Als Jonas Folger Anfang Februar 2023 offiziell als neuer Testfahrer von KTM vorgestellt wurde, wurde ein MotoGP-Comeback des 29-jährigen Deutschen nicht ausgeschlossen. Er sollte nach mehreren Jahren Abstinenz von der Königsklasse behutsam wieder aufgebaut werden und potenziell den ein oder anderen Wildcard-Einsatz absolvieren. Doch schon beim MotoGP-Saisonauftakt in Portimao kam alles anders, plötzlich war Folger gefragt.

KTM-Rückkehrer Pol Espargaro hatte sich bei einem Sturz im 2. Training nämlich schwer verletzt und würde lange ausfallen. Das GasGas-gebrandete Tech3-Team brauchte folglich einen Ersatz. KTMs zweiter Testfahrer, Dani Pedrosa, kam nicht in Frage, weil er maximal noch vereinzelte Einsätze in der MotoGP absolvieren möchte. Also musste Folger die Vertretung von Espargaro übernehmen, in Austin kehrte er erstmals seit Misano 2017 in die Königsklasse zurück. Fünf weitere Einsätze in Jerez, Le Mans, Mugello, am Sachsenring und in Assen sollten folgen.

Da sich Espargaro auf dem Weg der Besserung befindet und in Silverstone aller Voraussicht nach ins GasGas-Team zurückkehren wird, nutzt Motorsport-Magazin.com den Beginn der sechswöchigen MotoGP-Sommerpause, um Bilanz zu ziehen: Wie hat sich Folger beim Comeback geschlagen? Wir blicken zurück und liefern Euch alle Antworten.

Folger trotzt anfangs großem Rückstand: Neun WM-Punkte

Die Freude war groß, Folger Mitte April in Austin zurück im MotoGP-Paddock zu sehen. Und doch war damals schon klar, dass es ein äußerst schwieriges Comeback für den Deutschen werden würde. Zu lange war seine Rennabstinenz, zu gering seine Erfahrung auf der KTM RC16. Nur wenige Runden hatte er seit seinem Wechsel zu KTM bei Testfahrten auf dem Bike verbracht. Dementsprechend war klar, dass Folgers Rückstand auf das restliche Feld anfangs groß sein und er Zeit benötigen würde. Das bewahrheitete sich auch: 4,926 Sekunden verlor der GasGas-Pilot im 1. Training von Austin auf die Session-Bestzeit.

"Uns war allen klar, dass es für mich sehr schwierig werden wird und es war tatsächlich ein harter Tag für mich", gestand Folger damals. "Wir mussten viele Dinge ändern, angefangen bei der Ergonomie bis hin zum Setup. Gleichzeitig muss ich auch die Strecke wieder lernen. Das ist schon eine große Herausforderung und dementsprechend weit liegen wir aktuell zurück." Allerdings gelangen auch schnell erste Fortschritte, zwei Tage später war der Deutsche im Hauptrennen schon mehr als zwei Sekunden schneller. Im Sprint verlor er noch 47 Sekunden auf Sieger Francesco Bagnaia, im Grand Prix bei doppelter Distanz 'nur' noch 68 Sekunden auf Sensationssieger Alex Rins. "Wir waren schneller als gestern und außerdem auch viel konstanter. Das ist sehr positiv für mich", freute er sich anschließend.

In Austin bestritt Jonas Folger sein erstes MotoGP-Rennen seit 2017, Foto: LAT Images
In Austin bestritt Jonas Folger sein erstes MotoGP-Rennen seit 2017, Foto: LAT Images

Belohnt wurde Folger mit Platz 12 und vier WM-Punkten, nachdem zahlreiche Kontrahenten gestürzt und ausgeschieden waren. Zurück in Europa steigerte sich der GasGas-Pilot weiter, im Spanien-GP von Jerez verlor er schon nur noch 47 Sekunden auf Sieger Bagnaia. Danach tat sich Folger aber schwer, näher an die Konkurrenz heranzukommen. Vielmehr pendelte sich sein Rückstand auf die Spitze bei etwa zwei Sekunden ein - mal etwas mehr, mal weniger. Die Rote Laterne behielt Folger bis zur Dutch TT in fast jeder Session. Zwar steht er nach sechs Wochenend-Teilnahmen bei ebenso unerwarteten wie beeindruckenden neun WM-Punkten, allerdings erzielte er diese alleinig durch die Ausfälle der Konkurrenz. Blieben genug andere Fahrer sitzen, konnte Folger aus eigener Kraft bis zum Schluss nicht um Zählbares kämpfen.

Ziel erreicht: Folger nach MotoGP-Comeback besserer Testfahrer

Und doch will Folger sein MotoGP-Comeback keinesfalls als enttäuschend verbuchen. "Ich bin zufrieden mit dem Schritt, den wir gemacht haben und mit dem heutigen Rennen. Das ist der beste Weg, unser gemeinsames Abenteuer von sechs Rennen abzuschließen", sagte er am Sonntag. "Ich möchte mich bei meinem Team bedanken, das immer Verständnis für meine Situation hatte, versuchte, Lösungen für meine Probleme zu finden, meine Zweifel zerstreute und ruhig blieb, als es mir nicht gut ging. Ich bin sehr dankbar, mit ihnen zusammengearbeitet zu haben und wieder Rennen fahren zu können."

An dieser Stelle sollte natürlich auch erwähnt sein, dass die MotoGP im Jahr 2023 über ein enormes Niveau verfügt. Es gibt keine Bezahlfahrer mehr, alle Teams verfügen über konkurrenzfähiges Material. Entsprechend schwer tun sich auch andere Test- und Ersatzfahrer bei einer Rückkehr in die Königsklasse. Oftmals werden die Top 18-20 nur durch eine knappe Sekunde getrennt. Da ist es für einen Fahrer, der nicht seit Monaten oder Jahren im 'Rennmodus' ist, fast unmöglich, mitzuhalten. Dementsprechend sind zwei Sekunden Rückstand auf die absolute Weltspitze der Motorrad-WM nach nur sechs Einsätzen absolut im Rahmen.

Jonas Folger glaubt, in Zukunft besseres Feedback als Testfahrer geben zu können, Foto: LAT Images
Jonas Folger glaubt, in Zukunft besseres Feedback als Testfahrer geben zu können, Foto: LAT Images

Das weiß auch Folger, der entsprechend zufrieden auf die letzten Wochen zurückblickt: "Die Rückkehr war etwas ganz Besonderes für mich. Ich werde diese gemeinsame Zeit nie vergessen, die mir in meiner Rolle als Testfahrer für die Pierer Mobility Group sehr helfen wird." Dies war schließlich auch das Ziel, als der Deutsche Anfang April als Espargaro-Ersatz verkündet wurde: Möglichst viele Eindrücke sammeln, um ein besserer Testfahrer zu werden. Dass das geklappt hat, verriet Folger schon vor Rennstart am Sonntag im Grid bei 'ServusTV': "Ich schaue, dass ich heute nochmal alles mitnehme und maximal Spaß habe. Mein Ziel ist, dass ich, abgesehen vom Resultat am Ende weiß, dass ich alles gegeben habe in jeder Runde. Dann kann ich nächste Woche als besserer Testfahrer weitermachen."