Vier Punkte. Lediglich vier Punkte fehlten Raul Fernandez im Jahr 2021, um sich zum Moto2-Weltmeister zu krönen. Damit war der damals 21-jährige Spanier so nah dran am Titel, wie noch kein anderer Rookie zuvor oder danach (seit Einführung der Klasse 2010, Anm.). Jedem im MotoGP-Paddock war klar: Da wächst der nächste Superstar heran. Acht Siege, sieben Pole Positions und zwölf Podien in 18 Rennen ließt sich die bis heute beeindruckende Bilanz von Fernandez' Debütsaison in der Moto2. Kein Wunder also, dass ihn KTM keinesfalls verlieren wollte und schon 2022 in die Königsklasse beförderte.
Raul Fernandez: Vom Wunderkind zum gescheiterten MotoGP-Talent?
Dort fährt Fernandez inzwischen seine vierte Saison, nach jeweils einem Jahr bei Tech3 und RNF inzwischen seit 2024 für Trackhouse Racing. Wirklich angekommen ist die Startnummer 25 aber bis heute nicht. Eine ordentliche erste Saisonhälfte 2024 mit Highlights wie Führungsrunden im Barcelona-Sprint oder P3 im Qualifying am Sachsenring ließ zwischenzeitlich hoffen, doch spätestens der Saisonstart 2025 brachte wieder Ernüchterung.
Ein Top-10-Resultat fehlt noch, nach vier Rennwochenenden steht vielmehr Platz 12 im Amerika-GP als bestes Ergebnis zu Buche - und auch das gelang nur durch die Ausfälle von gleich fünf vor ihm fahrenden Piloten. Und auch wenn Aprilia im Allgemeinen 2025 mit deutlich größeren Problemen kämpft als erwartet, haben Marco Bezzecchi und Ai Ogura das Potenzial der RS-GP immer wieder angedeutet. Speziell Letztgenannter hat Teamkollege Fernandez bislang klar im Griff, führt in den Qualifying-, Sprint- und GP-Duellen jeweils mit vier zu null (lässt man Oguras Disqualifikation in Argeninien außer Acht).
Noch deutlicher wird es beim Blick auf die Weltmeisterschaft. Dort hält Rookie Ogura als WM-Neunter bereits bei 29 Punkten (sogar 37 ohne DSQ, Anm.), während Fernandez als WM-19. erst fünf mickrige Pünktchen gesammelt hat. Eine herbe Klatsche, hätte doch eigentlich der Spanier der neue Teamleader bei Trackhouse werden sollen.

Wieso fährt Raul Fernandez 2025 nur hinterher?
Wie es dazu kommen konnte? Fernandez hat keine wirkliche Erklärung parat. "Das Bike ist bereit, das Team ist bereit, ich bin körperlich bereit", wieß er bereits in Austin Nachwirkungen seiner Verletzung aus den Sepang-Testfahrten zurück. Es scheitert wohl einzig an der mentalen Komponente. "Vielleicht hilft es mir nicht, dass ich jetzt alles zur Verfügung habe, vielleicht bin ich zu ambitioniert und will zu viel. Ich arbeite mit meinem Psychologen daran, ich gebe mein Bestes", gesteht Fernandez und meint: "Es liegt nicht daran, dass Ogura oder Bezzecchi einen besseren Job machen. Oder vielleicht Jorge [Martin], wenn er zurückkommt. Ich will mir selbst beweißen, dass ich es kann und dabei kann mir keiner helfen, das muss ich selbst schaffen."
Geklappt hat das allerdings auch in Katar nicht, und so wachsen die Selbstzweifel bei Fernandez wohl immer mehr. "Ich muss an mir selbst arbeiten, ich muss wieder mit einem Lächeln unter dem Helm fahren. Ich mache zu viele Fehler. Ich bin kein Junge mehr, der gerade in die WM gekommen ist. Du kannst solche Fehler als MotoGP-Fahrer nicht mehr machen. Es kann passieren, darf aber nicht", haderte der Trackhouse-Pilot in Losail. Ob er den Erfolg aktuell einfach zu sehr erzwingen wolle? Auf Nachfrage von Motorsport-Magazin.com erklärte Fernandez sichtlich ratlos: "Vielleicht, ich weiß es nicht. Vielleicht denke ich zu viel und mache deshalb Fehler. Wenn ich nicht nachdenke und natürlich fahre, passieren solche Fehler vielleicht nicht."
Aprilia-Zweifel an Raul Fernandez werden immer größer
Klar ist: Fernandez wird möglichst schnell eine Trendwende benötigen, will er selbst kurzfristig noch eine Zukunft in der MotoGP haben. Offziell zwar noch bis Ende 2026 bei Aprilia unter Vertrag, wachsen die Zweifel am 24-Jährigen in Noale aktuell mehr und mehr. "Es ist nie gut, wenn dein Rookie-Teamkollege dich schlägt. Das hilft deinem Selbstvertrauen nicht", erklärte Aprilia-Botschafter Max Biaggi während des Katar-Trainings im offiziellen Livestream der MotoGP und fand daraufhin deutliche Worte: "Das ist das vierte Jahr von Fernandez in der MotoGP und damit ein kritisches Jahr. Er muss sich beweißen, und mit Ogura auf der anderen Seite der Garage ist das nicht sonderlich einfach. Ich wünsche ihm das Beste, aber es wird nicht leicht."
Dass Fernandez überhaupt bei Aprilia und Trackhouse bleiben durfte, war schon im Vorjahr zu großen Teilen der enormen Personalrotation in Noale geschuldet und weniger den Leistungen des Spaniers. Im Werksteam gingen Aleix Espargaro, Maverick Vinales und Technikdirektor Romano Albesiano gleich drei wichtige Kräfte, bei Trackhouse Miguel Oliveira. Da wollten die Verantwortlichen um Aprilia-Racing-CEO Massimo Rivola zumindest einen Fahrer des 2024er-Lineups halten. Die geplante Führungsrolle in der Weiterentwicklung der RS-GP konnte Fernandez bislang aber nicht einmal im Ansatz ausfüllen - und dabei hätte ihn Aprilia nach den schweren Verletzungen von Jorge Martin mehr denn je gebraucht.
Baldiges MotoGP-Aus für Raul Fernandez?
Dass Fernandez nicht geliefert hat, könnte ihn nun seine MotoGP-Karriere kosten, sollte nicht zeitnah ein deutlicher Aufwärtstrend einsetzen. Eine Trennung noch während der laufenden Saison scheint aufgrund mangelnder Alternativen unwahrscheinlich, 2026 könnte trotz gültigen Vertrages aber Schluss sein. Schwer vorstellbar, dass sich Aprilia und Trackhouse eine solche Performance ein weiteres Jahr ansehen werden. Denn mit Manuel Gonzalez, Aron Canet und Co. gäbe es in der Moto2 auch genug Piloten, die sich derzeit ausreichend für einen Aufstieg in die Königsklasse empfehlen.
Was glaubt ihr: Bekommt Raul Fernandez noch die Kurve oder geht der Spanier als gescheitertes MotoGP-Talent in die Geschichte ein? Und wen würdet ihr im Zweifelsfall als Nachfolger sehen wollen? Sagt uns eure Meinung in den Kommentaren!
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