Nico Rosbergs Mine nach dem Qualifying zum China Grand Prix passte perfekt zu den Witterungsbedingungen in Shanghai: trüb und alles andere als angenehm. Ein Gesicht wie zwei Tage Regen - für Rosberg fühlte sich der vierte Platz im Qualifying an wie eine Niederlage. Vor allem angesichts seines übermächtigen Teamkollegen Lewis Hamilton, der der Konkurrenz auf nasser Strecke locker um die Ohren fuhr.
"Du kannst lachen, aber ich lache gar nicht", sagte Rosberg in der Interviewzone in Richtung seines Landsmannes Nico Hülkenberg, der sich über seinen achten Startplatz freute. Die dritte teaminterne Niederlage schmerzte Rosberg, der mit der Zuversicht eines WM-Führenden ins China-Wochenende gestartet war und für den ein Platz in der zweiten Reihe nicht mehr genügt. "Der ist bestraft genug mit seinem Startplatz", wie es Niki Lauda ausdrückte, seinem Schützling aber Mut zusprach: "Aber morgen kann alles ganz anders werden."
Kapitaler Verbremser
Rosberg war Hamilton in allen drei Sessions des Zeittrainings auf dem Shanghai International Circuit deutlich unterlegen. Im Q2 sowie Q3 betrug der Rückstand jeweils 1,2 Sekunden - ein bitterer Rückschlag im härtesten Teamkampf der Saison. Doch Rosberg suchte keine Ausflüchte. "Die Bedingungen waren gut, daran lag es nicht", räumte der 28-Jährige ein. "Das hat man ja an Lewis gesehen."
Woran lag es also, dass Hamilton in der letzten Runde so viel schneller war? Einfach ausgedrückt: an Rosberg selbst. Nachdem er auf Intermediates eine erste Rundenzeit gesetzt hatte, machte er sich mit frischen Inters auf zu seinem schnellsten Run. Bestzeit in Sektor 1, kurzzeitig Bestzeit in Sektor 2, die Pole vor Augen. Dann die lange Gerade auf dem Weg zur letzten Spitzkehre, Rosberg bremst - verbremst sich - und lässt dabei rund eine Sekunde liegen. Genug, um keine Chance auf Startplatz 1 zu haben.
Bremse als Knackpunkt
"Nico war auf seiner vorletzten Runde richtig gut unterwegs, aber die Bremse ist auf der langen Gerade sehr abgekühlt", erklärte Motorsportchef Toto Wolff anschließend. "Wir müssen nun analysieren, warum die Bremse so stark an Temperatur verloren hat." Die Bremsen als Knackpunkt. Während bei Hamilton alles perfekt lief, reichte dieses Detail bei Rosberg aus, um chancenlos zu sein. Dass die beiden Red Bulls von Daniel Ricciardo und Sebastian Vettel Mercedes zumindest im Nassen Paroli bieten konnten und Rosberg auf Platz vier katapultierten, machte es nur noch schlimmer.
"Ich war heute leider nicht schnell genug", gab Rosberg zu. "Auf der Bremse habe ich mich nicht wohl gefühlt, das war das einzige Problem. Sonst war ich überall schnell. Es lag am letzten Sektor, weil da die großen Bremspunkte sind. Da habe ich es nicht hingekriegt."
Missverständnis am Display
Rosberg hatte noch genug Zeit für einen dritten Versuch. Im Vergleich zur vorangegangenen Runde reichte er in den ersten beiden Sektoren allerdings nicht mehr an seine persönlichen Bestzeiten heran - knapp drei Zehntelsekunden fehlten. Da er sich in der Runde davor aber im letzten Sektor verbremst und dadurch Zeit verloren hatte, witterte er seine Chance. "Auf dem Weg in die letzte Kurve war ich eine halbe Sekunde schneller", so Rosberg. "Aber die Delta-Zeiten auf dem meinem Display zeigten an, dass ich zwei Zehntel langsamer sei."
In diesem Irrglauben legte Rosberg viel Risiko in die letzten Kurven - verlor das Auto und drehte sich eingangs der Zielgeraden. "Ich musste es in der letzten Kurve einfach versuchen um zu sehen, ob ich auf magische Art und Weise etwas Zeit reinholen könnte. Das hat aber nicht ganz funktioniert und ich drehte mich, weil ich fäschlicherweise dachte, dass ich eh nichts mehr zu verlieren hätte", erklärte Rosberg.
Siegchance intakt
Ob es ohne den Dreher zur Pole gereicht hätte, bleibt offen. Für die ersten beiden Sektoren benötigte er 64,446 Sekunden - bei Hamilton waren es auf seinem schnellsten Run 64,207 Sekunden, also 0,239 Sekunden schneller. Eher verlor Rosberg die Pole wegen seines Fehlers auf der vorletzten Runde, denn nach den ersten beiden Sektoren war er 0,045 Sekunden schneller als Hamilton und hatte es damit selbst in der Hand.
Aber genug der Zahlenspiele - auch für Rosberg, der die Siegchance von Startplatz vier noch nicht aufgegeben hat. "Es ist realistisch, ganz nach vorn zu fahren", meinte er. "Das Auto ist schnell und bei den Longruns am Freitag fühlte ich mich wohl - es ist noch alles drin. Das Rennen könnte anders werden, weil es trocken sein soll. Da sind die Bremsen weniger ein Problem." Zusätzlicher Sieganreiz: Mit seinem fünften F1-Triumph würde Rosberg Junior in der ewigen Liste mit seinem Vater Keke gleichziehen."
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