"Ich habe genug von den Sprints", flüsterte Francesco Bagnaia am Samstagabend dem bei einer Autogrammstunde der MotoGP-Stars in Sepang neben ihm sitzenden Marc Marquez zu. In der offiziellen Pressekonferenz am Sonntag fand Bagnaia noch deutlichere Worte. "Beschissene Samstage, Liebe für die Sonntage", fasste er seine bisherige Saison zusammen. Gut 24 Stunden zuvor war Bagnaia nach einem Sturz zum fünften Mal in bislang 19 Sprints dieser Saison ohne Punkte geblieben - ein heftiger Rückschlag im Kampf um den Weltmeistertitel gegen Jorge Martin.
Francesco Bagnaia Letzter der MotoGP-Top-Vier
Betrachtet man die Leistungen der großen Vier dieses MotoGP-Jahres - Martin, Bagnaia, Marc Marquez und Enea Bastianini - ist Bagnaia jener Fahrer, der im Sprint verglichen mit den Leistungen in den sonntäglichen Grands Prix die größten Probleme hat. Er holte nur 25,16 Prozent seiner bisher gesammelten WM-Punkte am Samstag. Sprintkönig Martin kommt auf 33,81 Prozent, Marquez immerhin auf 32,25 und Bastianini auf 30,71.
In absoluten Zahlen sammelte nur Bastianini mit 113 Sprintpunkten weniger als Bagnaias 116 Zähler. 'La Bestia' ist aber bekannt dafür, in der MotoGP vor allem über sein überragendes Reifen-Management und einer dementsprechend starken Pace gegen Rennende zum Erfolg zu kommen. Diese Stärke kann er in den nur halb so langen Sprints logischerweise kaum ausspielen. Seine relative Sprintschwäche lässt sich also logisch erklären.
Spätzünder Francesco Bagnaia? Mitnichten
Bei Bagnaia gestaltet sich dies schwieriger. Ja, dem noch amtierenden Weltmeister hängt das Image an, eher verhalten in die Rennwochenenden zu starten und im Laufe dieser immer schneller zu werden. Im Qualifying am Samstagmorgen, also noch vor dem Sprint, widerlegt Bagnaia diese vermeintlichen Anlaufschwierigkeiten allerdings. Würde die MotoGP für die Startpositionen analog zu den Grands Prix Punkte vergeben, käme Bagnaia in dieser Wertung mit 344 Punkten auf Rang zwei unter allen Fahrern, gerade einmal zwei Punkte hinter Spitzenreiter Martin und weit vor Marc Marquez (208) oder Bastianini (204).
Bagnaia selbst ist deshalb überzeugt, dass die Ursache für seine Sprintniederlagen an anderer Stelle zu suchen ist. "In den Grands Prix habe ich immer das Gefühl, kämpfen und aggressiv sein zu können. In den ersten Runden mache ich eigentlich immer Positionen gut und attackiere. In den Sprints habe ich aber nie das nötige Gefühl auf dem Motorrad, um das zu schaffen", analysiert Bagnaia. "Da müssen wir uns verbessern - am besten sofort. Meiner Meinung nach ist es eine Frage der Balance, denn der einzige Unterschied am Motorrad ist der Tank."
Kleiner Tank und große Probleme für Francesco Bagnaia
Für die kürzere Sprintdistanz dürfen die Fahrer ja nur zwölf Liter Treibstoff verwenden, im Rennen am Sonntag sind es hingegen 22. Alle Hersteller verbauen deshalb für die Sprints kleinere Tanks in ihren Motorrädern. Von außen ist das nicht zu erkennen, da jener Teil der MotoGP-Bikes, der gemeinhin als Tank betrachtet wird, in Wahrheit keinen Sprit enthält. Dieser befindet sich in der Mitte des Motorrads unter dem Sitz, um die bestmögliche Gewichtsverteilung zu erreichen. In der Theorie sollten deshalb die unterschiedlichen Tanks auch keinen entscheidenden Unterschied ausmachen.
Für den als besonders feinfühlig geltenden Bagnaia scheint das dennoch der Fall zu sein. "Ich habe seit Saisonbeginn dasselbe Gefühl. Wir haben viel darüber gesprochen, aber es scheint schwierig zu sein, eine wirkliche Lösung zu finden", so Bagnaia, der in Sepang mit seinem zehnten GP-Sieg 2024 in einen elitären Kreis eintrat. Nur Giacomo Agostini, Mick Doohan, Valentino Rossi, Casey Stoner und Marc Marquez konnten vor ihm in einer Saison der Königsklasse so viele Grands Prix gewinnen.
Bagnaia kommt dennoch mit 24 Punkten Rückstand auf Martin zum Finale nach Barcelona. Der Titelverteidiger braucht also ein von Anfang bis Ende perfektes Wochenende und nicht nur einen starken Sonntag. Er lässt deshalb nicht locker und hofft auf einen letzten Geistesblitz seiner Ducati-Crew im Jahr 2024: "Ich möchte sehen, ob wir noch etwas anderes ausprobieren können. Wir werden es auf jeden Fall versuchen."
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