'Früher war alles besser', denken sich wohl die meisten F1-Piloten. Denn früher durften die Teams so viel Testen wie sie wollten. Doch in Zeiten von Kosteneinsparungen hat das freie Fahren in der Königsklasse längst ein Ende genommen. Das Testen wurde in den letzten Jahren drastisch reglementiert und die Zeit, in der überhaupt noch gefahren werden darf, massiv eingeschränkt. Anno 2013 geht das so weit, dass den Teams vor der Saison lediglich zwölf Tage Testzeit zur Verfügung steht - und das auch nur mit einem Auto pro Rennstall. Aufgeteilt ist die Zeit im Normalfall in dreimal vier Tage. Ausnahmen gibt es aber dennoch: So ist es den Teams gestattet, gleich acht PR-Termine wahrzunehmen, wie etwa Kamerafahrten oder Werbeaufnahmen. Allerdings dürfen bei diesen maximal 100 Kilometer zurückgelegt werden und keine aktuellen Reifen verwendet werden.

Wird Mercedes Artikel 22.1 zum Verhängnis?

Zum Zweck der Performance-Verbesserung sind da schon die Aerodynamik-Testfahrten interessanter - vier an der Zahl darf jedes Team pro Jahr davon durchführen. Gefahren werden darf allerdings nur geradeaus. Wichtiger noch ist daher der Young-Driver-Test, beim dem die Rennställe über mehrere Tage einen Nachwuchsmann einsetzen können und ihnen zudem freisteht, was sie testen. Damit die Teams ihre Möglichkeiten aber nicht über die Maßen ausreizen, besteht zudem ein Kilometer-Limit: Mehr als 15.000 Kilometer im Jahr abzuspulen ist untersagt. Blickt man nun auf die Causa Mercedes, wird jedoch vor allem Artikel 22.1 des sportlichen Reglements der FIA interessant.

In Barcelona hatte Mercedes die Strecke ganz für sich allein: Für die Konkurrenz eine unlautere Begebenheit, Foto: Mercedes AMG
In Barcelona hatte Mercedes die Strecke ganz für sich allein: Für die Konkurrenz eine unlautere Begebenheit, Foto: Mercedes AMG

Dort heißt es: "Als Testfahrten auf der Strecke werden alle Fahrten angesehen, an denen ein in der Weltmeisterschaft eingeschriebener Wettbewerber außerhalb eines offiziellen Events partizipiert und dabei Autos einsetzt, die den technischen Regularien der Formel 1 entsprechen, oder denen in den zwei vorangegangenen Jahren." Übersetzt heißt das: Höchstens mit einem Boliden aus dem Jahr 2010 hätte Mercedes die Testfahrten abhalten dürfen, ohne dass diese als eben solche gewertet worden wären. Pikant bei der Sache ist jedoch, dass Reifenlieferant Pirelli mit dem Automobilweltverband parallel ein Abkommen unterzeichnet hat, das es den Italienern erlaubt, unter der Saison Testfahrten mit einem Team durchzuführen, um die Pneus für die Saison 2014 zu evaluieren, das Produkt somit zu verbessern und, wie im Falle der zuletzt immer häufiger auftretenden Delaminierungen, sicherer zu gestalten.

Als Einschränkung für eine derartige Testfahrt bestand lediglich die Klausel, dass dabei nicht mehr als 1.000 Kilometer pro Team gefahren werden dürfen, was in Bezug auf Mercedes auch nicht passiert ist. Zusätzlich muss Pirelli den besagten Rennstall dazu einladen: Signifikante Informationen - und damit einhergehend ein Vorteil - soll dem Teilnehmer nach Möglichkeit nicht generiert werden. Aufgabe des seit 2010 bestehenden zwölfköpfigen Tribunals ist es nun, zu klären, inwieweit Mercedes doch von den abgespulten Kilometern profitiert haben könnte und wie, unter den besonderen Voraussetzungen der FIA-Vereinbarung mit Pirelli, der Einsatz des aktuellen Autos gewertet wird.