Neues ist immer spannend. Das gilt insbesondere für die Formel E, die am vergangenen Wochenende ihre Premiere feierte. Im Vorfeld gab es nicht wenige Zweifler an der Elektro-Serie. Ist das richtiger Rennsport? Was soll das mit dem Fan-Boost? Ein Autowechsel mitten im Rennen? Die Formel E sorgte mit ihrem mehr als unüblichen Format für zahlreiche Fragezeichen bei Experten und Fans. Motorsport-Magazin.com zieht nach dem ersten Rennen in Peking eine Bilanz zu den wichtigsten Themen.

Die Technik

Funktionierte. Größtenteils. Es hätte viel schlimmer kommen können, das hat man bei Rennserien mit komplett neuen Autos häufig genug erlebt. Hier kann sich die Formel E auf die Schulter klopfen, in der Startaufstellung kamen fast alle Autos gut weg. Vier Strafen wegen Getriebewechseln nach dem Qualifying trübten das Bild ein wenig. Vor allem, weil die definitive Startaufstellung erst unmittelbar vor dem Rennstart kommuniziert wurde.

Hier und da gab es technische Probleme, etwa bei Karun Chandhok und seiner überhitzten Batterie, die ihn gegen Rennende heimsuchte. Auch Senna, Jarno Trulli und Sebastien Buemi kamen technisch nicht unbeschadet durch das kurze Wochenende. Da alle Sessions am Samstag stattfanden, hatten die Teams kaum Zeit, auf schwerwiegende Probleme zu reagieren. Alles in allem leisteten die Teams allerdings gute Arbeit in Sachen Fehlerbehebung.

Foto: FIA Formula E
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Der Fan-Boost

Ein sehr streitbares Thema, vor allem unter den Motorsport-Puristen. In Peking kamen Bruno Senna, Lucas di Grassi und Katherine Legge in den vermeintlichen Genuss des Fan-Boost. Vor dem Rennen wurde spekuliert, welchen Einfluss der Zusatz-Boost von 30 kW haben würde.

Das Ende vom Lied: Senna musste in der ersten Runde nach einem Unfall aufgeben und konnte den Fan-Boost gar nicht erst einsetzen. Di Grassi verzichtete gleich ganz auf den Einsatz aus Angst, seinen erlaubten Energie-Verbrauch zu übersteigen und eine Strafe zu kassieren. Legge fuhr komplett im Niemandsland, bei ihr ließ sich der Effekt nicht einschätzen. Zumindest in Peking also viel Wirbel um Nichts.

Etwas unglücklich: Erst am Wochenende kam heraus, dass die Fahrer den Boost nicht in der ersten Runde benutzen dürfen. Zuvor war spekuliert worden, dass die drei Fahrer mit Fan-Boost ihren 'Schuss' schon beim Start nutzen, um sich den bestmöglichen Vorteil zu verschaffen. Eine Folge des extrem spät veröffentlichten Reglements. Positiv: die Resonanz auf die Fan-Boost-Möglichkeit. Zahlreiche Fahrer agierten in den sozialen Netzwerken ständig mit den Fans, um den Boost zu ergattern. So etwas wünscht man sich in gewissen anderen Formel-Serien auch...

Foto: FIA Formula E
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Der Autowechsel

Kein Reifen- oder Fahrerwechsel - in der Formel E wird das komplette Auto getauscht. Klang im Vorfeld mehr als kurios, funktionierte in Peking aber sehr gut. Wie beim Reifen-Stopp in anderen Serien, brachte der Wechsel in der Boxengasse auch hier Spannung mit sich.

An einigen Ecken hakte es etwas, wodurch es zu Positionswechseln in der Box kam. So verbesserte sich etwa Nick Heidfeld vom vierten auf den zweiten Platz. Das große Chaos in der Box blieb aus, stattdessen taktierten die Teams mit Autowechseln in unterschiedlichen Runden. Definitiv ein Spannungsfaktor im Rennen und keine nervige Prozedur.

Formel E: Horror-Crash von Nick Heidfeld in Peking: (03:28 Min.)

Die Autos

Cool sehen sie schon aus, die Formel-E-Boliden. Das passt zum jungen Image der Serie. Selten war ein Grid bunter. Der Sound? Reine Geschmacksache. "Es ist eine neue Technologie und eine neue Herausforderung - warum muss man immer vergleichen?", so Alain Prost in einem Gespräch mit Motorsport-Magazin.com. "Warum sollten wir uns verpflichtet fühlen, mehr Sound hinzuzufügen?" Recht hat er, der Professor.

Im Rennen wirkten die Boliden nicht allzu schnell - schon fast ein wenig lahm. Absolut kein Vergleich zur Formel 1, doch das war auch nicht das Bestreben der Formel E. Im Renntrim waren die Boliden noch eine ganze Spur langsamer als im Qualifying. Niemand wusste genau, wie lange die Batterien halten würden. Ein Plus der Elektro-Renner: Im Ernstfall scheinen sie sicher zu sein. Schön zu sehen nach Nick Heidfelds Unfall in der letzten Runde, als der Deutsche durch die Luft segelte, sich aber nicht schlimmer verletzte. Dass beim einen oder anderen Mauerkontakt gleich ein Heckflügel abfiel, wirkte hingegen etwas unglücklich.

Foto: FIA Formula E
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Das Racing

Besser als erwartet. So fiel zumindest das allgemeine Fazit zum ersten Rennen der Formel E aus. Waren die ersten Runden noch etwas zäh, ging es später richtig unterhaltsam zur Sache. Ein Hingucker war Franck Montagny, der vom achten auf den zweiten Platz stürmte und dabei gutes Racing zeigte. Rad-an-Rad-Kämpfe gab es im gesamten Feld - und das auf einem Stadtkurs, der am Ende jedoch breiter ausfiel als erwartet.

Auf dem Papier sah das Streckenlayout etwas langweilig aus, doch Schikanen auf dem Stadtkurs sorgten für zusätzliche Spannung. Da die Autos sowieso für Straßenrennen konzipiert sind, brauchte es auch keine ellenlangen Geraden oder langsamen Kurven - Topspeed steht in der Formel E völlig im Hintergrund. Die Fahrer hatten während des Rennens auf jeden Fall keine Langeweile.

Der Drittplatzierte Sam Bird brachte es schon vor der Premiere gegenüber Motorsport-Magazin.com auf den Punkt: "Das hier ist keine Mickey-Mouse-Serie. Man muss sich doch nur die Namen der Teams und Fahrer anschauen, die hier mit dabei sind. Warum sollten die wohl alle mitmachen, wenn das keine Top-Meisterschaft wäre?"

Redaktionskommentar

Motorsport-Magazin.com meint: Ich hatte die Premiere der Formel E mit Spannung und einer gehörigen Portion Skepsis erwartet. Nach Peking muss ich sagen: Ich fühlte mich äußerst gut unterhalten. Besonders den Autowechsel fand ich spannend, so etwas hatte ich auch noch nicht gesehen. Leider musste ich vergeblich auf den Einfluss des Fan-Boost warten - vielleicht ja im nächsten Rennen.

Vom Fahrer-Lineup war ich sowieso begeistert. Heidfeld gegen Senna gegen Prost und Co. - das hatte schon was. Daumen rauf! Nicks heftiger Unfall war - man muss es leider sagen - war das Beste, was der Formel E passieren konnte. So stand die Serie voll im Rampenlicht. Schade eigentlich, dass jetzt zwei Monate Pause ist. Ein weiteres Rennen in den nächsten ein, zwei Wochen hätte nicht geschadet. (Robert Seiwert)