Das größte Talent seit Jahren. Ein Rohdiamant. Der Sensations-Aufsteiger. Max Verstappen wird in diesen Tagen überschlagen mit Superlativen. Zweifelsohne verfügt der künftige Toro-Rosso-Pilot über ein riesiges Potenzial, das beweist er mit seinen herausragenden Leistungen in der hart umkämpften Formel 3 Europameisterschaft. Doch eine Frage schwingt stets mit: Geht Red Bull nicht das Risiko ein, Verstappen Junior zu verheizen? Er wäre nicht der erste Fahrer, der dem Druck nicht gewachsen ist.

Motorsport-Magazin.com wollte es genau wissen und hakte in Spa-Francorchamps am Rande des Belgien Grand Prix beim Chef höchstpersönlich nach: Franz Tost, haben Sie keine Angst, dass Verstappen in seinem extrem jungen Alter schlichtweg verheizt wird? "Bei Max sehe ich kein Risiko", lautete die Antwort des Teamchefs von Toro Rosso. "Wenn jemand vom siebten Lebensjahr an Rennen fährt, Kartweltmeister wird, in der Formel 3 EM fährt und dort auch gewinnt, dann mache ich mir keine Sorgen, ihn zu verheizen."

Alle Augen sind auf Max Verstappen gerichtet, Foto: Sutton
Alle Augen sind auf Max Verstappen gerichtet, Foto: Sutton

Eine andere Hausnummer

Trotzdem lässt sich nicht von der Hand weisen, dass die Formel 1 eine ganz andere Hausnummer ist als die Formel 3. In der Königsklasse wird Verstappen unter ständiger Beobachtung stehen und einem Druck ausgesetzt sein, den er zuvor noch nicht kannte. Tost, ein Spezialist im Umgang mit jungen Talenten, sah die Situation relativ gelassen. "Sorgen würde ich mir machen, wenn er gezwungen wird, in der Formel 1 zu fahren, ohne die Resultate zu haben", sagte der Österreicher. "Das gibt's ja auch, wenn der Sponsor sagt, dass einer jetzt Formel 1 fahren muss - so einer wird verheizt."

Es liege laut Tost nun in der Verantwortung von Toro Rosso, Verstappen eine gute Basis und ein gutes Auto zu liefern, um sich richtig entwickeln zu können. "Wenn er verheizt wird, dann habe ich die Schuld daran", machte sich Tost nichts vor. "Jetzt reinzukommen bedeutet für ihn die Chance, früher in der höchsten Klasse fahren zu können, noch mehr zu lernen und früher mit der Materie konfrontiert zu werden, um dann länger in der Formel 1 zu sein."

Ist Verstappen dem Druck wirklich gewachsen?, Foto: Sutton
Ist Verstappen dem Druck wirklich gewachsen?, Foto: Sutton

Warum nicht erst GP3?

Wäre es aber nicht eine Option gewesen, Verstappen erst einmal in der GP3, GP2 oder der Renault World Series zu parken? Das war in den vergangenen Jahren schließlich der übliche Schritt auf dem Weg in die Formel 1. Vorbei waren eigentlich die Zeiten, in denen ein junger Fahrer von der Formel 3 sofort in die Formel 1 aufsteigen konnte. Tost widersprach. "GP3 muss er nicht fahren, wenn er Formel 3 gefahren ist, die wesentlich stärker besetzt ist", versicherte er. "Der Verstappen würde auch in der GP2 gewinnen."

Vorteil GP2 und GP3: Die jungen Piloten fahren im Rahmen der Formel 1 und lernen nicht nur die besondere Atmosphäre, sondern auch die unterschiedlichen Strecken kennen. Die Formel 3 EM hingegen ist - der Name verrät es - ausschließlich in Europa angesiedelt. "Aber die Strecken sind ähnlich", konterte Tost. "Die Formel 3 fährt auch in Hockenheim und am Nürburgring. Von den Strecken her sehe ich keine Herausforderung, die Serie zu wechseln."

Schneller hätte es für Verstappen Junior nicht gehen können, Foto: FIA F3
Schneller hätte es für Verstappen Junior nicht gehen können, Foto: FIA F3

Die übliche Crash-Periode

Laut dem Teamchef aus Faenza sind also alles Voraussetzungen gegeben, damit sich Verstappen auch in der Formel 1 durchsetzen kann. Klingt zunächst einmal schön und gut, doch was, wenn Verstappen bei seinen ersten Rennen Probleme bekommt und das Image vom Wunderkind leiden könnte? Hält der Niederländer dem Druck dann auch stand? Zumindest teamintern erhielte er in diesem Fall volle Rückendeckung, versicherte Tost.

"Das ist eine Crash-Periode, die jeder durchmachen muss", sprach er aus bester Erfahrung. "Wer nicht crasht, ist nicht am Limit. Egal welcher Fahrer es ist, ich sage immer: Ihr werdet drei, vier Rennen erleben, in denen ihr einfach Fehler macht und feststellt, dass auch für euch die physikalischen Gesetze gelten. Das war bisher bei jedem Fahrer so, und das wird auch bei Max so sein, dass er ohne Flügel wiederkommt oder im Kiesbett landet. Das ist ganz normal und das gehört auch dazu." Bleibt nur zu hoffen, dass Verstappen selbst das ebenfalls versteht.