'Nur' Startplatz sieben, 'nur' Vierter in seiner Paradedisziplin der MotoGP-Sprints und zusätzlich auch noch ein Sturz im Qualifying - Jorge Martin präsentierte sich beim zweiten Abstecher der Königsklasse nach Spanien definitiv nicht in gewohnter Topform. Vielmehr erlebte der gebürtige Madrilene in Barcelona sein bislang schwächstes Rennwochenende des Jahres 2024. Dennoch stand er am Sonntag als Zweiter auf dem Podest und hielt seinen komfortablen WM-Vorsprung auf Francesco Bagnaia und Marc Marquez nicht nur konstant, sondern vergrößerte ihn sogar um einen bzw. zwei Punkte. Ohne Zweifel eine reife Vorstellung des 'Martinators', die so vor nicht allzu langer Zeit wohl noch nicht möglich gewesen wäre.

"Das war ein sehr wichtiges Wochenende für mich", freute sich der WM-Führende am Sonntag im MotoGP-Format 'After the Flag'. "Gestern [Samstag, Anm.] war kein guter Tag, aber es ist uns gelungen, unsere Schwachpunkte zu erkennen und zu verbessern. Ich habe um den Sieg gekämpft, mir haben nur fünf Runden gefehlt." Tatsächlich hatte Martin am Sonntag eine deutliche Leistungssteigerung hingelegt. Nachdem er einen Tag zuvor im Sprint nicht mit den Spitzenpiloten hatte mithalten können, führte er im Katalonien Grand Prix plötzlich über lange Zeit. Erst in der 19. von 24 Rennrunden setzte WM-Rivale Bagnaia das entscheidende Überholmanöver in dessen Schicksalskurve Turn 5.

Francesco Bagnaia rächt sich an Turn 5: Leck mich! (08:07 Min.)

Jorge Martin bleibt cool: Barcelona-Trendwende im Grand Prix

"Ich bin sehr glücklich. Speziell, weil meine tatsächliche Position gestern Platz sieben war und ich heute aus eigener Kraft Zweiter wurde. Das zeigt, dass wir auf dem richtigen Weg sind", bilanziert der Pramac-Pilot, der im Sprint zwar Vierter geworden war, dabei aber von den Stürzen der vor ihm liegenden Bagnaia, Brad Binder und Raul Fernandez profitiert hatte. Ohne deren Abflüge hätten wohl alle drei Fahrer das Ziel vor dem 'Martinator' erreicht - was sie allerdings eben nicht taten. Die Startnummer 89 blieb hingegen cool und akzeptierte die fehlende Pace am Samstag, überfuhr das Motorrad nicht und brachte es über die Ziellinie.

Am Sonntag dann der neue Anlauf mit dem Medium-Hinterreifen, auf dem sich Martin schon in den Trainings am Freitag deutlich wohler gefühlt hatte als auf dem Soft, der im Sprint aufgrund der kurzen Renndistanz von 12 Runden jedoch die einzig vernünftige Option dargestellt hatte. "Ich hatte eigentlich keinen guten Start, hatte aber die beste Taktik in Kurve eins", blickt er zurück und erklärt: "Ich bin auf der Außenbahn geblieben und konnte dort einige Positionen wieder gutmachen. So war ich nach der ersten Kurve schon Dritter. Kurz danach konnte ich auch Pecco und Pedro [Acosta] überholen."

Pedro Acosta drückte einige Runden gegen Jorge Martin, Foto: LAT Images
Pedro Acosta drückte einige Runden gegen Jorge Martin, Foto: LAT Images

Jorge Martin akzeptiert Platz zwei in Barcelona: Kein unnötiges Risiko!

Im Verlauf der fünften Runde auf Platz eins angelangt, kontrollierte der Pramac-Pilot das Geschehen lange Zeit, musste sich dabei aber auch gegen den aufmüpfigen Superrookie Acosta verteidigen - womöglich rennentscheidend. "Als Pedro hinter mir war, wollte ich unbedingt in Führung bleiben. Dabei habe ich vielleicht zu stark gepusht und nicht genug Reifen geschont", beschreibt Martin. Pedro Acosta stürzte kurz vor Rennhalbzeit in der elften Runde in Kurve zehn, doch da hatte er den Führenden schon fünfeinhalb Umläufe unter massiven Druck gesetzt, während sich Bagnaia dahinter auf Platz drei zurückhielt und Reifen verwaltete. "Als Pecco mich dann eingeholt hat, hatte ich nichts mehr übrig, um mich zu wehren."

"Ich habe dem ganzen noch einen letzten Versuch gegeben, indem ich auf ein anderes Motor-Mapping gewechselt habe, aber mein Hinterreifen war schon zu zerstört. Mein Rennen war damit vorbei", meint Martin und offenbart eine gehörige Portion Reife: "Als ich gesehen habe, dass wir acht oder neun Sekunden Vorsprung auf Platz drei hatten, habe ich mir gesagt, dass es keinen Sinn macht, jetzt noch unnötig mit Pecco zu kämpfen und habe einfach die 20 Punkte mitgenommen. Platz zwei war heute das Maximum."

Der Martinator scheint also aus seinen Fehlern aus Jerez oder Mandalika, als er im Versuch, die Führung zu behalten, jeweils stürzte und mit null Punkten nach Hause fuhr, gelernt zu haben. Der Lohn sind 26 wichtige WM-Punkte, die an einem persönlich schwachen Wochenende kein anderer MotoGP-Pilot überbieten konnte. In der Weltmeisterschaft hält der Pramac-Pilot nun schon bei 155 Punkten und führt damit 39 Zähler vor Bagnaia und 41 vor Marquez, der WM-Vierte Enea Bastianini ist nach einem Horror-Wochenende samt ignorierter Strafen sogar schon um 61 Punkte zurückgefallen.

Einzig Francesco Bagnaia musste sich Jorge Martin in Barcelona geschlagen geben, Foto: LAT Images
Einzig Francesco Bagnaia musste sich Jorge Martin in Barcelona geschlagen geben, Foto: LAT Images

Jorge Martin im Freudentaumel: MotoGP-WM-Kampf mit Marquez und Bagnaia!

Damit steht schon vor dem Gastspiel in Mugello kommendes Wochenende (31.05 - 02.06.) fest, dass Martin unabhängig von den Resultaten in Sprint und Grand Prix mindestens bis zur Dutch TT Ende Juni WM-Führender bleiben wird, denn die maximal mögliche Punktzahl pro Rennwochenende liegt bei 37 Punkten. "Ich freue mich extrem, ich habe die letzten zwei Wochenenden sehr genossen", sagt der 25-Jährige deshalb und meint: "Wow, ich kämpfe tatsächlich mit Marc und Pecco um einen WM-Titel! Ich versuche, das zu genießen. Ich bin momentan einer der besten drei Fahrer der Welt, das ist verrückt."