24 Punkte muss Francesco Bagnaia beim MotoGP-Saisonfinale 2024 in Barcelona aufholen, um seinen WM-Titel doch noch erfolgreich verteidigen zu können. Eine Mammutaufgabe, für die der Ducati-Star externe Hilfe benötigt. Denn Jorge Martin genügen in Sprint und Grand Prix theoretisch schon zwei fünfte Plätze, um sich aus eigener Kraft erstmals zum MotoGP-Weltmeister zu krönen - unabhängig von den Resultaten Bagnaias. Der Italiener ist also auf Unterstützung anderer Fahrer angewiesen.

Die Chancen dazu stehen - zumindest auf dem Papier - jedoch nicht sonderlich gut. Denn beim ersten MotoGP-Abstecher 2024 nach Katalonien Ende Mai fuhren Bagnaia und Martin in ihrer eigenen Liga. Nicht weniger als 10,491 Sekunden fehlten dem Drittplatzierten Marc Marquez damals auf Rennsieger Bagnaia. Die Bedingungen sind nun zwar völlig andere: Es wird deutlich kühler werden, außerdem gibt es drei zusätzliche Reifenvarianten zur Auswahl. Doch genügt das, um das Kräfteverhältnis in Barcelona auf den Kopf zu stellen?

Bagnaia kämpft um Titel: Schmutzige Tricks gegen Martin? (06:35 Min.)

Mehr Ducati-interne Konkurrenz für Bagnaia und Martin

Zumindest Alex Marquez zeigte sich am Medien-Donnerstag vor dem Saisonfinale optimistisch. "Marc ist von weit hinten [P14 nach Q1-Aus, Anm.] gestartet und Enea hatte größere Probleme, war zum Ende hin aber auch schnell", erinnerte der Gresini-Pilot an das erste Barcelona-Wochenende und kommentierte daher: "Ich gehe davon aus, dass mehr Fahrer an der Spitze mitkämpfen können. Auch [Franco] Morbidelli war hier sehr stark. Ich erwarte, dass ihr Vorsprung geringer ausfallen wird."

"Hier war ich das erste Mal so richtig schnell. Ich habe um das Podium gekämpft, als ich gestürzt bin", weiß auch Franco Morbidelli, der nach seiner schweren Verletzung im Winter in Barcelona erstmals verbesserten Speed auf der ihm völlig neuen Ducati Desmosedici aufgezeigt hatte. Geht beim zweiten Gastspiel auf dem Circuit de Barcelona-Catalunya mit der zusätzlichen Erfahrung aus der restlichen Saison also sogar noch mehr? "Die Bedingungen werden ganz anders sein", winkt der Pramac-Pilot ab: "Ich habe keinen Vorteil."

Morbidelli sieht sich also nicht näher an den beiden WM-Rivalen dran, Enea Bastianini hingegen schon. "Das letzte Rennen hier war ein Desaster. Ich hatte hier in der Vergangenheit große Probleme mit der Bewegung auf der Reifenflanke. Jetzt werden die Bedingungen aber viel kälter sein", meint der scheidende Ducati-Pilot und setzt seine Hoffnungen in die neuen, asymmetrischen Vorderreifen von Michelin. Diese fallen auf der rechten Reifenflanke etwas härter aus und auf der linken Flanke etwas weicher. Letztere wird einzig in den Kurven T2, T5, T7 und T10 stark beansprucht, weshalb es nicht einfach ist, dort die nötige Temperatur im Reifen zu halten.

Turn 5 brachte Francesco Bagnaia im Sprint zu Sturz, Foto: LAT Images
Turn 5 brachte Francesco Bagnaia im Sprint zu Sturz, Foto: LAT Images

KTM und Aprilia wollen Ducati in Barcelona fordern

Dank der asymmetrischen Variante fallen die Sorgenfalten bei Bastianini nun deutlich geringer aus, ebenso bei einigen Kontrahenten. "Turn 2 und 5 sind hier immer ziemlich schwierig, das kann gut für uns werden", sagt etwa Brad Binder, der im Sprint vor fast sechs Monaten noch in Führung liegend in Kurve fünf gestürzt war. Jetzt zeigt er sich optimistisch, mit KTM erneut vorne angreifen zu können. Neu-Teamkollege Pedro Acosta, der im Katalonien-GP auf Platz zwei liegend gestürzt war, stimmt zu. "Letztes Mal war ich hier ziemlich schnell und habe mich gut gefühlt", erinnert er und hofft daher, mit Bagnaia und Martin um den Sieg kämpfen zu können.

Etwas größere Fragezeichen ranken sich dagegen um Aprilia - beim Katalonien-GP mit Aleix Espargaro immerhin noch auf der Pole und siegreich im Sprint. Die traditionell geringen Gripverhältnisse in Barcelona sollten ihnen zwar eigentlich in die Karten spielen, doch die niedrigen Temperaturen könnten das Bild umdrehen. "Wir werden sehen, wie gut der Grip sein wird. Tendenziell sollte er in diesen kühlen Temperaturen ein bisschen besser sein", meint etwa Jack Miller und auch Luca Marini sagt: "Der Grip ist besser, das kann ein Vorteil für uns sein - für Honda und Yamaha."

Aleix Espargaro holte im Sprint den letzten Nicht-Ducati-Sieg, Foto: LAT Images
Aleix Espargaro holte im Sprint den letzten Nicht-Ducati-Sieg, Foto: LAT Images

Barcelona-Überraschung durch Yamaha und Fabio Quartararo?

Erstmal keine guten Vorzeichen für Aprilia, doch die scheidenden Werkspiloten und auch Raul Fernandez - im Mai führend im Sprint gestürzt - zeigten sich am Donnerstag trotzdem optimistisch. Aleix Espargaro zeigte sich sogar zu "100 Prozent" überzeugt, nochmal gewinnen zu können. Wieso, erfahrt ihr in diesem Artikel. "Ich denke, dass uns die niedrigeren Temperaturen entgegenkommen sollten", rechnet sich auch Fabio Quartararo einige Chancen aus und erinnert mit einem Grinsen im Gesicht: "Wir sind 2020 hier in ziemlich kalten Bedingungen gefahren, da waren wir ganz ordentlich unterwegs."

Damals gewann Quartararo vor dem Suzuki-Duo um Joan Mir und Alex Rins. Ob es am Sonntag also zum ersten Yamaha-Sieg seit Juni 2022 kommen wird? Wohl kaum, zu groß ist der technische Rückstand der Yamaha-M1 noch immer. Ein Top-Fünf-Resultat scheint aber definitiv möglich, ebenso für Acosta, Binder, Maverick Vinales, Aleix Espargaro und Co. Ob deren Pace aber genügen wird, um sich zwischen die beiden WM-Rivalen zu fahren? Miller bezweifelt dies: "Die beiden fahren in ihrer eigenen Liga."

Eine Aussage, die Bagnaia wenig später in der offiziellen MotoGP-Pressekonferenz nicht so stehen lassen wollte. Der Ducati-Pilot hofft weiterhin auf Unterstützung: "Es können hier einige Fahrer schnell sein, weil du vorsichtig mit deinen Reifen umgehen musst. Aprilia und KTM werden schnell sein. Außerdem kannst du hier leicht einen Fehler machen und stürzen. Du kannst schnell viel gewinnen oder verlieren. Es kann alles passieren."