Dunkle Wolken hängen über Viry-Châtillon. Die Verärgerung bei Red Bull ist riesig, die deutliche Kritik ebbt einfach nicht ab. Zuletzt platzte Teamchef Christian Horner der Kragen. Der Performancerückstand und die mangelnde Zuverlässigkeit des Renault Antriebsstrangs bringt die Verantwortlichen beim Weltmeisterteam zum Kochen.

Immer wieder werden öffentlich Rufe nach einem eigenen Motor laut. Vermehrt seit dem Heimspieldebakel in Spielberg. "Die Gerüchte gibt es ja schon länger", sagt Motorsport-Magazin.com-Experte Christian Danner. "Früher war es eigentlich problemlos möglich, einen eigenen Formel-1-Motor zu bauen. Das ist jetzt nicht mehr ganz so einfach der Fall, weil die Technik doch sehr komplex geworden ist. Ich glaube aber, dass es durchaus eine Option ist."

Baut Red Bull einen eigenen Formel-1-Motor?

Für den Bau eines eigenen Red-Bull-Motors spricht:

  • Die Ansprüche von Red Bull sind gestiegen. Das Auto ist top, so muss auch der Motor sein. Basta.
  • Die Verstimmungen mit Renault werden immer tiefgreifender. Öffentliches Zerfleischen hilft nicht für langfristige Kundenbeziehungen.
  • Geld spielt keine Rolle. Teurer Aufbau einer eigenen Motorenabteilung? Kein Problem.
  • Red Bull hat Kontakte in die gesamte F1-Welt, auch zu einem gewissen Mario Illien, der einst den Grundstein für die heutige Mercedes-Motorenschmiede legte.
  • Neben Firmen in England gibt es auch in der österreichischen Heimat rund um Graz viele Unternehmen, die bereits als Zulieferer für F1-Teams agieren. Sie könnten als Basis für die Motorenproduktion genutzt werden.

Gegen den Bau eines eigenen Red-Bull-Motors spricht:

  • Lange Aufbauphase: Es benötigt technische Anlagen, Mitarbeiter, Know-how
  • Auch ein eigener Motor ist keine Garantie für Erfolge. Red Bull Racing gewann auch nicht auf Anhieb Rennen.
  • Die österreichische Lösung ist nicht unter einem Dach oder in direkter Nachbarschaft wie bei Mercedes. Schon Ferrari hatte früher Probleme mit der Kommunikation zwischen Italien und England.
  • Alles nur Säbelrasseln? Viel Lärm bringt eine bessere Verhandlungsbasis. "Wenn man über die Zukunft diskutiert, sollte man solche Optionen sichtbar machen", betont Danner. Das ist stets ein gutes Druckmittel.
  • Für einen Red-Bull-Motor müssten die österreichischen Zulieferer ihre anderen Kunden aufgeben, sofern sie nicht auch mit dem Motor fahren. Das könnte ihnen bei einem F1-Ausstieg von Red Bull das Genick brechen. Gehen sie das Risiko ein?

Red Bull 2015 immer noch mit Renault

So oder so: eins steht schon jetzt definitiv fest - auch in der nächsten Saison 2015 steckt eine Renault Power Unit im Heck des RB11. Dafür spricht nicht nur der Vertrag mit den Franzosen (Verträge sind schließlich mit viel Geld schnell das Papier nicht wert, auf dem sie unterschrieben wurden), sondern auch der Mangel an Alternativen.

Hauptrivale Mercedes wird Red Bull nicht mit dem derzeit besten Antriebsstrang der Formel 1 ausstatten. Ebenso wenig sind Rückkehrer Honda und Ferrari Optionen. Die Japaner kehren im nächsten Jahr erst einmal mit McLaren in die Formel 1 zurück und die Italiener haben mit ihrem V6-Turbo ohnehin selbst stark zu kämpfen. Damit bleibt einzig Renault.

Redaktionskommentar: Motorsport-Magazin.com meint...

Schlechte Verlierer: Egal wie man zu den potentiellen Plänen für einen eigenen Motor steht, eins ist klar: Der Umgang von Red Bull mit dem eigenen Motorenpartner Renault, mit dem sie vier Mal in Folge alles gewannen, ist nicht gerade die feine Art. Ich hätte es nie gedacht, aber ich breche eine Lanze für die Franzosen, die schon beim ersten Anzeichen von härterem Wellengang in diesem Jahr die volle Breitseite erhalten. Fußballtrainer kennen das: Die Leistung stimmt nicht, also wird gleich am Stuhl gesägt. Von Zusammenhalt und Unterstützung für den Partner ist nicht viel zu spüren.

Red Bull hat von Anfang an auf die Franzosen eingehauen. Andere Teams verfallen in gegenseitige Liebesbekundungen, wie man gemeinsam da wieder herauskommen werde. Ja, diese mögen für uns Journalisten und Fans extrem langweilig sein, da ist ein Gurkenspruch natürlich viel besser. Aber in einem Team würde ich öffentlich die langweilige Variante erwarten - und intern die Keule schwingen. (Stephan Heublein)