Das MotoGP-Rennen in Barcelona endete nicht mit dem erwarteten Favoritensieg von Fabio Quartararo. Der Vorjahressieger startete zwar aus Pole Position, konnte das Rennen aber nur für zwei Runden anführen. Am Ende verlor er wegen etwas Pech, einem Missgeschick und zwei Zeitstrafen sogar seinen Podestplatz und musste sich mit dem 6. Rang begnügen.

Die Podestplätze teilten sich somit Miguel Oliveira, Johann Zarco und Jack Miller auf. Wie es dazu kam, wollen wir in unserer Analyse herausfinden.

Der Reifenpoker

Am Samstag waren sich alle MotoGP-Asse einig, dass das Rennen am Sonntag zu einem Ausscheidungsrennen wird und jene Piloten am Ende vorne sein werden, die das beste Reifenmanagement an den Tag legen konnten. Dass die Reifenwahl keine einfache war, zeigte der Umstand, dass einige Fahrer sich erst im Grid entschieden.

Reifenwahl im Katalonien-GP:

vorne/hintenFahrer
M-S A.Marquez (11.), A.Espargaro (out)
M-M Mir (4.), Vinales (5.), Bagnaia (7.), Bastianini (10.), Marini (12.), Savadori (15.)
M-H Zarco (2.), Miller (3.), Quartararo (6.), Morbidelli (9.), Martin (14.), Rossi, Lecuona (out)
H-M Nakagami (13.), M.Marquez, P.Espargaro (out)
H-H Oliveira (1.), Binder (8.), Petrucci (out)

Fünf verschiedene Reifenkombinationen kamen zum Einsatz. Sieger Oliveira setzte auf die beiden harten Reifen - eine Kombination die an diesem Sonntag außer ihm nur seine KTM-Markenkollegen Brad Binder und Danilo Petrucci fahren konnten. Die Kombination aus hartem Vorderrad und dem Medium-Hinterreifen kam nur bei drei der Honda-Piloten zum Einsatz.

Die am häufigsten eingesetzte Variante war die Mischung aus Medium-Vorderreifen und dem Hard hinten, auf die sieben Piloten setzten. Damit fuhren Zarco und Miller auf das Podest, zudem Quartararo und Morbidelli in die Top-10. Sechs Fahrer fuhren beide Medium-Pneus, während Aleix Espargaro und Alex Marquez vorne mit Medium und hinten mit Soft fuhren.

Quartararos Lederkombi defekt: Warum keine Disqualifikation? (11:54 Min.)

Quartararo verliert am Start

Favorit Quartararo konnte am Start dem Feld nicht enteilen, was für Yamaha-Piloten meistens ein schlechtes Zeichen ist. Am Ende der ersten Runde fand sich der Franzose hinter Miller und Oliveira nur auf dem 3. Platz wieder und fiel in der zweiten Runde sogar hinter Mir und Aleix Espargaro zurück, zwei der klaren Gewinner der Startphase.

Gewinner & Verlierer der 1. Runde

GewinnerP+ VerliererP-
Joan Mir+6 Franco Morbidelli-5
Alex Marquez+6 Valentino Rossi-5
Iker Lecuona+5 Jorge Martin-4

Neben Quartararo verloren auch alle anderen Yamaha-Fahrer in der Startphase Plätze: Morbidelli und Rossi wurden um fünf Ränge zurückgereicht und somit früh ihrer Chancen beraubt, während Maverick Vinales immerhin nur einen Platz verlor. Aber auch Ducati war nicht vor schlechten Starts gefeit: So verlor Jorge Martin vier Plätze und die beiden WM-Anwärter Zarco und Bagnaia jeweils drei.

Nach der ersten Runde fanden sich auf den ersten fünf Plätzen Fahrer von fünf verschiedenen Herstellern auf vier verschiedenen Reifenkombinationen. Eine interessante Ausgangslage für das Rennen.

Oliveira konstant, aber nicht der Schnellste

So spannend wie erhofft wurde es an der Spitze aber nicht, denn schon in der zweiten Runde setzte sich Miguel Oliveira in Führung. Den Portugiesen hatten bereits am Samstag viele Konkurrenten auf der Rechnung weit oben und tatsächlich legte das KTM-Ass an der Spitze eine starke Pace an den Tag: In den Runden 3 bis 11 lag jede seiner Rundenzeiten im Bereich von 1:40,2 bis 1:40,6. Oliveira war damit zwar konstant, aber nur in den Runden 3 und 4 der schnellste Mann im Feld.

In den Runden 8 bis 11 holte jeder seiner schärfsten Verfolger Zeit auf ihn auf, weshalb sich zu Rennmitte alles zusammenschob. Im 12. Umlauf eroberte Fabio Quartararo exakt zu Halbzeit des Rennens zum ersten Mal die Führung. Eine fünfköpfige Spitzengruppe hatte sich zu diesem Zeitpunkt abgesetzt: Hinter Quartararo lagen Oliveira, Mir, Miller und Zarco innerhalb von nur 1,3 Sekunden, während dahinter eine Lücke von fast zwei Sekunden auf Vinales aufging.

Stand nach 12/24 Runden:

PFahrer BikeRückstand
1.Quartararo Yamaha
2.Oliveira KTM+0,264 Sek.
3.Mir Suzuki+0,651
4.Miller Ducati+1,201
5.Zarco Ducati+1,341

Quartararo kann Führung nicht halten

Wer zu Mitte des Rennens dachte, dass Quartararo die zweite Hälfte des Rennens zu einer Soloflucht nutzen könnte, lag falsch. Stattdessen war die Führung in der 14. Runde wieder dahin. Davon zeigte sich auch der spätere Sieger Oliveira überrascht: "Ich hatte Fabio ein wenig schneller erwartet. Er hatte nichts mehr in der Hinterhand und als er mich überholte, konnte ich einfach an ihm dranbleiben und ihn unter Druck setzen."

Für Oliveira machte sich in der zweiten Rennhälfte seine Konstanz bezahlt. Denn während sich bei den anderen Fahrern die ersten Zeiten über 1:41 Minuten einschlichen, blieb der Portugiese bis inklusive Lap 19 im 1:40er-Bereich. Erst in den letzten fünf Runden bekam er Probleme mit Reifenabbau, die aber auch der Großteil seiner Verfolger hatte.

Zarcos starkes Finish

Nur ein Mann konnte die Michelins bis zur Zielflagge am Leben halten: Johann Zarco. Der Franzose war der große Gewinner der zweiten Rennhälfte, in der er drei Plätze aufholte. Kein Fahrer war in den Runden 13 bis 24 schneller als Zarco, der sogar Sieger Oliveira 0,902 Sekunden abnahm.

Ergebnis Runde 13-24:

PFahrer BikeRückstand
1.Zarco Ducati
2.Oliveira KTM+0,902 Sek.
3.Quartararo Yamaha+2,981
4.Miller Ducati+1,955
5.Vinales Yamaha+4,151

Zarco bewies Kämpferqualitäten, denn bereits nach sechs Runden lag er 2,7 Sekunden hinter dem späteren Sieger Oliveira zurück. Von einem zwischenzeitlich Tief von 0,955 Sekunden Rückstand wuchs dieser bis zur 18. Runde wieder auf 1,810 Sekunden an. Doch in den Schlussrunden konnte der Franzose den Turbo zünden.

Beinahe hätte es noch zum Sieg gereicht, denn Zarco nahm Oliveira in den letzten fünf Runden jeweils mindestens zwei Zehntelsekunden pro Umlauf ab. Hätte das Rennen noch zwei Runden länger gedauert, Zarco hätte sich wohl die Führung geschnappt.

Das Pech des Fabio Quartararo

Die Grafik zeigt auch klar, wie sehr Fabio Quartararo durch den plötzlich offenen Reißverschluss seiner Lederkombi aus dem Konzept gebracht wurde. Fünf Runden vor dem Ende trat diese Panne auf, sodass Quartararo in den Laps 21 und 22 jeweils fast eine Sekunde auf Oliveira verlor. In den letzten drei Runden war er wieder gleich schnell wie der Führende und wie sein direkter Verfolger Miller. Dass er Oliveira noch abfangen hätte können, bezweifelte Quartararo allerdings nach dem Rennen: "Ich habe zwar Reifen gespart, aber in den Linkskurven war Miguel unfassbar stark. Ich hatte leider im Rennen nicht das gleiche Vertrauen in den harten Reifen wie an den Tagen zuvor."

Im direkten Duell mit Miller um den letzten Podestplatz leistete er sich in der 22. Runde aber einen folgenschweren Ausritt. Quartararo verließ die Strecke in der ersten Kurve und konnte ausgangs der zweiten Kurve wieder zurück auf die reguläre Piste einlenken. Im Vergleich mit den Runden zuvor und danach kostete ihn dieses Missgeschick 0,2 Sekunden. Das war zu wenig in den Augen der Stewards, weshalb sie ihn unmittelbar vor dem Zieleinlauf mit einer Zeitstrafe von drei Sekunden belegten.

Nachträglich wurde für die offene Lederkombi sowie den selbst entfernten Brust-Protektor eine weitere Strafe in Höhe von drei Sekunden ausgesprochen, wodurch Quartararo weitere Plätze an Mir und Vinales verlor. Seinem Unmut darüber tat er in den sozialen Medien kund.

Fazit

Miguel Oliveira sah im MotoGP-Rennen von Barcelona mit insgesamt 21 Führungsrunden dominanter aus, als er tatsächlich war. Weder in der ersten Rennhälfte, noch in der zweiten war er der schnellste Fahrer. Allerdings konnte er mit einer unglaublichen Konstanz punkten und konnte seine Reifen länger am Leben halten als die meisten anderen Fahrer.

Zwei Faktoren kamen dem KTM-Fahrer am Ende entgegen: Das Pech von Fabio Quartararo, der zumindest das Potenzial hatte, bis zum Zielstrich an Oliveira dranzubleiben. Und die schwache Anfangsphase von Johann Zarco. Der Ducati-Fahrer zeigte das mit Abstand beste Reifenmanagement und hätte Oliveira attackieren können, wenn das Rennen bloß eine Runde länger gedauert hätte.

Die negative Überraschung war Joan Mir. Der Weltmeister ist üblicherweise auf seiner Suzuki bekannt dafür, gegen Ende eines Rennens noch Reserven zu haben. Als er nach einem guten Start bereits nach zwei Runden auf Podestkurs lag, durfte er sich berechtigte Hoffnungen mache. Doch diesmal brach Mir in der zweiten Rennhälfte komplett ein und hatte am Ende kein Wörtchen mehr um das Podium mitzureden.