Die Fahrer sind die Protagonisten der MotoGP. Das ist richtig so und soll hier auch nicht in Frage gestellt werden. Doch hinter ihnen steht auch immer eine Mannschaft. Angesichts des großartigen ersten Sieges von Rookie Fermin Aldeguer gilt es nun einmal, eine besondere von ihnen zu würdigen. Was das kleine Privatteam von Gresini in den letzten Jahren leistet, ist nichts anderes als fantastisch. Es geht weit über reine Erfolge und Statistiken hinaus. Ihr Verdienst für die Königsklasse als ganzes sollte keinesfalls unterschätzt werden.
Die Frau im Hintergrund: Nadia Padovani ist Gresinis Familienoberhaupt
Ausgangspunkt finden die Erfolge Gresinis in einer wichtigen Entscheidung nach einem tragischen Ereignis. Teamgründer Fausto Gresini verstarb 2021 an den Folgen einer Lungenentzündung im Zusammenhang mit einer Covid-19-Erkrankung. Seine Witwe Nadia Padovani entschloss sich gegen einen Verkauf. Stattdessen schwor sie sich im Familienrat mit den Söhnen, das Erbe ihres Mannes und seine Leidenschaft für den Motorradsport weiterzuführen.

Dies macht sie bisher großartig. Sie weiß, dass sie im Gegensatz zu ihrem verstorbenen Gatten keine Expertin im Sport ist. Also vertraut sie ihren fachkundigen Mitarbeitern um Michele Masini, Frankie Carchedi und Co. Die einzige Teamchefin der Königsklasse haut nicht auf den Tisch, sondern hält ihrer Mannschaft den Rücken frei. Sie ist die gute Seele bei Gresini. Nicht umsonst schwärmen alle Piloten von der familiären Atmosphäre im kleinen Traditionsrennstall.
In diesem Umfeld blüht nicht nur das Team, sondern auch die Fahrer auf. Natürlich war der Wechsel zu Kundenmotorrädern von Ducati ab der Saison 2022 aus technischer Sicht der wichtigste Schritt, aber auch der Umgang mit den Piloten zeichnet die Mannschaft aus. Die drei letzten Debütsieger fuhren alle im Blau von Gresini. Seit 2022 konnte jeder der fünf Piloten der Mannschaft mindestens einen Grand Prix gewinnen. Nur einer von ihnen war davor bereits siegreich gewesen, für die anderen vier war es der Durchbruch in der MotoGP.
Die Erfolgsbilanz von Gresini seit 2022
| Saison | Sprint-Siege | Sprint-Podien | Siege | Podien |
|---|---|---|---|---|
| 2022 | - | - | 4 | 6 |
| 2023 | 2 | 3 | 1 | 4 |
| 2024 | 1 | 9 | 3 | 11 |
| 2025 | 1 | 15 | 3 | 13 |
'La Bestia' und 'Diggia': Egal ob Durch- oder Spätstarter, der Sieg kommt
Los ging es mit Enea Bastianini. Für 'La Bestia' war es Liebe auf den ersten Blick. Schon beim Debüt auf Gresini in Katar 2022 gelang der Sieg. Nach einer großartigen Saison 2022 mit drei weiteren Triumphen wurde er mit dem Aufstieg ins Werksteam belohnt.
Auf der anderen Garagenseite sah es deutlich düsterer aus. Fabio Di Giannantonio machte lange Zeit nicht den Eindruck, dass er das Zeug für die Königsklasse hat. Doch selbst als bereits Starzugang Marc Marquez zur Schlussphase der Saison 2023 als sein Nachfolger feststand, gab das Team ihn nicht auf. Bis zum Ende wurde hart gearbeitet, mit Erfolg. 'Diggia' gelang doch noch der Durchbruch und mit einem Sensationssieg in Katar empfahl er sich in letzter Sekunde für das VR46-Cockpit. Die Karriere war gerettet. Heute ist der Italiener nicht mehr aus dem Feld wegzudenken.

Neustart und Durchbruch: Die Marquez-Brüder und ihre besondere Verbindung zu Gresini
Ähnliches lässt sich - freilich auf völlig anderem Niveau - auch von Marc Marquez behaupten. Bei ihm stellte sich nie die Frage der MotoGP-Tauglichkeit, sondern die Frage: Bin ich nach all diesen Verletzungen und der Honda-Misere wirklich noch Weltspitze? Zusammen mit Gresini Racing fand er 2024 seine Antwort darauf in beeindruckender Manier. Ein Jahr später sitzt er auf dem roten Werksmotorrad und ist erneut Weltmeister. Noch heute ist der 32-Jährige immer wieder mit den Teammitgliedern zu Scherzen aufgelegt und schwärmt von der 'Familie', obwohl die Nummer 93 nur ein Jahr lang auf der Kunden-Desmo prangte.
In Marcs Schatten stand lange Zeit Bruder Alex Marquez, auch bei Gresini. Der jüngere Marquez fährt seit 2023 im Team. Bis zur aktuellen Saison konnten seine Leistungen wohl höchstens als solide bezeichnet werden, dennoch wurde der Vertrag vorzeitig bis 2026 verlängert. Dieses Vertrauen hat sich mehr als ausgezahlt. Alex Marquez startete 2025 so richtig durch und ist auf dem Weg zur Vizemeisterschaft. Seine ersten Grand Prix Siege waren nur eine Frage der Zeit und haben Gresini auch das Upgrade auf die werksunterstützte Maschine ab der kommenden Saison eingebracht.
Fahrschule für Fermin Aldeguer: Ohne Druck zum Erfolg
Geduld beweist der Rennstall auch beim Jüngsten im Bunde. Ducati schickte Rookie Fermin Aldeguer zum Lernen zu Gresini. Das Team nahm die Aufgabe ernst und setzte ihn nie unter Erfolgsdruck. Statt auf gute Startplätze aus zu sein, durfte er auch an Rennwochenenden länger an seiner Rennpace arbeiten. Daraus resultierende Punktverluste in der stark vom Qualifying abhängigen Klasse wurden in Kauf genommen. Wieder lag die Mannschaft um Padovani goldrichtig. In Indonesien holte sich der Spanier seinen ersten Sieg in überlegener Manier, indem er sein hervorragendes Gespür für die Reifen ausnutzte. Mit ihm und Alex Marquez sind die Aussichten auf Erfolg auch für 2026 hervorragend.
Star-Macher und Karriereretter: Fausto wäre stolz!
Fünf Fahrer mit fünf vollkommen unterschiedlichen Karrierewegen, Charakteren und Eigenschaften, aber eines haben sie gemeinsam: Gresini hat ihnen gutgetan. Der kleine Rennstall ist daher nicht nur eine Erfolgsgeschichte für sich selbst, sondern für die gesamte MotoGP. Hier werden Stars gemacht und Karrieren gerettet, die woanders vielleicht gescheitert wären. Es gibt wirklich nur einen einzigen Wehrmutstropfen zu beklagen: Leider darf Fausto die großartigen Verdienste seiner Mannschaft nicht mehr miterleben. Doch seinem Erbe machen sie alle Ehre. Mit Sicherheit wäre der Vater stolz auf seine Familie!
Übrigens könnte Gresini nicht nur in der MotoGP Karrieren retten. Auch der Moto2-Ableger gibt einem tief gefallenen Top-Talent noch einmal eine Chance. Mehr dazu hier:



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