Auch die letzte MotoGP-Bestzeit des Jahres ging an Ducati. Luca Marini setzte sich am Dienstag im Valencia-Test an die Spitze der Zeitenliste. Auch Marco Bezzecchi und Fabio Di Giannantonio landeten mit den Positionen drei und sechs auf den vorderen Rängen. Bemerkenswert: Sie werden in der MotoGP-Saison 2023 alle auf Vorjahresmaschinen unterwegs sein. Die Fahrer mit aktuellem Material - Francesco Bagnaia und Enea Bastianini im Werksteam sowie Johann Zarco und Jorge Martin bei Pramac Racing - belegten nur die Ränge acht, zehn, elf und zwölf.

Dennoch zogen die Piloten der Desmosedici GP23 ein durchwegs positives Resümee. Vor allem die Tatsache, dass man sich nicht wie in den vergangenen Jahren auf ein von Grund auf erneuertes Motorrad einstellen muss, bewerteten sie als positiv. "Es ist eine ganz andere Situation, als wir sie im letzten Winter hatten. Dieses Mal ist es nur eine Evolution, keine Revolution", erklärte Weltmeister Francesco Bagnaia.

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Ganz ähnliche Worte fand Pramac-Mann Johann Zarco: "Ich habe einen neuen Motor getestet und neue Aerodynamiklösungen. Es war alles sehr positiv und ziemlich ähnlich im Vergleich zu dem, was ich gewohnt war. Das ist angenehm, weil wir uns so auf spezifische Punkte konzentrieren können, die wir dann mit den Ingenieuren besprechen." Die größten Veränderungen konnte Neo-Werkspilot Enea Bastianini erkennen, der in der abgelaufenen Saison im Gresini-Team aber auch noch eine 2021er-Maschine fuhr, somit also einen Modelljahrgang überspringt: "Das neue Motorrad bietet vor allem am Hinterrad mehr Stabilität, sowohl am Kurveneingang als auch am Kurvenausgang."

Den Fokus hatte Ducati im Valencia-Test auf zwei Bereiche des Motorrads gelegt. Da wäre zum einen die Aerodynamik. Bemerkenswert: Hier war ausnahmsweise Ducati nicht der Kopierte, sondern der Kopierer. An der GP23 wurden eine extrem breite Verkleidung im unteren Bereich verbaut, analog zu der an der Aprilia RS-GP. Damit soll bei großen Schräglagen ein Ground-Effekt entstehen, das Motorrad also regelrecht an den Asphalt gesorgt werden. "Einen Unterschied habe ich damit eigentlich nur in schnellen Kurven gespürt", erklärte Bagnaia. "Ich habe eigentlich nichts Negatives feststellen können. Für mich war es durchwegs positiv", analysierte Zarco.

Enea Bastianini mit der neuen Verkleidung im Zebra-Design, Foto: MotoGP.com
Enea Bastianini mit der neuen Verkleidung im Zebra-Design, Foto: MotoGP.com

Die zweite Ducati-Baustelle in Valencia war der neue Motor. "Bislang ist dieser Motor nur auf dem Prüfstand gelaufen, heute hatten wir ihn zum ersten Mal auf der Strecke", verriet Bagnaia am Dienstagabend. "Für die erste Ausfahrt hat er gut funktioniert. Der neue Motor ist dem Vorgängermodell aber auch sehr ähnlich." Jorge Martin wollte einen deutlichen Schritt nach vorne im Verhalten des V4-Triebwerks erkannt haben, Teamkollege Zarco zeigte sich zurückhaltender: "Auf dieser Strecke ist ein Motor schwer zu beurteilen, weil die Elektronik so viel regelt, dass du ein paar PS mehr gar nicht spürst. Was die Power angeht, waren wir aber ja bislang schon alles andere als schlecht aufgestellt. Ich glaube aber, dass der 2022er-Motor nicht in allen Drehzahlenbereichen ideal funktioniert hat. Das zu ändern, muss unser Ziel sein, um weniger Bewegung in das Motorrad zu bringen."

Was hat Ducati vor?

Die Aussagen der Ducati-Piloten zeigen, dass man von der üblen Stimmung, die nach dem Valencia-Test etwa bei Honda oder Yamaha herrscht, meilenweit entfernt ist. Alle Fahrer sprechen von kleinen, aber durchwegs positiven Änderungen. Doch ist das schon das Ende der Fahnenstange? Wird die GP23 tatsächlich nur eine Evolution, wie Francesco Bagnaia meint? Kann sein. Kann aber auch nicht sein.

Fakt ist: In der abgelaufenen Saison überforderte Technikchef Gigi Dall'Igna zunächst vollkommen mit den Veränderungen am Motorrad. Bagnaia & Co. brauchten eine Weile, um wirklich auf Touren zu kommen. Die Trendwende gelang gerade noch rechtzeitig, um den so lange ersehnten WM-Titel einzufahren. Gut möglich, dass man daraus die nötigen Lehren gezogen hat und sich nun für eine lediglich behutsame Weiterentwicklung des eindeutig besten Motorrads im Feld entschieden hat. Ein Blick auf die vergangenen Jahre lässt aber auch andere Vermutungen zu. Etwa die, dass Gigi Dall'Igna wieder einmal die größten Updates erst kurz vor dem Saisonstart an die Desmosedici bringt, um der Konkurrenz Nachbauten so gut es geht zu erschweren. Das Rätsel wird erst gelöst sein, wenn die MotoGP von 24. bis 26. März 2023 in Portimao in das erste Rennwochenende der neuen Saison startet.