Seit 2009 setzt die MotoGP auf Einheitsreifen. Zunächst kamen sie von Bridgestone, seit 2016 von Michelin. Das bringt für die Serie Vorteile mit sich: Engeres Racing bei gleichzeitig niedrigeren Kosten. So weit, so gut. Monopolstellungen bedeuten aber auch immer eine gewisse Gefahr. Der jeweilige Monopolist ist nicht gezwungen, allerhöchste Qualität abzuliefern. Vor allem dann nicht, wenn seine Verfehlungen für ihn selbst folgenlos bleiben.

Wo taucht schon einmal öffentliche Kritik am aktuellen MotoGP-Reifenlieferanten Michelin auf? So gut wie nirgends. Das hat mehrere Gründe: Zum einen ist Michelin in dieser Position ein offizieller Partner der Serie und wünscht als solcher natürlich eine positive Außenwirkung. Zum anderen befinden sich Hersteller, Teams und Fahrer in einem Abhängigkeitsverhältnis zum Reifenlieferanten und wollen gute Beziehungen wahren. Eine öffentliche Wutrede über schlechte Pneus ist da nicht förderlich.

Motorsport-Magazin.com nahm vor einigen Jahren, noch zu Zeiten des Bridgestone-Monopols, an einer Medienrunde von Pol Espargaro teil. "Der erste Reifen im Qualifying war gut, der zweite aber komplette Scheiße", sagte der damalige Tech3-Pilot und kassierte dafür von seiner Pressesprecherin direkt einen Nackenschlag. "Was Pol wirklich sagen wollte ist, dass der zweite Reifen nicht ganz so gut war wie der erste", korrigierte sie mit einer Mischung aus Scherz und Ernst.

An diesem System der massiv gedämpften Kritik hat sich bis heute nichts geändert. Jack Miller klagte etwa nach seinem enttäuschenden achten Platz beim Saisonauftakt in Katar über Gripprobleme an der rechten Flanke des Hinterrades. Einige Tage später verriet er, dass das Problem nicht bei ihm oder Ducati lag. Wie sich herausstellte, hatte er einen fehlerhaften Hinterreifen erwischt. Klar geäußert wurde das nie. Dasselbe Schicksal ereilte Joan Mir im zweiten Katar-Rennen. Auch hier: Keine klare Kritik.

Vor allem die Hinterreifen funktionieren oft nicht wie gewünscht, Foto: gp-photo.de - Ronny Lekl
Vor allem die Hinterreifen funktionieren oft nicht wie gewünscht, Foto: gp-photo.de - Ronny Lekl

Am vergangenen Wochenende in Jerez musste sich Mir wieder mit Reifenmaterial herumschlagen, das seinen Ansprüchen nicht gerecht wurde. So kam er in FP2 nicht über Rang 13 hinaus und lief Gefahr, den Umweg über Q1 gehen zu müssen. Da platzte dem amtierenden Weltmeister der Kragen. "Ich hatte in dieser Saison schon mehrmals solche Probleme. Einmal pro Wochenende passiert so etwas - wenn nicht häufiger!", so Mir, der nie dezidiert sagte, dass seine Probleme reifenbedingt waren. Es war aber für alle in dieser Medienrunde anwesenden Journalisten zu verstehen, wovon er sprach. Das erkannte der Suzuki-Mann auch selbst: "Mehr will ich dazu gar nicht mehr sagen, denn das wäre nicht gut für mich."

Wie oft pfuscht Michelin wirklich?

Fakt ist: Schadhafte Reifen gibt es immer. Die gibt es in der Superbike-WM bei Pirelli, die gab es bei Bridgestone in der MotoGP und die gibt es auch jetzt bei Michelin. Tendenziell gewinnt man zuletzt aber den Eindruck, dass bei den Franzosen die Qualität häufiger zu wünschen übriglässt, als nötig. Eine gefährliche Entwicklung, denn in der 2021 so ausgeglichenen MotoGP kann ein auch nur minimal schlechter performender Reifen im Rennen mehrere Positionen Unterschied bedeuten. Und das wiederum kann im schlimmsten Fall WM-entscheidend sein.