Den Äbten ist ein Transfer-Coup auf dem Fahrermarkt der Formel E gelungen: Lucas di Grassi kehrt nach zwei Jahren Abwesenheit zum Rennstall aus Kempten zurück. Der Brasilianer wechselt von Mahindra und bestreitet die Saison 2024 an der Seite des Schweizers Nico Müller. Mit Abt Sportsline, das in der Elektro-WM auf Autobauer Cupra als Namenssponsor setzt, gewann di Grassi 2017 die Fahrer- und 2018 die Team-Meisterschaft.

Bei Abt-Cupra trifft di Grassi nicht nur auf viele vertraute Gesichter aus vergangenen Zeiten, sondern auch auf den ihm leidlich bekannten Mahindra-Antriebsstrang. Das deutsche Traditions- und langjährige Audi-Werksteam war 2023 nach einem Jahr Auszeit in die Formel E zurückgekehrt und hatte auf Kundenautos des indischen Automobilgiganten vertraut. Am Ende dieser Saison belegten Mahindra und Abt-Cupra die letzten Plätze in der Team-Wertung...

Lucas di Grassi: Mahindra-Trennung wegen unterschiedlicher Visionen

Di Grassi avancierte nach zuvor sieben aufeinanderfolgenden Jahren bei den Äbten an der Seite von Daniel Abt (2014-2020) und Rene Rast (2020-2021) zum Wandervogel der Formel E: 2022 startete er für Venturi (heute Maserati) und ging 2023 nach nur einem Jahr zu Mahindra. Vom indischen Rennstall, der nächste Saison auf Rückkehrer und Ex-Weltmeister Nyck de Vries sowie Edoardo Mortara ("Ich habe mit Abt nie wirklich über einen Wechsel gesprochen") setzt, trennte sich di Grassi laut eigener Aussage "wegen unterschiedlicher Perspektiven und Visionen".

Mit di Grassis Abt-Comeback als Nachfolger von Robin Frijns und der Weiterbeschäftigung von Müller (kuriert aktuell eine Verletzung am Schlüsselbein aus) ist das Starterfeld für die zehnte Saison der Formel E und die zweite mit den Gen3-Rennwagen annähernd komplett. Nur Porsche hat sein Fahrer-Duo noch nicht offiziell bekanntgegeben, Pascal Wehrlein und Antonio Felix da Costa gelten aber weiter als gesetzt.

Di Grassis Wechsel beschließt eine umfängliche Transfer-Woche in der Formel E rund drei Wochen vor den offiziellen Vorsaison-Testfahrten in Valencia (24.-27. Oktober). In den Tagen zuvor hatte Mahindra mit de Vries und Mortara - wie von Motorsport-Magazin.com vorab exklusiv berichtet - ein runderneuertes Aufgebot präsentiert. Bei Maserati folgt Rookie Jehan Daruvala auf Mortara an die Seite von Maximilian Günther. Zuletzt gab DS Penske die Weiterverpflichtung der beiden Champions Stoffel Vandoorne und Jean-Eric Vergne bekannt.

Lucas di Grassi kehrt in der Formel E zu Abt Sportsline zurück
Lucas di Grassi und Abt-Teamchef Thomas Biermaier kennen sich seit vielen Jahren, Foto: Abt Sportsline

Hans-Jürgen Abt: "Di Grassi eine absolute Größe in Formel E"

"Wir sind glücklich, dass es uns gelungen ist, Lucas wieder in unser Team zu holen - er war und ist ein guter Freund unserer ganzen Mannschaft und außerdem seit zehn Jahren eine absolute Größe in der Formel E", sagt Hans-Jürgen Abt, CEO der Abt-Gruppe. Der Kemptener Rennstall ist seit Jahren bekannt dafür, langfristig auf vertraute Gesichter zu setzen. Die enge Verbundenheit zu di Grassi zeigten die Äbte 2021 auf besondere Weise, als sie ihm zum Abschied einen Gaststart in der DTM mit einem Audi R8 LMS GT3 in seinem alten Formel-E-Design ermöglichten.

Di Grassi und die Äbte - das war eine echte Erfolgs-Kombination in den ersten Jahren der Formel E. Der 39-Jährige gewann am 13. September 2014 das allererste E-Rennen in Peking und ließ bis heute zwölf weitere Siege - einen davon mit Venturi - folgen. Mit 13 Siegen hat di Grassi zusammen mit Sebastien Buemi die meisten aller Fahrer in der Geschichte der Formel E auf dem Konto. Seine 40 Podestplätze - davon 35 für Abt-Audi - sind alleiniger Rekordwert in den ewigen Statistiken. Di Grassi war und ist obendrein der erste Fahrer, der die Schallmauer von 1.000 Punkten knacken konnte.

"Es fühlt sich einfach nur großartig an, wieder zurück bei Abt zu sein", sagt di Grassi. "Mit diesem Team habe ich nicht nur zwei Titel gewonnen, sondern verbinde auch unendlich viele Erinnerungen mit all den Menschen, die dort mit so viel Leidenschaft arbeiten. Es ist aufregend, nach zwei Jahren zurückzukehren, und ich freue mich sehr auf die Zusammenarbeit. Gemeinsam werden wir alles geben, um Schritt für Schritt wieder die Ergebnisse zu erreichen, die die ganze Mannschaft verdient."

Lucas di Grassi: Der Rekordmann der Formel E

StatistikErfolge
Rennen115 seit 2014
Siege13
Podestplätze40
Pole Positions4
Schnellste Rennrunden12
Punkte1.041
Meisterschaften2017

Di-Grassi-Sensation - Mahindra-Debakel

Dass di Grassi auch im für einen Profi gehobenen Alter das Rennfahren längst nicht verlernt hat, bewies er in der abgelaufenen Saison. Beim Auftakt in Mexiko-City, als nur wenige Teams mit dem nahezu unbekannten Gen3-Auto aussortiert waren, fuhr er sensationell aufs Podium. Es sollte der einzige Erfolg für das brutal strauchelnde Mahindra-Team bleiben. In den folgenden 15 Rennen schaffte es di Grassi nur noch zweimal in die Punkteränge. Für seine Teamkollegen Oliver Rowland bzw. Nachfolger Roberto Merhi lief es noch enttäuschender.

Der Mahindra-Antriebsstrang sowie die Software waren das schwächste Gesamtpaket in der Formel E und Top-Herstellern wie Jaguar oder Porsche heillos unterlegen. Dass am Saisonende selbst das kleine Team NIO 333 in der Meisterschaft besser platziert war, kam einem Schlag ins Gesicht gleich. Für einen Paukenschlag sorgten die Äbte ausgerechnet beim Heimspiel in Berlin, als der zwischenzeitlich verletzte Robin Frijns (jetzt bei Envision-Jaguar) und Teamkollege Müller im Regen eine Doppel-Pole erzielten.

Formel-E-Champion 2017 mit Abt: Lucas di Grassi, Foto: Abt Sportsline
Formel-E-Champion 2017 mit Abt: Lucas di Grassi, Foto: Abt Sportsline

Nico Müller einer der heimlichen Gewinner

Müller war es dann, der Abt in Berlin die ersten Rennpunkte der Saison bescherte. Der zweifache DTM-Vizemeister fuhr in Rom und London mit dem zumeist chancenlosen Mahindra-Kundenauto zwei weitere Male in die Punkteränge und zählte damit unter Experten zu den heimlichen 'Gewinnern' des Jahres. Müller, der parallel für Peugeot in der WEC an den Start geht, und Neu-Teamkollege di Grassi dürften jedoch weitaus höhere Ambitionen verfolgen. Gelingt Mahindra trotz der für zwei Jahre eingefrorenen Technik ein spürbarer Performance-Fortschritt, von dem auch die Äbte profitieren würden?

"Wir wissen um die große Herausforderung, als kleines Kundenteam gegen die internationale Konkurrenz zu kämpfen", sagt Thomas Biermaier, Abt-CEO und Teamchef. "Umso mehr zählen für uns Erfahrung, technisches Know-how und volle Leidenschaft für das gemeinsame Projekt - mit Lucas haben wir dafür den perfekten Mann für die Zukunft an Bord."

Formel-E-Starterfeld 2024: Offiziell bestätigt

TeamFahrer 1Fahrer 2
Porsche??
Abt-MahindraLucas di GrassiNico Müller
Envision-JaguarRobin FrijnsSebastien Buemi
JaguarNick CassidyMitch Evans
Andretti-PorscheJake DennisNorman Nato
DS PenskeStoffel VandoorneJean-Eric Vergne
Maserati-DSMaximilian GüntherJehan Daruvala
NissanSacha FenestrazOliver Rowland
McLaren-NissanJake HughesSam Bird
NIO 333Dan TicktumSergio Sette Camara
MahindraNyck de VriesEdoardo Mortara