Der erste Block der MotoGP-Testfahrten ging am Sonntagabend zu Ende. Insgesamt 28 Fahrer nahmen an dem dreitägigen Event teil, das ab Mittwoch für weitere drei Tage fortgeführt wird. Motorsport-Magazin.com hat die Zeiten, Rundenbilanzen und technischen Neuerungen ganz genau unter die Lupe genommen und in der übersichtlichen MotoGP-Analyse zusammengefasst:

Die schnellsten Rundenzeiten

Wie erwartet wurden die Rundenzeiten im Lauf der Testfahrten immer schneller. Stand die Bestzeit von Stefan Bradl nach dem Shakedown am Freitag noch bei 1:55,614 Minuten, so sank diese am Samstag, als alle Fahrer auf die Strecke durften, auf 1:54,687 und verbesserte sich am Sonntag sogar auf 1:53,940 Minuten. Somit lag die Testbestzeit von Fabio Quartararo nur noch 0,560 Sekunden hinter der schnellsten je in Katar gefahrenen MotoGP-Runde.

Die schnellsten Rundenzeiten wurden allesamt in den letzten Stunden des Sonntags mit darauf ausgelegten Motorrad-Abstimmungen und Reifen erzielt. In den Top-10 der schnellsten Rundenzeiten dieser Testfahrten sind ausschließlich am letzten Testtag erzielte Zeiten. Es finden sich sechs verschiedene Fahrer in den Top-10: Fabio Quartararo, Jack Miller, Aleix Espargaro und Stefan Bradl jeweils zweimal, Franco Morbidelli und Johann Zarco einmal.

Die zehn schnellsten Rundenzeiten des MotoGP-Test

Fahrer Anzahl Schnellste Runde in
1. Fabio Quartararo 1:53,940
2. Jack Miller 1:54,017
3. Aleix Espargaro 1:54,152
4. Franco Morbidelli 1:54,153
5. Fabio Quartararo 1:54,159
6. Stefan Bradl 1:54,210
7. Jack Miller 1:54,212
8. Aleix Espargaro 1:54,325
9. Stefan Bradl 1:54,342
10. Johann Zarco 1:54,356

Longruns: Nur eine Rennsimulation

Eine Longrun-Analyse ist nach dem ersten Test-Block in Katar noch nicht möglich, da es nur eine echte Rennsimulation gab: jene von Aleix Espargaro, der zum Ausklang des Sonntags 20 fliegende Runden am Stück absolvierte (die volle GP-Distanz beträgt 22 Runden). Maverick Vinales fuhr einmal zwölf aufeinanderfolgende Runden, während alle anderen Fahrer nie mehr als die halbe GP-Distanz am Stück absolvierten.

Espargaro legte in seinem 20 Runden langen Stint eine Pace von 1:55,541 Minuten an den Tag, die sogar 1:55,392 betragen hätte, wenn ihm nicht im vierten Umlauf ein Fehler unterlaufen wäre, der ihn rund drei Sekunden kostete. Seine schnellste Rundenzeit dieses Stints betrug 1:54,929, während er im letzten Umlauf eine Zeit von 1:55,934 anschrieb.

MotoGP-Testauftakt: Wie viel ist die Aprilia-Bestzeit wert? (12:52 Min.)

Der Vergleichswert von Vinales' zwölf Runden liegt bei einer Pace von 1:55,318 Minuten bzw. 1:55,036 wenn man auch bei ihm zwei fehlerbehaftete Runden, die ihn jeweils zwei Sekunden kosteten, nicht miteinberechnet. Die schnellste Zeit von Vinales in diesem Stint betrug 1:54,774, seine letzte 1:55,181 Minuten. Ein echter Vergleich zwischen den beiden Performances ist aber nicht möglich, da sie zu unterschiedlichen Tageszeiten erzielt wurden und zudem nicht klar ist, welche Abstimmung bzw. Reifen Vinales zu diesem Zeitpunkt im Einsatz hatte.

Rundenbilanz: Bradl als Kilometerfresser

Neben schnellen Rundenzeiten ist bei den MotoGP-Wintertests vor allem auch die Kilometer-Leistung wichtig. Jede gefahrene Runde bringt den Dateningenieuren mehr Informationen über die Auswirkungen neu entwickelter Teile. "Kilometer-Kaiser" dieser Testfahrten war Stefan Bradl, der an drei Tagen 175 Runden und damit fast acht komplette Grand-Prix-Distanzen abspulte. Auf den ersten drei Plätzen liegen Testfahrer, da diese bereits am Freitag fahren durften. Von den Stammpiloten durften an diesem Tag lediglich die drei Rookies sowie die beiden Piloten von Aprilia auf die Strecke, wobei Aleix Espargaro freiwillig verzichtete.

Bricht man die Rundenanzahl der einzelnen Fahrer auf einen Durchschnitt pro Testtag herunter, so verliert Bradl aber knapp seine Spitzenposition an seinen Teamkollegen: Pol Espargaro kam an seinen beiden Testtagen auf einen Wert von 65 Runden pro Tag. Damit fuhr er im Schnitt eine Runde mehr als Fabio Quartararo, zwei mehr als Aleix Espargaro und drei mehr als Franco Morbidelli, die sich auf den weiteren Plätzen einreihen. Bradl folgt mit 58,3 Runden pro Tag hinter Taka Nakagami (59) und Maverick Vinales (58,5) auf dem 7. Rang.

Die insgesamt wenigsten Runden der Stammpiloten dieses MotoGP-Tests spulten Brad Binder, Iker Lecuona und Joan Mir ab, die auf nur 93 Laps insgesamt kamen. Den geringsten Schnitt aller Einsatzfahrer weist Aprilia-Neuzugang Lorenzo Savadori auf, der pro Tag nur auf 40,3 Runden kam.

Yamaha gibt Gas

Von den sechs Herstellern legte Yamaha die größte Laufleistung bei dieses Testfahrten an den Tag. Kein Wunder, hatte man doch neben den vier Einsatzfahrern auch die drei Testfahrer Cal Crutchlow, Katsuyuki Nakasuga sowie Kota Nozane mit dabei, die sich die drei Test-Motorräder teilten. Insgesamt spulten die sieben Yamaha-Fahrer mit den unterschiedlichen Bikes 716 Runden an den drei Tagen ab.

Alle Ducatisti kamen gemeinsam zwar auf 777 Runden, doch im Hinblick auf Entwicklung haben wir die Werte von Luca Marini und Enea Bastianini in unserem Diagramm nicht miteingerechnet. Die beiden Rookies bekommen in den Diensten von Avintia nur Altmaterial ohne Updates während der Saison. Beim Test mussten sie zur Eingewöhnung in die MotoGP sogar mit Desmosedici des Jahrgangs 2019 Vorlieb nehmen.

Nur mit den vier Einsatzfahrern auf aktuellem Factory-Material sowie Testfahrer Michele Pirro kam Ducati auf 516 Runden und damit auf etwas weniger als KTM mit seinen fünf Fahrern (538) und Honda mit seinen vier Piloten (524). Deutlich weniger Runden absolvierte Suzuki, die mit den zwei GP-Piloten und den Testfahrern Sylvain Guintoli und Takuya Tsuda vor Ort waren. Das Weltmeister-Team fuhr nur 412 Umläufe. Den geringsten Wert weist aber Aprilia auf: Savadori und Espargaro absolvierten mit nur 247 Runden nicht einmal die Hälfte von Yamaha, KTM, Honda oder Ducati. Das war der Preis dafür, dass man Testfahrer Bradley Smith nicht mit an die Strecke nahm.

Die technischen Neuerungen

Aprilia: Die umfassendsten Updates hatte Aprilia mit an Bord, da man aufgrund des "Concessions-Reglements" auch die meisten Freiheiten hatte. So wurde ein neuer Motor mit veränderten Zylinderköpfen eingesetzt. Darüber hinaus testete man eine neue Schwinge, eine veränderte Sitzposition und hatte zwei unterschiedliche Aero-Konfigurationen dabei, die sich in erster Linie durch die Größe der Winglets an der Front unterschieden. Ebenfalls im Einsatz hatte Aprilia eine neue Startvorrichtung (Holeshot Device), bei der sowohl das Heck, als auch die Front beim Einfedern manuell verriegelt werden und somit der Schwerpunkt beim Start nach unten verlagert werden kann.

Suzuki: Das Weltmeister-Team arbeitete bereits für 2022. Sylvain Guintoli durfte einen neuen Motor vorbereiten, den am Sonntag auch Alex Rins im Einsatz hatte. Sein Fazit: "Im Großen und Ganzen hat er sich ähnlich wie unser aktueller Motor angefühlt - allerdings mit etwas mehr Geschwindigkeit auf der Geraden. Das war sehr gut, denn darum haben wir schon im Laufe des vergangenen Jahres gebeten." Tatsächlich war Rins am Sonntag damit um drei km/h schneller als am Tag zuvor und konnte als einziger Suzuki-Fahrer bei diesen Testfahrten die Marke von 340 km/h knacken.

Darüber hinaus waren bei Suzuki nicht allzu viele Neuerungen zu sehen: Joan Mir setzte einen neu adaptierten Tank ein, auf große Veränderungen an Aerodynamik oder Chassis verzichtete man bislang. Auch am Wettlauf um das beste Holeshot Device beteiligte sich Suzuki nicht. MotoGP-Champion Mir blieb diesbezüglich gelassen: "Ich kann mich erinnern, als Ducati vor ein paar Jahren damit begonnen hat: Da hatten wir unseres auch ein paar Wochenenden später."

Ducati: Gigi Dall'Igna sorgte mit einer neuen Aero-Variante bereits am Samstag für Aufsehen: Eine neue Winglet-Konstruktion an der Seitenverkleidung, bei der der Luftstrom durch ein doppelwandiges Element nach hinten (vermutlich zu einem Spoiler an der Schwinge) geleitet wird. Auch bei Ducati kam eine Holeshot-Device-Variante mit absenkbarem Heck und Front zum Einsatz. Für den zweiten Test hat Jack Miller bereits weitere Überraschungen angekündigt.

Zweiter MotoGP-Testtag: Neue Teile, Stürze und Wortgefechte (10:53 Min.)

Honda: Da sich Pol Espargaro erst an sein neues Motorrad gewöhnen musste, blieb ein Großteil der Entwicklungsarbeit an Stefan Bradl hängen. Der hatte teilweise drei Motorräder gleichzeitig an der Box stehen, um Vergleichsfahrten zu machen. Ein völlig neues Chassis fand sich darunter ebenso wie der karbonverstärkte Rahmen, mit dem Honda bereits im Vorjahr experimentierte. Für die Einsatzfahrer im Werksteam und bei LCR gab es vorerst nur eine neue Auspuff-Variante zu testen. Wie ein Großteil der Konkurrenz testete Honda zudem ein Holeshot Device, das sowohl am Heck als auch an der Front zum Einsatz kommen kann.

Yamaha: Das große Testaufgebot von Yamaha hatte nach Angaben von Teamchef Massimo Meregalli "so viele Teile wie nie zuvor" dabei. Ein neues Chassis war ebenso darunter wie verschiedene Schwingen - sowohl aus Aluminium als auch Karbon. Die unterschiedlichen Komponenten auf einen gemeinsamen Nenner zu bringen, wird eine knifflige Aufgabe für Yamaha. Vor allem da das Feedback der Fahrer wieder einmal unterschiedlich ausfällt: Während sich Fabio Quartararo mit dem neuen Rahmen sehr wohl fühlte, zeigten sich Maverick Vinales und Valentino Rossi nicht überzeugt.

KTM: Das Holeshot Device war auch bei KTM das große Thema. Dabei haben die Österreicher einen Vorteil, da sie exklusiv mit ihrer Tochter WP zusammenarbeiten können, und ihr System nicht auf die Öhlins-Federelemente, die alle anderen Konkurrenten einsetzen, ausrichten müssen. Darüber hinaus gab es bei der KTM auch ein neues Heck zu sehen, das in Verbindung mit einer neuen Auspuff-Konstruktion eingesetzt wurde. Auch bei den Winglets gab es leichte Anpassungen.