Die MotoGP-Wintertestfahrten 2024 sind Geschichte. Nach drei Testtagen in Sepang versammelte sich die Königsklasse am Montag und Dienstag in Katar zum finalen Kräftemessen vor dem Saisonstart, der in knapp drei Wochen ebenfalls auf dem Losail International Circuit stattfindet. Weltmeister Francesco Bagnaia sicherte Ducati dabei an beiden Tagen die Bestzeit. Führt der Weg zum MotoGP-Titel 2024 erneut nur über das italienische Duo? Motorsport-Magazin.com analysiert die Erkenntnisse aus Katar und liefert die Ausgangslage vor dem Auftaktrennen.

Anmerkung: Letztlich handelt es sich bei den Testfahrten immer noch um Testfahrten, die nie zu hoch gewertet werden sollten. Schließlich können Rundenzeiten je nach Tageszeit und Reifenwahl stark variieren. Auch die Anzahl der bereits auf einem Reifensatz gedrehten Runden oder die freigegebene Motorenleistung und Spritmenge können das Bild verfälschen. Daher müssen die Erkenntnisse aus diesem Artikel mit einer gewissen Portion Vorsicht gelesen werden und sollen auch keine Prognose für das gesamte MotoGP-Jahr 2024 darstellen, sondern vielmehr eine letzte Trendbestimmung vor dem Katar Grand Prix sein.

Marc Marquez stürzt erstmals auf Ducati: Suche nach dem Limit (06:48 Min.)

Die Rundenzeiten

Blicken wir zunächst auf das Gesamt-Klassement des Katar-Tests und damit auf die Qualifying-Simulation der 21 anwesenden Stammpiloten. Dabei wird sofort ersichtlich, was eingangs bereits erwähnt wurde: Ducati und Francesco Bagnaia sind auch in der Wüste das Maß der Dinge. Der amtierende Weltmeister durchbrach als erster Fahrer in der Geschichte auf dem Losail International Circuit die 1:51er-Marke und war in 1:50.952 Minuten ganze 0,810 Sekunden schneller als Luca Marini im Katar-Qualifying 2023. Mithalten konnte da nur Teamkollege Enea Bastianini, der 0,120 Sekunden verlor. Jorge Martin, in Sepang noch auf Augenhöhe, hing deutlicher zurück, klagte am Dienstagabend allerdings auch über Chattering-Probleme, die ihn bei der Zeitenjagd einbremsten.

Aleix Espargaro ist als Dritter erneut erster Ducati-Verfolger. Generell wusste Aprilia im Katar-Test zu gefallen, auch Raul Fernandez und Maverick Vinales landeten in den Top Sechs. Die Italiener sind damit aktuell klare Nummer zwei im Hersteller-Ranking. Brad Binder positionierte sich als beste KTM mit 0,631 Sekunden Rückstand nur auf Platz neun, Jack Miller folgt knapp anderthalb Zehntel dahinter auf P11. Verglichen mit dem Sepang-Test gelang KTM also kein Fortschritt in der Qualifying-Simulation.

Die kombinierte Zeitenliste des MotoGP-Tests in Katar:

Pos.FahrerTeamZeit/Rückstand
1BagnaiaDucati Lenovo1:50.952
2BastianiniDucati Lenovo0.120
3Aleix EspargaroAprilia Racing0.308
4Marc MarquezGresini Ducati0.383
5Raul FernandezTrackhouse Racing0.389
6VinalesAprilia Racing0.435
7MartinPramac Ducati0.514
8Di GiannantonioVR46 Ducati0.537
9Brad BinderRed Bull KTM0.631
10BezzecchiVR46 Ducati0.726
11MillerRed Bull KTM0.768
12OliveiraTrackhouse Racing0.884
13Alex MarquezGresini Ducati0.992
14QuartararoMonster Energy Yamaha1.013
15AcostaGasGas Tech31.094
16RinsMonster Energy Yamaha1.151
17ZarcoLCR Honda1.210
18NakagamiLCR Honda1.432
19MirRepsol Honda1.505
20MariniRepsol Honda1.725
21Augusto FernandezGasGas Tech31.818

Gleiches trifft auf das Yamaha-Lager zu. Auch dort konnte in der Time-Attack keine Verbesserung erzielt werden. Fabio Quartararo landete mit knapp einer Sekunde Rückstand auf Rang 14. Einzig der zweite japanische Hersteller schnitt noch schlechter ab: Johann Zarco fehlten als Honda-Speerspitze auf eine Runde schon ganze 1,210 Sekunden auf die Bestzeit. Der positive Eindruck aus Sepang konnte somit nicht bestätigt werden.

Die Longrun-Pace

Blicken wir nun auf die Longruns, denn einzelne schnelle Runden zeigen bei Testfahrten nicht immer das volle Leistungspotenzial eines Fahrers. Die Analyse längerer Runs über mehrere Runden kann da deutlich aufschlussreicher sein. Im Katar-Test variierten die Piloten jedoch recht stark in ihren Testprogrammen, was kein vollends einheitliches Bild zulässt. Während die Mehrheit des Feldes zumindest eine Sprint-Simulation über knapp zehn Runden absolvierte, versuchten sich auch einige Fahrer an der Grand-Prix-Distanz. Marc Marquez, Raul Fernandez, Alex Rins und Joan Mir verzichteten sogar komplett auf längere Runs.

Die Sprint-Simulationen im MotoGP-Test von Katar:

FahrerSchnittLongrun-Länge*
Aleix Espargaro1:52.1067 Runden
Bagnaia+0.3247 Runden
Di Giannantonio+0.42711 Runden
Bastianini+0.43510 Runden
Martin+0.6416 Runden
Bezzecchi+0.8459 Runden
Quartararo+0.93610 Runden
Miller+1.5088 Runden
Zarco+1.65410 Runden
Oliveira+1.89910 Runden

*Rundenzeiten, die völlig aus der Reihe fallen, fließen in die Berechnung nicht ein

Die Auswertung der zehn Sprint-Simulationen am Dienstag ergibt ein durchaus überraschendes Bild. Denn hier ist es nicht mehr Bagnaia, der die Wertung anführt, sondern Aleix Espargaro - und das sogar recht deutlich. Der Aprilia-Star konnte seine Sprint-Simulation durch einen Sturz in Runde acht zwar nicht beenden, nahm Bagnaia in diesem Zeitraum aber knapp drei Zehntel pro Umlauf ab. Über die volle Sprint-Distanz von elf Runden könnte sich Espargaros Vorsprung auf Di Giannantonio und Bastianini natürlich noch etwas verringern. Dass der Katalane zumindest Bagnaia 2024 im Sprint das Wasser reichen könnte, deutete sich aber auch schon im Sepang-Test an. Und es gibt noch weiteren Grund zum Optimismus in Noale.

Die Renn-Simulationen im MotoGP-Test von Katar:

FahrerSchnittLongrun-Länge*
Vinales1:53.14917 Runden
Brad Binder+0.07522 Runden
Nakagami+0.28514 Runden
Alex Marquez+0.54418 Runden
Acosta+0.56121 Runden
Marini+0.69114 Runden
Augusto Fernandez+0.92713 Runden

*Rundenzeiten, die völlig aus der Reihe fallen, fließen in die Berechnung nicht ein

Denn auch im Bereich der Renn-Simulationen war ein Aprilia-Pilot am schnellsten unterwegs: Maverick Vinales. Sein Vorsprung auf Brad Binder fällt jedoch nur minimal aus. Zumindest im Renntrimm dürfte also auch 2024 mit dem KTM-Piloten zu rechnen sein. Wie gut die Zeiten der Beiden tatsächlich einzuschätzen sind, lässt sich aber schwer abschätzen, da leider kein Ducati-GP24-Pilot eine Rennsimulation fuhr. Was Bagnaia und Co. über die Grand-Prix-Distanz ausrichten können, ist unklar.

Maverick Vinales fuhr in Katar die schnellste Renn-Simulation, Foto: LAT Images
Maverick Vinales fuhr in Katar die schnellste Renn-Simulation, Foto: LAT Images

Zumindest eine grundsätzliche Idee der Ducati-Pace liefert aber Gresini-Pilot Alex Marquez. Dieser bewegte sich bei seiner Rennsimulation nämlich durchschnittlich bei 1:53.693 Minuten pro Runde und war damit fast exakt so schnell wie Bagnaia im Hauptrennen des Katar-GP 2023. Dieser fuhr damals im Schnitt 1:53.679 Minuten pro Runde. Blicken wir dann auf die Testergebnisse aus Sepang und Katar, kann davon ausgegangen werden, dass die Ducati GP24 zwischen 0,4 und 0,7 Sekunden schneller ist als ihre Vorgänger-Version. Bei einem Rückstand von 0,544 Sekunden pro Runde von Alex Marquez in der Rennsimulation dürften sich die Ducati-Werkspiloten also auf Augenhöhe mit Aprilia und KTM bewegen, vermutlich sogar leicht die Nase vorn haben.

Rätsel geben die Honda-Piloten auf. Während Zarco im Rahmen der Sprint-Simulation noch kläglich unterlegen war, weiß speziell dessen LCR-Teamkollege Nakagami in der Renn-Simulation zu gefallen. Auch wenn er nur 14 Runden am Stück absolvierte, verlor er in dieser Zeit nur knapp drei Zehntel pro Umlauf. Marini ist zwar etwas langsamer, dabei aber immer noch deutlich schneller als Zarco. Wo steht Honda also? Die Wahrheit liegt wohl irgendwo in der Mitte: Im Longrun erscheint die neue RC213V konkurrenzfähiger als auf eine Runde, zumindest zum Saisonstart werden sie aber so oder so wohl (noch) nichts mit den Spitzenpositionen zu tun haben. Gleiches gilt für Yamaha, wo nur eine recht enttäuschende Sprint-Simulation Quartararos vorliegt.

Topspeeds

Ein erfreulicheres Bild für Yamaha zeichnet die Topspeed-Wertung. Hier konnten die Japaner ihre Führung aus dem Sepang-Test zwar nicht verteidigen, befinden sich aber erneut auf Augenhöhe mit der Konkurrenz. Das Topspeed-Defizit der M1 scheint also der Vergangenheit anzugehören. Schnellster Mann war in Katar Bastianini, der am Montag mit 355,2 km/h geblitzt wurde. Dieser Wert sollte jedoch nicht überbewertet werden, da 'La Bestia' zu diesem Zeitpunkt Windschatten gespendet bekam. Die "normalen" Ducati-Topspeed-Werte bewegen sich im 350er-Bereich. Die Aprilia-Piloten hinken hinterher, bekommen ihren neuen Motor aber auch erst zum Saisonstart in Katar.

Pos.FahrerHerstellerTopspeed (km/h)
1BastianiniDucati355,2
2Brad BinderKTM351,7
3QuartararoYamaha349,5
4ZarcoHonda348,3
5OliveiraAprilia347,2

Fazit

Der Weg zum MotoGP-Weltmeistertitel 2024 dürfte erneut nur über Francesco Bagnaia und Ducati führen. Zu stark präsentierte sich das italienische Gespann auf eine schnelle Runde. Allerdings wird dem Titelverteidiger Ducati-intern ordentlich eingeheizt werden, speziell Teamkollege Bastianini scheint zur alten Stärke zurückgefunden zu haben. Auch Aprilia zeigte starke Ansätze, mit dem neuen Motor könnte sogar noch ein Schritt nach vorne gemacht werden. Ob KTM um den WM-Titel mitreden kann, wird davon abhängen, ob die Qualifying-Schwäche 2024 endlich überwunden wird. Marc Marquez bleibt aufgrund der fehlenden Longruns die große Unbekannte vor dem Saisonstart. Honda und Yamaha werden 2024 (zunächst) nichts mit der Spitze zu tun haben.