Nach Jorge Martins Doppelpack in Thailand stand Francesco Bagnaia an diesem Wochenende in Malaysia schon gehörig unter Druck. Sein Vorsprung in der Weltmeisterschaft war auf mickrige 13 Punkte geschmolzen. Nach durchwachsenem Freitag sah es dann tatsächlich so aus, als könnte der Ducati-Werkspilot endlich liefern: Am Samstagvormittag schnappte er sich zunächst die erste Pole Position seit knapp Anfang September und führte dann auch im Sprint lange Zeit. In der sechsten Runde gingen dann aber binnen weniger Kurven Alex Marquez und WM-Rivale Martin vorbei. Somit stand letztlich nur Platz drei, die WM-Führung schrumpfte um weitere zwei Zähler.

"Ich bin nicht glücklich über das Rennen, es war ähnlich wie in Mugello", klagte der WM-Führende anschließend und rätselte, was schiefgelaufen war: "Ab der fünften oder sechsten Runde habe ich Probleme mit der Front bekommen. Es wurde schwer, das Bike zu stoppen, ich hatte viel Bewegung. Das ist schon merkwürdig, ich hatte das nicht erwartet, weil ich gestern und heute auch viele Runden mit diesem Vorderreifen gefahren bin. Es war wirklich komisch."

Eine Erklärung konnte Bagnaia nicht liefern: "Wir wollten beim Reifendruck im Sprint kein Risiko eingehen, daher war er recht hoch, aber nicht so hoch, als dass er mir solche Probleme bereiten könnte. Das war in Ordnung, ich bin in diesem Jahr schon viele Rennen mit diesem Reifendruck gefahren. Meine Probleme kamen irgendwo anders her. Vielleicht lag es an der Temperatur, aber ich weiß es nicht. Es war ein merkwürdiges Gefühl." Tatsächlich waren die vorherschenden Außentemperaturen im Sprint mit 32 Grad in der Luft und 55 Grad am Asphalt recht hoch, aber das war schon das gesamte Wochenende so.

Lag es also vielleicht einem Papierstückchen, dass sich während des Sprints für einige Runden am rechten Flügelelement der Ducati Desmosedici GP23 Bagnaias verfangen hatte? "Das war sicher keine Hilfe, ich bin es erst kurz vor Schluss wieder losgeworden", meint der 26-jährige Turiner, ergänzt aber auch: "Meine Probleme fingen zwar mehr oder weniger zur gleichen Zeit an, aber ich denke nicht, dass es daran lag. Wir müssen jetzt in die Analyse gehen, um das zu verstehen." So oder so: Im zehn Runden umfassenden Sprint war für Bagnaia eine Antwort gegen Marquez oder Martin nicht mehr möglich. Vielmehr ging der Blick nach hinten, denn Teamkollege Enea Bastianini, der in Malaysia sein bislang stärkstes Wochenende seit langem erlebt, drückte in der Schlussphase gewaltig.

Francesco Bagnaia im MotoGP-Sprint von Sepang
Francesco Bagnaia klagte über Probleme mit dem Vorderreifen, Foto: LAT Images

Enea Bastianini: Heute nicht der richtige Zeitpunkt für Risiko!

Eine Attacke blieb jedoch aus, 'La Bestia' verweilte bis zur Zieldurchfahrt hinter seinem Stallgefährten. Steckte da eventuell eine Teamorder dahinter? Nein, zumindest nicht offiziell. Vielmehr verzichtete Bastianini freiwillig auf eine Attacke, um seinen im WM-Kampf befindlichen Teamkollegen nicht unnötig zu gefährden. "Es wäre schwierig gewesen, weil Peccos Bremspunkt sehr spät ist. Es war heute nicht mein Ziel, auf das Podium zu fahren. Morgen kann ich das vielleicht versuchen, aber heute war das Risiko zu groß", gab der 25-jährige Italiener am Samstagnachmittag in seiner Medienrunde zu Protokoll.

Bagnaia bedankte sich schon während der Auslaufrunde per Handschlag bei Bastianini und lobte wenig später gegenüber der versammelten Medienlandschaft: "Er hat heute einen richtig guten Job gemacht, obwohl auch er ähnliche Probleme hatte. In der letzten Runde habe ich versucht, überall dicht zu machen. Ich bin mir sicher, dass er es bevorzugt hat, kein Risiko bei einem Überholmanöver gegen mich einzugehen, weil er definitiv schneller war. Bevor er dabei aber einen Sturz riskiert oder unser Ergebnis ruiniert, war es besser, das zu tun, was er getan hat."

Francesco Bagnaia: Bastianini verdient zweite Chance bei Ducati!

Als zusätzliches Dankeschön sprach der amtierende Weltmeister seinem Teamkollegen weiteren Zuspruch aus. Schließlich gilt Bastianinis Platz im Ducati-Werksteam im kommenden Jahr als andere als gesichert. Sollte Martin den WM-Titel gewinnen, könnten die beiden ihre Motorräder tauschen, das bestätigte Ducati-Sportdirektor Paolo Ciabatti am Samstag in Malaysia. Bagnaia hält davon jedoch nichts: "Ich finde, dass Enea, in Anbetracht seiner Saison, eine weitere Saison verdient hat. Er hatte nie die Chance, dass Bike zu verstehen und als er es lansgam tat, ist er in Barcelona erneut gestürzt. Jorge ist bei Pramac quasi schon in einem Werksteam, nur eben in anderen Farben. Das zeigen seine Ergebnisse. Ich sehe diesen Tausch deshalb nicht. Ich denke, dass es für das Team und Enea besser ist, wenn alles so bleibt. Jorge fährt aktuell fantastisch, aber Enea hat eine zweite Chance verdient."