Viele Freunde hat sich Marc Marquez in seinem ersten MotoGP Jahr wahrlich nicht gemacht. Aber was zählt das schon? Er ist Weltmeister! Ganz so einfach ist das Ganze leider nicht. Fest steht: Der Spanier ist unglaublich schnell, hat einen extrem außergewöhnlichen Fahrstil, bringt der MotoGP die Action zurück, die sie brauchte und zeigt seinen erfahrenen Kollegen damit nur noch den Auspuff. Auf der Kehrseite zeichnete er sich aber besonders mit aggressiven, teils unüberlegten Manövern aus, mit denen er die Konkurrenten ärgerte und zahlreiche Strafen kassierte - und das zu recht.

Ein Manöver das für viel Aufregung sorgte, Foto: Milagro
Ein Manöver das für viel Aufregung sorgte, Foto: Milagro

Direkt beim Auftakt in Katar legte sich Marquez mit Valentino Rossi an - zur großen Empörung des Doktors und vor allem vieler seiner zahlreichen Fans. In Jerez war der zweite Yamaha-Pilot im Fokus. Jorge Lorenzo und seine Crew beschwerten sich massiv, der Mallorquiner schüttelte seinem Landsmann nach dem Rennen und dem harschen Manöver in der letzten Runde nicht einmal die Hand. Eine kleine Überreaktion, aber in der Hitze des Moments doch leicht nachzuvollziehen.

In dieser Situation müsste Lorenzo genau gewusst haben, wie sich Rossi 2008 fühlte, als plötzlich ein junger schneller Typ in die Königsklasse aufstieg und ihm seinen Nummer-1-Rang streitig machen wollte. Nächstes großes Marquez-Opfer wurde sein Teamkollege. In einem unüberlegten Manöver in Aragon riss Marquez Dani Pedrosas Kabel ab, das die Geschwindigkeit am Hinterrad misst. Sein Teamkollege stürzte - völlig außer (Traktions-) Kontrolle.

Ein Versehen? Ein Fehler in Hondas Konstruktion? Für das abgerissene Kabel konnte Marquez nichts, allerdings hätte er beim Überholen etwas mehr Köpfchen nutzen können. Generell besticht der Rookie in seinem ersten MotoGP-Jahr besonders mit jugendlichem Leichtsinn. Seine fragwürdigen Aktionen, für die er allerdings bereits in der Moto2 bekannt war, rufen viele Kritiker auf den Plan. Gleichzeitig ist es genau das, was einen schnellen Piloten zum Fan-Liebling macht.

Parallelen zu Rossi

"Schon als er sehr jung war, ist er in den Rennen immer schlecht gestartet und musste sich jedes Mal von ganz hinten durchs Feld an die Spitze kämpfen. Ich denke, die Leute mögen diese Rennen sehr. Wenn man von achter, neunter oder zehnter Position startet, sich nach vorne kämpft und in der letzten Runde zum Sieg fährt, macht man sich enorm beliebt. Das hat er jahrelang gemacht. Er hat großartige Kämpfe gewonnen", sagte Wilco Zeelenberg dem Motorsport-Magazin auf die Frage wie Rossi so beliebt werden konnte.

Zwei Champions unter sich, Foto: Milagro
Zwei Champions unter sich, Foto: Milagro

Der erste Gedanke springt bei diesem Satz sofort über. Marquez startete in der Moto2 beim Finale in Valencia als Letzter und gewann das Rennen. Trotz vieler unüberlegter Manöver und Strafen scheint es genau das zu sein, was das Fan-Herz begehrt. Und wer kann es den Zuschauern verwehren? Marquez macht zwar eine Menge Stress, liefert dafür aber Spannung pur und genau das ist es, was wir alle im Rennsport sehen wollen - aber natürlich nicht auf Kosten der Gesundheit anderer Piloten.

Marquez wird reifen, sich die ein oder andere Aktion besser überlegen, am Ende aber trotzdem er selbst bleiben und mit spektakulären Slides und krassen Überholmanövern beeindrucken. Hoffentlich bleiben die Knochen aller Beteiligten heil, denn dann dürfte dieser Nachwuchsfahrer nicht nur weiterhin sämtliche Rekorde brechen, sondern eines Tages vielleicht auch das neue Aushängeschild der MotoGP werden. Ein Rossi wird schließlich nicht bis zum Rentenalter konkurrenzfähig fahren können. Möglicherweise war genau das die Intention der Dorna, als sie zu Marquez Gunsten noch vor der aktuellen Saison die Rookie-Regel abgeschafft und den talentierten Spanier ins Honda-Werksteam gelassen haben. Dem 20-Jährigen stehen alle Türen offen und schließlich wusste schon Werner von Siemens: "Es kommt nicht darauf an, mit dem Kopf durch die Wand zu rennen, sondern mit den Augen die Tür zu finden."