Die MotoGP-Fans bekamen in Le Mans das erste Regenrennen der Saison serviert. Mit Danilo Petrucci setzte sich ein Underdog souverän durch. Dahinter kam es mit dem zweiten Platz von Alex Marquez zu einer handfesten Überraschung, während die WM-Führenden Fabio Quartararo und Joan Mir im geschlagenen Feld landeten. Wie kam es am Sonntag zu diesem Ergebnis? Das zeigen wir in unserer GP-Analyse auf.

Die Reifenentscheidung

Da der Regen erst kurz vor dem geplanten Start einsetzte, wurde dieser abgebrochen und die Motorräder mussten zurück an die Box. Dort durften die Crews innerhalb weniger Minuten die Bikes im Regen-Setup fertigmachen und mussten zudem aus je zwei Vorder- und Hinterrad-Mischungen wählen. Drei der vier möglichen Kombinationen kamen tatsächlich zum Einsatz, wie unsere Tabelle zeigt.

Die Reifenwahl in Le Mans

Vorne - Hinten Fahrer (Platzierung)
Soft - Soft P.Espargaro (3.), Dovizioso (4.), Oliveira (6.), Quartararo (9.), Vinales (10.), Binder (12.), A. Espargaro (14.), Lecuona (15.), Morbidelli, Crutchlow, Rabat, Smith, Rossi
Medium - Soft Petrucci (1.), Marquez (2.), Nakagami (7.), Bradl (8.), Bagnaia (13.), Miller
Medium - Medium Zarco (5.), Mir (11.), Rins (16.)

Der Großteil der MotoGP-Fahrer wählte die Kombination aus weichen Vorder- und Hinterreifen: insgesamt 13 Fahrer, darunter auch der Drittplatzierte Pol Espargaro, sowie vier weitere Piloten aus den Top-10. Die beiden vordersten Plätze gingen an Fahrer, die hinten auf den Soft, vorne aber auf den Medium setzten: Danilo Petrucci und Alex Marquez. Mit Taka Nakagami und Stefan Bradl fuhren zwei weitere Piloten auf dieser Kombination in die Top-10, Jack Miller kämpfte damit bis zu seinem Defekt um das Podest. Auf beide Medium-Reifen bauten lediglich die beiden Suzuki-Asse, als auch Johann Zarco, der damit als einziger Pilot in die Top-10 fuhr.

Fahrer aus allen drei Varianten schafften es in die Top-5 bzw. kämpften damit um das Podest. Ein echter Vorteil bei der Reifenwahl ist daher nicht auszumachen. Einzig Andrea Dovizioso haderte nach dem Rennen mit seiner Wahl.

MotoGP-Analyse Le Mans: Die Stunde der Außenseiter (33:30 Min.)

Die hektische Startphase

Für viele Fahrer war der Zug in Richtung der Podestplätze schon vor dem Dunlop-Bogen abgefahren. Valentino Rossi ging in der dritten Kurve ohne Feindeinwirkung zu Boden, sodass Maverick Vinales und Joan Mir durch die Auslaufzone ausweichen mussten und dadurch viele Plätze verloren.

Gewinner & Verlierer der 1. Runde

Gewinner Plätze + Verlierer Plätze -
Smith +10 Vinales -15
Rins +9 Bagnaia -11
Bradl +8 Morbidelli -6
Marquez +8 Quartararo -3
A.Espargaro +7 Curtchlow, Binder, Oliveira, Zarco -2

Im Gegenzug konnten einige Piloten durch eine starke erste Runde den Grundstein zu einem starken Ergebnis legen. So etwa Stefan Bradl und Alex Marquez, die jeweils acht Plätze gewannen, oder der später auf P2 gestürzte Alex Rins, der von P16 auf Rang 7 nach vorne schoss. Auch die beiden Aprilia-Fahrer erwischten eine starke erste Runde.

Die Pace des Siegers

Danilo Petrucci bog zwar nur als 6. in die erste Kurve, konnte auf der ersten Runde aber Crutchlow, Pol Espargaro, Dovizioso und letztlich auch Miller kassieren. Bis zur letzten der 26 Runden lag er über Start/Ziel immer in Führung. Von der Spitze konnte er das Rennen kontrollieren und musste nur in den entscheidenden Momenten sein Tempo anziehen. In den 26 Umläufen war er lediglich viermal der schnellste Mann im gesamten Feld.

Schnellste Zeit in jeder der 26 Runden:

Fahrer Anzahl Schnellste Runde in
Alex Rins 6 Lap 2, 5-8, 11
Johann Zarco 6 Lap 18, 21-24, 26
Danilo Petrucci 4 Lap 1, 3, 19-20
Alex Marquez 3 Lap 13-15
Pol Espargaro 3 Lap 10-11, 13
Andrea Dovizioso 1 Lap 3
Miguel Oliveira 1 Lap 16
Joan Mir 1 Lap 17
Maverick Vinales 1 Lap 25

Neben der Startrunde war Petrucci in der 3. Runde der schnellste Mann im MotoGP-Feld. Danach lachte er erst in den Runden 19 und 20 wieder von der Spitze des Einzelzeiten-Klassements. Diese beiden Runden waren aber rennentscheidend. In Lap 17 war Dovizioso mit 0,062 Sekunden über Start/Ziel so knapp an Petrucci dran wie nie zuvor in diesem Rennen.

In der 18. Runde kam es zur entscheidenden Szene, als Dovizioso Petrucci attackierte, dabei selbst aber von Rins überrumpelt wurde und anstatt der Führung mit Platz vier Vorlieb nehmen musste, weil auch Jack Miller seinen Nutzen aus dieser Aktion ziehen musste. Diese Szene dürfte ein Weckruf für Petrucci gewesen sein, denn sofort zog er das Tempo an, fuhr in Lap 19 seine persönliche schnellste Runde des Rennens und war in der 20. Runde nur um 0,103 Sekunden langsamer.

Mit diesem Zwei-Runden-Sprint hatte er nicht nur Dovizioso um 2,7 Sekunden abgehängt, sondern auch Verfolger Rins dermaßen unter Druck gesetzt, dass dieser in Kurve 3 schließlich in einen Fehler gedrängt wurde. Da nur wenig später Jack Miller ein Defekt ereilte, war das Rennen um den Sieg sechs Runden vor dem Ende zugunsten Petruccis entschieden.

Marquez & Bradl: Honda plötzlich auf Tempo

Da die internationale TV-Regie in den ersten drei Rennvierteln in erster Linie auf den Vierkampf an der Spitze ausgerichtet war, waren einige Zuseher wohl überrascht, als plötzlich Alex Marquez und Pol Espargaro die Ducati von Andrea Dovizioso unter Druck setzen konnten und Stefan Bradl plötzlich in den hinteren Rängen der Top-10 auftauchte.

Dabei fuhr z.B. Bradl über weite Strecken des Rennens die gleiche Pace wie Petrucci. Am Ende fehlten dem Deutschen 15,597 Sekunden auf die Siegerzeit. Bereits in den ersten elf Runden hatte er 14,599 Sekunden davon auf Petrucci verloren. Insgesamt zehn Fahrer überholte Bradl im Laufe des Rennens, sein Meisterstück lieferte er in der letzten Runde ab, als er WM-Leader Fabio Quartararo hinter sich lassen konnte.

Noch besser erging es aber seinem Teamkollegen Alex Marquez, der zwischenzeitlich sogar der schnellste Mann im Feld war (zwischen Lap 13 und 15 dreimal in Folge). Der Spanier erreichte bereits in der 6. Runde seinen Rekordrückstand von 6,793 Sekunden (3,843 Sek. davon alleine in Lap 1) und nahm Petrucci bis zum Ende sogar noch fünfeinhalb Sekunden ab.

13 Piloten überholte Marquez im Laufe des Rennens auf der Strecke, in Lap 19 schnappte er sich Pol Espargaro, drei Runden vor dem Ende auch Dovizioso, der sich nicht mehr wehren konnte. "Als ich gesehen habe, dass ich auf die Ducatis an der Spitze aufholen kann, dachte ich mir: Warum soll ich es nicht versuchen? Ich konnte Pol überholen, aber Dovi war so stark auf den Geraden und auf der Bremse. Die Kurven vier bis sechs waren meine einzige Chance und dort ist es mir auch gelungen", erklärte der zweifache Motorrad-Weltmeister danach stolz.

Johann Zarco: Der Spätzünder

Im letzten Renndrittel sorgte aber auch ein weiterer Fahrer für Furore: Johann Zarco. Der Franzose büßte zwar am Start zwei Positionen ein, nahm Petrucci aber alleine in den letzten zehn Runden etwas mehr als acht Sekunden ab und war damit im Finish der absolut Schnellste im gesamten MotoGP-Feld.

Das krönte er mit der schnellsten Rennrunde in Lap 17, die er bis zur Zielflagge vier Mal unterbieten und letztlich auf 1:43,301 drücken sollte. Mit dieser Pace schnappte er sich in den letzten beiden Runden Taka Nakagami und Miguel Oliveira. Schon zuvor hatte er im Rennen Bradl, Aleix Espargaro, Quartararo und Bagnaia überholt.

Das legt den Schluss nahe, dass Zarco mit dem Medium-Hinterreifen am Ende mehr Reserven hatte als seine Gegner, die bis auf die beiden geschlagenen Suzuki alle auf weichen Hinterreifen unterwegs waren. Im letzten Umlauf nahm Zarco Dovizioso zwei Sekunden ab, den drei Podestfahrern etwas mehr als eine Sekunde. Hätte das Rennen noch zwei bis drei Runden länger gedauert, wäre Zarco noch eine Gefahr für die Top-3 geworden.

Fazit

Ducati wies im Regen die beste Pace auf: Bis auf den schwach gestarteten Bagnaia und Nachzügler Tito Rabat waren alle Ducatisti bärenstark unterwegs. Suzuki verlor Mirs Chancen auf ein Top-Resultat bereits beim Rossi-Zwischenfall in der dritten Kurve und Rins durch eigenes Überpushen unter dem Druck von Petrucci, der zu diesem Zeitpunkt das Tempo an der Spitze erhöhte.

Yamaha ging im Regen heillos unter: Die Chancen von Morbidelli, Vinales und Rossi waren bereits nach den ersten vier Kurven dahin, Quartararo konnte sich an der Spitze auch nicht lange gegen seine Gegner zur Wehr setzen und wäre am Ende beinahe noch von Mir und Vinales, die durch den Rossi-Crash viel Zeit einbüßten, eingeholt worden.

Endlich auf Touren kam Honda, wo neben dem Podestplatz von Alex Marquez auch Stefan Bradls bestes Ergebnis seit 2016 heraussticht sowie Taka Nakagamis Konstanz, der sich durch das neunte Top-10-Resultat im neunten Rennen in der WM auf den 5. Platz geschoben hat. KTM brachte erneut ein Motorrad auf das Podest und ein weiteres in die Top-6.