Was für ein Befreiungsschlag von Enea Bastianini in Sepang! Nachdem der Ducati-Pilot am Samstag noch den Beschützer für Teamkollege Francesco Bagnaia im WM-Kampf spielte, setzte 'La Bestia' im Grand Prix zum großen Streich an. Nachdem Bagnaia und Rivale Jorge Martin am Start in der ersten Kurve weit gingen, setzte sich Bastianini in Führung, und gab diese bis zur Zielflagge nicht mehr ab. Es war sein erster Podestplatz für das Ducati-Werksteam und dann gleich ein Sieg. Seine Seuchensaison 2023 scheint zum Saisonende doch noch eine gute Wende zu nehmen.

"Die Bestie ist zurück. Es ist fantastisch, nach dieser für mich so beschissenen Saison zu siegen", zeigte sich Bastianini erleichtert. "Die Emotionen waren groß. Wenn du so viel ausprobierst und änderst, das Training und das Bike, aber nichts passiert. Dann ist das eine schwierige Lage und da herauszukommen ist nicht einfach. Aber meine Freundin und meine Familie haben mich immer unterstützt. Ich hatte den Tiefpunkt erreicht, aber jetzt bin ich zurück", gab der Ducati-Pilot Einblick in sein Seelenleben.

Tatsächlich war die Saison 2023 für ihn bisher nichts als Leidenszeit. Schon im ersten Sprint in Portimao wurde er von Luca Marini abgeschossen und verletzte sich. Er fiel für mehrere Rennen aus. In Barcelona warf ihn dann ein eigener Fehler am Start erneut mit einer Verletzung zurück. Nie kam Bastianini wirklich in Fahrt. Vor dem Sieg in Malaysia war seine beste Platzierung im Hauptrennen ein achter Rang gewesen. Von einem Befreiungsschlag des WM-Dritten des Vorjahres zu sprechen, wäre also fast schon eine Untertreibung.

Daumenbremse bringt den Durchbruch für Bastianini

Der Italiener hatte 2023 nicht nur mit seinem Gesundheitszustand, sondern auch mit seinem neuen Bike zu kämpfen. Auf der Ducati GP23 machte ihm von Anfang an das Bremsen, insbesondere eine veränderte Motorbremse, zu schaffen. Teamkollege Bagnaia stellte sich viel schneller und besser darauf ein. Bastianini hingegen fuhr auf manchen Strecken regelrecht hinterher. Im Rennen in Thailand kam er auf Rang 13 mit Mühe und Not in die Punkte.

Wie konnte der 25-Jährige da auf einmal wieder zum Siegfahrer werden? 'La Bestia' nahm aufgrund seiner Bremsprobleme eine Änderung vor: "Es ist kein Geheimnis. Das Setup ist gleich, aber wir haben die Motorbremse stark verändert. Außerdem bediene ich nun die Hinterradbremse mit dem Daumen. Das funktioniert beim harten Anbremsen sehr gut." Der Blick auf die Messlatte im eigenen Team bestätigte ihn zusätzlich: "Im Vergleich mit Pecco [Bagnaia] habe ich da immer viel Zeit verloren. Hier war es nun viel besser."

Mit Daumenbremse fuhr Bastianini der Konkurrenz davon, Foto: LAT Images
Mit Daumenbremse fuhr Bastianini der Konkurrenz davon, Foto: LAT Images

Tatsächlich hatte er seinen fünften MotoGP-Sieg fast schon erwartet. "Mein Crewchief [Marco Rigamonti, Anm. d. Red.] rief mich vor einer Woche an und sagte: Ich habe die Daten überprüft, ich weiß, was du brauchst" verriet der Italiener. "Es kam genau so. Er versprach mir das und jetzt haben wir dieses großartige Resultat erreicht." Und der Samstag, als er aufgrund der WM hinter Bagnaia zurücksteckte, bestätigte ihn: "Ich hatte es erwartet, denn ich sah bereits gestern, wie schnell ich war. Mein Ziel war es in der ersten Kurve als Erster anzukommen. Und es blieb dann auch so. Ich habe das ganze Rennen wie die Hölle gepusht."

Bastianini Botschaft an Ducati: Starker Helfer für Bagnaia im Titelkampf

Mit Bastianinis Leistung an diesem Wochenende dürften auch die Diskussionen um seinen Platz bei Ducati erst einmal deutlich leiser werden. Spekulationen kamen auf, dass Jorge Martin ihn im Falle eines Gewinnes der Weltmeisterschaft ersetzen könnte. Der Italiener zeigte Verständnis: "Es ist einfach. Jorge hat eine großartige Saison gefahren und ich nicht. Ich war immer langsam, aber ich weiß nun warum. Ich habe jetzt eine kleine Botschaft an Ducati geschickt." Seine Zukunft konnte er nicht klar bestätigen: "Ich weiß nicht, ob Ducati eine solche Entscheidung treffen wird. Ich wurde in Misano [für 2024] bestätigt. Wir werden sehen, ob sich das ändert."

Die Ducati-Piloten Francesco Bagnaia und Enea Bastianini im MotoGP-Sprint von Sepang.
Bastianini wird zum Wingman von Bagnaia werden, Foto: LAT Images

Nun könnte er aber seinen Wert beweisen und zur Waffe des Teams im WM-Kampf gegen Martin werden. Schon am Samstag schirmte er Bagnaia im Sprint ab. In Katar, wo Bastianini 2022 gewann, könnte er dem Pramac-Piloten Punkte abnehmen, wenn er seine alte Form durch den Wechsel zur Daumenbremse tatsächlich zurückgefunden haben sollte. 'La Bestia' weiß um seine Aufgabe in den letzten beiden Rennen: "Ich werde auch in Zukunft für Ducati und für ihn [Bagnaia] arbeiten." Neben dem Kampf gegen Titelanwärter Martin ist ein wiedererstarkter Bastianini auch für die Konkurrenz von Ducati keine gute Nachricht. Ohnehin liegen 2023 bereits drei Ducatis an der Spitze der WM-Wertung. 2024 könnte Bastianini wieder mitmischen und ein gewisser Marc Marquez wird dann auch auf einer Ducati sitzen.