rennsimulationen analysiert. Allerdings hatten dabei selbst die Teams Schwierigkeiten. Zahlreiche Rot-Phasen sorgten dafür, dass viele Piloten ihre Rennsimulationen teilweise mehrfach unterbrechen mussten. Somit sinkt die Aussagekraft der Zeiten erheblich. Wir wissen nicht, ob in den Pausen Reifen gewechselt wurden, wir wissen nicht, ob sonst etwas an den Autos verändert wurde.

Das erste Kräfteverhältnis sieht - unter allen genannten Vorbehalten - Mercedes erneut deutlich in Front. Dahinter folgen in geringen Abständen Lotus, Red Bull, Ferrari und Williams. Zwischen diesen Teams ist eine Standortbestimmung unmöglich. Da Force India noch mit dem alten Auto testete, fallen die Inder komplett aus der Wertung. Toro Rosso und Sauber scheinen mit kleinen Vorteilen für Toro Rosso auf Augenhöhe.

McLaren steht und fällt mit Honda. Motorsport-Magazin.com beobachtet den MP4-30 live an der Strecke. Vor allem in langsamen Kurven liegt der McLaren sensationell gut. Das Chassis ist gewagt, aber gut. Gut zumindest für die Performance, für die Power Unit offenbar nicht. Denn dort gibt es weiterhin gravierende Probleme.

Auf der anderen Seite der Power-Unit-Skala bewegt sich Mercedes. Zuverlässigkeit und Power zeichnen das Mercedes-Aggregat aus. Im vergangenen Jahr war der Lotus mit Renault-Power fast auf jeder Strecke das langsamste Auto auf den Geraden. Jetzt gehört der E23 mit Mercedes-Power zu den schnellsten Autos im Feld. Es gab am E23 auch beim Chassis größere Änderungen als bei den meisten Konkurrenten, aber der Topspeed-Zugewinn geht wohl zum Großteil auf das Konto von Mercedes.

Topspeeds in Barcelona I

PlatzFahrerTeamMotorkm/h
1 Bottas Williams Mercedes 337,5
2 Grosjean Lotus Mercedes 336,4
3 Nasr Sauber Ferrari 335,4
4 Maldonado Lotus Mercedes 335,4
5 Wehrlein Force India Mercedes 2014 333,3
6 Massa Williams Mercedes 333,3
7 Hülkenberg Force India Mercedes 2014 332,3
8 Hamilton Mercedes Mercedes 331,2
9 Verstappen Toro Rosso Renault 331,2
10 Sainz Toro Rosso Renault 330,2
11 Ericsson Sauber Ferrari 330,2
12 Perez Force India Mercedes 2014 330,2
13 Vettel Ferrari Ferrari 329,2
14 Palmer Lotus Mercedes 328,2
15 Rosberg Mercedes Mercedes 327,2
16 Alonso McLaren Honda 326,2
17 Kvyat Red Bull Renault 325,3
18 Räikkönen Ferrari Ferrari 325,3
19 Wolff Lotus Mercedes 324,3
20 Ricciardo Red Bull Renault 322,3
21 Button McLaren Honda 317,6

Renault präsentierte sich im Vergleich zu Jerez deutlich verbessert. Sowohl was die Zuverlässigkeit angeht, als auch bei der Power. Ferraris Zuverlässigkeit ist wegen der Probleme bei Sauber nicht wirklich repräsentativ. Bei der Leistung lässt sich nun zwischen Ferrari und Renault nicht mehr klar unterscheiden.

Renault testete in Barcelona Exemplare, die deutlich näher an der Melbourne-Variante sind als noch jene vor zwei Wochen. Der Motor war auch akustisch deutlich von jenem, der noch in Jerez eingesetzt wurde, zu unterscheiden. ERS-H und ERS-K konnten bereits voll auf Leistung und Standhaftigkeit getestet werden, beim Verbrennungsmotor und dem Turbolader müssen die Franzosen noch auf neue Teile warten.