Das Aprilia-Team schlittert seit einigen Jahren von einer Krise in die nächste. Auch das MotoGP-Jahr 2019 bildet hier keine Ausnahme, wenn man sich den Ist-Zustand nach den ersten sieben Saisonrennen ansieht. Motorsport-Magazin.com hat sich die Misere, in der der italienische Hersteller aktuell steckt, genau angesehen.

Seit ihrem Wiedereinstieg in die Königsklasse im Jahr 2015 kommt das Aprilia-Team nicht wirklich vorwärts. In ihren vier komplett absolvierten Saisons sind zwei fünfte Plätze ihr bestes Ergebnis in der Konstrukteurs-WM, in der Teamwertung schnitten sie 2016 am besten ab und wurden Siebte.

In der Saison 2019 ist Aleix Espargaro mit WM-Rang 13 der bisher stärkste Aprilia-Pilot, sein Teamkollege Iannone ist 18. Den aktuell neunten Rang in der Teamwertung verdankt man ebenfalls zum großen Teil den Leistungen Espargaros. In der Konstrukteurswertung liegt Aprilia momentan auf dem sechsten und damit letzten Platz, fast zehn Punkte hinter KTM auf P5 und über 100 Zähler hinter Honda auf Platz eins.

Dementsprechend eindeutig ist die Lage: Aprilia steckt in Schwierigkeiten, und das nicht erst seit gestern. Denn die diesjährige RS-GP ist laut Espargaro sogar um einiges besser als ihr Vorgängermodell. Trotzdem sind die angestrebten konstanten Top-10-Plätze momentan einfach nicht erreichbar.

Aprilia-Fahrer appellieren: Brauchen mehr Hilfe

An den Leistungen der Fahrer liegt das allerdings nicht, da ist sich Espargaro sicher. Denn der Spanier selbst kämpft seit Jahren fast fanatisch dafür, sein Bike in die Top-10 zu stellen und schafft dies ab und an sogar. Damit ist Espargaro klar der wichtigste Fahrer für das Team, nicht umsonst nannte ihn Aprilia-CEO Massimo Rivola in Barcelona eine 'Säule für Aprilia'.

"Ich tue mein Möglichstes und gebe immer alles", versicherte Espargaro noch auf der Donnerstags-Pressekonferenz in Katalonien. "Aber in diesem Jahr reichen meine 100 Prozent einfach nicht." Denn auch der Kampfgeist und die Willensstärke eines Aleix Espargaro können nicht alle Probleme, die die RS-GP hat, umfahren.

So klang die Bilanz des Spaniers am Samstag in Katalonien bereits deutlich niedergeschlagener: "Ich bin enttäuscht und traurig. Es war der schlimmste Samstag meiner Karriere", seufzte Espargaro. Der Grund: Nur P17 im Qualifying, kaum Grip und trotz aller Anstrengungen nur langsame Rundenzeiten.

Deshalb gibt es für Espargaro nur eine Lösung: Es muss mehr Unterstützung aus dem Werk in Noale kommen, um Aprilias MotoGP-Statistik aufzupolieren. Dieser Aussage pflichtet sein Teamkollege Iannone bei. "Wir brauchen die Unterstützung des Werks", appellierte auch der Italiener am Samstag in Katalonien, nachdem er im Qualifying auf dem letzten Platz gelandet war. "Um unseren Job richtig machen zu können, brauchen wir mehr Hilfe. Das ist wichtig."

Bradley Smith ist Testfahrer für Aprilia, Foto: Aprilia
Bradley Smith ist Testfahrer für Aprilia, Foto: Aprilia

Aprilia 2019: Viel Arbeit, wenig Zeit

Im Werk arbeitet man bereits auf Hochtouren an Lösungsansätzen, wie Espargaro ebenfalls in Barcelona verriet. Aber über vier Jahre Rückstand holt man nicht mal eben in zwei Wochen auf. Schon gar nicht in einer MotoGP, die auf einem so hohen Niveau fährt wie momentan. Denn natürlich schläft auch die Konkurrenz nicht und entwickelt sich weiter. Das macht es für Aprilia umso schwerer, denn wo die Rivalen einen Schritt machen, müssten die Italiener zwei oder mehr machen, um einen tatsächlichen Fortschritt auf der Strecke verzeichnen zu können.

Dabei ist es auch nicht hilfreich, dass man in den letzten vier MotoGP-Jahren praktisch nur auf die gesammelten Daten der Einsatzfahrer zugreifen konnte, um die Entwicklung der RS-GP voranzutreiben. Zwar gab es Matteo Baiocco einen Testfahrer, der neue Teile aber nur auf ihre grundsätzliche Funktionsfähigkeit überprüfte, statt daran arbeitete, die Performance des Motorrads zu steigern. Einsatzfahrer und Testfahrer gleichzeitig zu sein, das hat die Lage von Espargaro und seinen immer wechselnden Teamkollegen in den letzten Jahren nicht vereinfacht.

Ab diesem Jahr hat Aprilia mit Bradley Smith nun aber einen ehemaligen MotoGP-Piloten in ihrem Test-Team, der die RS-GP auf Herz und Nieren prüfen und bei der Entwicklung helfen kann. Aber auch Smiths Feedback kann nach einem knappen halben Jahr keine Wunder vollbringen. Und zu Komplikationen kann es auch kommen, wie sich in Barcelona zeigte.

Katalonien GP: Smith sorgt für Espargaro-Verletzung

Smith war als Wildcard-Pilot beim Katalonien GP am Start. Das ganze Wochenende verhielt sich der Brite unauffällig, im Rennen kegelte er jedoch mit Espargaro einen Stammpiloten des eigenen Teams schon in der ersten Runde aus dem Rennen. Dabei zog sich Aprilias Nummer-eins-Pilot eine Mikrofraktur im linken Oberschenkel und eine leichte Bänder- und Schienbeinverletzung zu. Ob er beim nächsten Rennen in Assen starten kann, ist unklar.

Das es so für Aprilia nicht vorwärts geht, sollte jedem klar sein. Dementsprechend entzürnt war Stammpilot Iannone auch über Smiths Verhalten. "Ich bin sehr enttäuscht von Bradley, denn es kann nicht sein, dass sich ein Testfahrer auf den ersten Runden so verhält", polterte Iannone nach dem Rennen in Barcelona, obwohl der Italiener selbst kein Unschuldslamm ist, was das Torpedieren von Teamkollegen angeht.

Iannone beteuerte außerdem, dass Smith nicht nur gegen Espargaro, sondern auch gegen ihn ein gefährliches Manöver gefahren ist. "Es ist wichtig, dass der Testfahrer uns hilft, das Bike zu verbessern und nicht mit uns auf der Strecke kämpft. Natürlich ist es ein Rennen, aber die Werksfahrer sollten die Priorität haben", fand Iannone und bekam dabei Rückendeckung von Aprilias CEO. "Noch enttäuschender als der Crash selbst ist es, dass Bradley ihn verursacht hat", so Rivola am Sonntag in Barcelona. "Er soll unser Bike entwickeln und da sollte sowas eigentlich nicht passieren."

Ob nun Espargaros Verletzung oder technische Defizite an der RS-GP - alle Probleme im Aprilia-Team sind zurzeit hausgemacht und können nur gelöst werden, wenn alle Beteiligten alles geben. Darf man Espargaro glauben, tun die Piloten auf der Strecke, was möglich ist. Denselben Einsatz fordert er nun auch von seinem Werk. Ob das Aprilia-Team sich aber wirklich fangen wird, kann nur die Zukunft zeigen.