An diesem Donnerstag blickt die Motorsportwelt kollektiv nach Paris. Am Place de la Concorde in der französischen Hauptstadt berät das Internationale Tribunal der FIA über den Reifen-Test von Mercedes. Die große Frage: Wird Mercedes für den viel diskutierten Pirelli-Test in Barcelona bestraft und falls ja, wie hoch fällt diese Strafe aus? Motorsport-Magazin.com beleuchtet die möglichen Szenarien und erklärt, worauf sich Mercedes gefasst machen könnte.

1. Mercedes muss eine Geldstrafe zahlen

100 Millionen Dollar. So viel musste McLaren im Zuge der skandalösen Spionage-Affäre aus dem Jahr 2007 zahlen. Es ist eher nicht zu erwarten, dass Mercedes - sollten sie mit einer Geldstrafe belegt werden - eine ähnlich große Summe zahlen muss. Überhaupt glauben nur wenige Beobachter und Experten, dass Mercedes lediglich zur Kasse gebeten wird. Der Grund für diese Annahme ist simpel: Andere Teams könnten die Geldstrafe als Test-Kauf auslegen. Heißt: Müsste Mercedes einige Millionen zahlen, könnten andere wohl betuchte Teams dies als eine Art Aufforderung sehen, sich Tests für Geld - in diesem Fall die Höhe der Mercedes-Strafe - erkaufen zu können. Das kann kaum im Sinne der FIA sein.

Also müsste die Geldstrafe extrem hoch angesetzt sein, wobei die FIA mit Sicherheit nicht riskieren will, Mercedes aus der Formel 1 zu vergraulen. Zu wichtig ist der Hersteller für die Zukunft des Sports - vor allem in diesen kritischen Zeiten, in denen sich die F1 wegen des offenen Concorde Agreements in einem rechtsfreien Raum befindet. Zuletzt hatten Aktionäre schon einen Ausstieg der Silberpfeile aus der Königsklasse gefordert, da das Unternehmen allein wegen des F1-Engagements nicht mehr Autos verkaufe und somit nicht rentabel sei.

2. Die FIA bestraft Mercedes mit Punktabzug

Im Falle einer Bestrafung gilt ein Punktabzug in der Konstrukteurs-WM als wahrscheinlichste Lösung. So könnte die FIA sogar zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen. Sollte es zu einer Verurteilung kommen, hätte Mercedes gegen das Sportliche Reglement verstoßen - deshalb fordern andere Teams auch eine sportliche Bestrafung. Das wäre mit einem Abzug von WM-Punkten gegeben. Mit dem Punktverlust könnte ein Zurückfallen in der WM-Wertung einhergehen. Das käme einer Geldstrafe gleich - nur eben auf Umwegen. Die Teams erhalten am Ende der Saison eine bestimmte Geldsumme anhand der jeweiligen WM-Position. Fiele Mercedes wegen des Abzugs in der Tabelle zurück, ginge somit auch ein Teil des WM-Bonus flöten.

Einige Teams könnten mit dieser Bestrafung wohl einigermaßen leben. Während sie von einer Geldstrafe keinen Vorteil hätten, würde zumindest einige der Punktverlust von Mercedes unmittelbar selbst betreffen. Zum Problem könnten aber Red Bull und Ferrari werden, die in der WM nicht nur besser positioniert sind, sondern bislang hart mit Mercedes ins Gericht gingen und auf eine Strafe pochen. "Ich glaube, dass man bei der FIA schon versuchen wird, eine einigermaßen diplomatische Lösung zu finden", so Motorsport-Magazin.com-Experte Christian Danner. "Nur bin ich wirklich gespannt, wie die dann bei der sichtbaren Faktenlage aussehen soll - so, dass auch die anderen Teams einigermaßen damit leben können."

3. Mercedes wird aus der WM ausgeschlossen

Die härteste aller möglichen Strafen - der komplette WM-Ausschluss für Mercedes. Damit entgingen den Silberpfeilen nicht nur Millionen aus dem WM-Topf, sondern das Ansehen der Marke würde enorm leiden - es wäre der PR-Gau für Daimler-Benz. Da die Motorsport-Abteilung jedes Jahr bei der Chef-Etage um einen entsprechenden Etat kämpfen muss, könnten für das Werksteam die Lichter ausgehen. Noch steht der Konzern hinter dem F1-Projekt - auch, weil sich inzwischen wieder zählbarer Erfolg eingestellt hat - doch einen WM-Ausschluss könnte das Unternehmen kaum vor seinen Aktionären verantworten.

Für einen Ausschluss aus der Weltmeisterschaft müsste aber ein extrem triftiger Grund vorliegen - Betrug wäre eine Möglichkeit, denn die FIA will sich von den Teams nicht auf der Nase herumtanzen lassen. Gleichzeitig kann Jean Todt - wie bereits erwähnt - nicht riskieren, dass Mercedes den oftmals zitierten Stecker zieht. Schließlich ist das Unternehmen auch als Motoren-Lieferant ungemein wichtig, vom Prestige einmal ganz abgesehen.

4. Mercedes kommt ohne Strafe davon

Mercedes beharrt darauf, von der FIA eine Genehmigung für den Test bekommen zu haben und will entsprechende E-Mails vorlegen. "Wir hätten den Pirelli-Test nicht gemacht, wenn wir nicht davon ausgegangen wären, dass wir es dürfen", sagte Ross Brawn. "Wenn wir vor dem Tribunal stehen, werden sie ihre Antworten bekommen." FIA-Renndirektor Charlie Whiting soll Mercedes schriftlich grünes Licht für den Test gegeben haben. Wenn sich herausstellt, dass dies nicht mit dem Reglement vereinbar ist, könnte er seinen Job verlieren - und Mercedes vielleicht heil aus der Geschichte herauskommen.

Schließlich könnte sich das Team, das in Paris lediglich durch Ross Brawn vertreten ist, auf Whitings Okay berufen. Doch auch hier gibt es einen Haken, wie Bernie Ecclestone es blumig formulierte: "Wenn man mir Diebesgut anbietet, dann muss ich entscheiden, ob ich es annehme oder nicht. Es obliegt niemand anderem, mir zu sagen, was ich tun soll. Ich sollte wissen, was ich tun sollte." Doch nicht einmal der F1-Zampano, normalerweise nicht um Worte verlegen, wollte sich zu einer möglichen Bestrafung äußern - selbst dem Fuchs scheint die Lage diesmal zu undurchsichtig.