Kurz vor dem Saisonstart hat die Zeit der Prognosen, Propheten und selbsternannten Experten wieder einmal ihren vorläufigen Höhepunkt erreicht. Dieser Tage im Fahrerlager ein verlässliches Urteil einzuholen, ist gar nicht so einfach - zu sehr wird bei den Teams im Vorfeld hoch gepokert und tiefgestapelt. Peter Sauber kennt dieses Spiel in der Königsklasse bereits seit zwei Jahrzehnten. Der Schweizer ist mehr als nur ein Insider und versucht, trotz aller Verbundenheit zu seinem eigenen Rennstall, das Geschehen immer möglichst neutral zu bewerten - im Stile eines waschechten Schweizers eben. Überrascht hat den 69-Jährigen bei den Wintertests Mercedes. "Sie haben ein klares Ausrufezeichen gesetzt - und Ferrari war auch nicht weit weg."

"Red Bull hielt sich dagegen bisher vornehm zurück", sagte Sauber, der jedoch darauf hinwies, dass es ein Fehler sei, das Weltmeisterteam nun deshalb abzuschreiben. Mit Blick auf die jüngsten Testergebnisse sagte er: "Wer daraus schließt, dass sie nicht ganz vorne dabei sind, wird sicher eine böse Überraschung erleben." Sauber war sich sicher: "Das Team hat so viele Ressourcen, dass man jederzeit auch auf sehr schwierige Situationen reagieren kann." Seine eigene Truppe sah der Schweizer nicht um die Spitze mitkämpfen - er zählte das Team aus Hinwil erneut zum Mittelfeld. "Und dort wird es wieder extrem eng zugehen - so, wie es auch schon 2012 der Fall war", erklärte Sauber dem Blick. Trotzdem wollte er optimistisch in die Saison blicken. "Mit unserer Vorbereitung bin ich insgesamt jedenfalls zufrieden."

Sauber hat auf Extreme gesetzt

Einräumen wollte der Teambesitzer aber: "Wir haben uns bei der Konstruktion des Autos für einen extremen Ansatz mit sehr schmalen Seitenkästen entschieden." Die spannende Frage sei anschließend gewesen, ob einem trotzdem noch genügend Kühlungsluft zur Verfügung stehen würde. "Bereits nach dem ersten Tag konnte da Entwarnung gegeben werden: Die Kühlung zeigte sich als sehr leistungsfähig", freute sich Sauber. Trotzdem müsse man alle bisherige Resultate mit Vorsicht genießen - denn aus den Wintertests dieses Jahr eine halbwegs stichhaltige Hackordnung herauszulesen, sei heuer noch schwieriger als sonst, meinte der Ex-Teamchef. Zur Begründung nannte Sauber die oftmals schlechten Wetterverhältnisse und die schnell abbauenden Reifen.

Dabei wollte er jedoch klarstellen: "Das ist keine Kritik an Pirelli. Dass ein Supersoft-Reifen auf einer so fordernden Strecke wie Barcelona bei so tiefen Temperaturen nicht richtig funktioniert, ist durchaus normal." Beschweren sollten sich die Teams seiner Meinung nach also nicht - der Schritt sei abgesprochen gewesen und hätte daher auch niemanden überraschen dürfen. "Die Verantwortlichen des italienischen Reifenherstellers haben ja auch angekündigt, dass sie dieses Jahr einen im Vergleich zu 2012 viel aggressiveren Ansatz wählen würden", erklärte Sauber, der sich darum bemüht zeigte, der anhaltenden Kritik am Gummi-Monopolisten etwas Wind aus den Segeln zu nehmen. "Und in Australien sind die Asphalttemperaturen ja auch deutlich höher als beim Testen", so der Schweizer, der zudem auf die weniger belastende Kurscharakteristik im Albert Park verwies.