Aller guten Dinge sind vier: Bei den letzten beiden Veranstaltungen der DTM-Saison 2021 auf dem Hockenheimring (01. bis 03. Oktober) und auf dem Norisring (08. bis 10. Oktober) wird das Abt-Team einen vierten Audi R8 LMS GT3 in die Rennen schicken. Der Pilot ist niemand Geringerer als Lucas di Grassi, langjähriger Abt-Pilot und Audi-Werksfahrer in der Formel E. Damit bestätigen sich nur 24 Stunden später Spekulationen, über die Motorsport-Magazin.com am Sonntagabend exklusiv berichtete.

Die Brasilianer gehörte sieben Jahre lang zum Abt- und Audi-Aufgebot in der Elektrorennserie. Erst in der vergangenen Woche wurde sein Wechsel zum monegassischen Formel-E-Team Venturi bekannt.

Mit den vier Gaststarts, je zwei auf dem Hockenheimring und auf dem Norisring, wollen sich die Äbte bei ihrem ehemaligen Fahrer bedanken. "Wir haben lange darüber nachgedacht, was wir Lucas zum Abschied schenken können und wie wir unsere gemeinsame Reise ein wenig fortsetzen können", sagt der geschäftsführende Gesellschafter Hans-Jürgen Abt. "Dabei kam uns die verrückte Idee, Lucas einen Einsatz in der DTM zu ermöglichen - nun werden sogar zwei Einsätze und insgesamt vier Rennen daraus."

Der besondere Clou: Di Grassis GT3-Sportwagen mit der Startnummer 37 ist in den Farben seines Formel-E-Rennwagens aus der Saison 2016/17 gehalten, in der er die Meisterschaft für sich entschied. Die Startnummer ist angelehnt an den Geburtstag seines Sohnes Leonardo am 3.7., dem der Brasilianer drei Wochen vor seiner Geburt seinen Sieg beim Formel-E-Rennen in Zürich gewidmet hat.

Der Audi R8 LMS ist für ihn nicht unbekannt. Di Grassi bestritt unter anderem 2017 den GT World Cup in Macau mit dem Team HCB-Rutronik Racing. Auch den Hockenheimring und den Norisring kennt der 37-Jährige von Einsätzen in der Vergangenheit. Bei Gaststarts im Audi Sport TT Cup auf dem Stadtkurs in Nürnberg belegte er 2016 die sensationellen Plätze eins und zwei.

Di Grassi hofft auf gemeinsame Zukunft mit Abt

"Dieses Ding ist typisch Abt", sagt Lucas di Grassi, der alle bisherigen 84 ePrix für Abt bestritten hat und gemeinsam mit Sam Bird Rekordstarter in der Formel E ist. "So eine Beziehung findet man in der heutigen Welt nur noch selten. Gemeinsam mit Abt Sportsline hatte ich eine fantastische Zeit in der Formel E und habe bis zuletzt gehofft, die Zusammenarbeit auch nach dem Ausstieg von Audi aus der Formel E fortsetzen zu können. Nachdem das für Saison 8 am Ende leider nicht geklappt hat, freue ich mich sehr, dass wir unsere gemeinsame Reise jetzt an zwei DTM-Wochenenden fortsetzen. Das ist auch ein Zeichen, dass wir in der Zukunft hoffentlich noch viel vorhaben."

DTM: Lucas di Grassis Botschaft vor seinen Gaststarts (00:44 Min.)

Der grandiose Einfall ist auch dem ABT-Marketingchef zu verdanken. "Möglich gemacht haben diese einzigartige Aktion unsere tollen Partner, die alle sofort spontan zugesagt haben, als wir ihnen unsere nicht ganz alltägliche Idee präsentiert haben", freut sich vor allem Harry Unflath. "Ich bin stolz darauf, dass wir mit Fujitsu, H&R, HYLA, Gullwing, KUKA, Remus, Schaeffler, Scherer, SONAX, SÜDPACK und Würth Elektronik so fantastische Partner haben, mit denen man selbst solche spontanen Aktionen umsetzen kann. Danke auch an Riga Mainz, die uns ihr Auto für diese Aktion ausleihen."

Das Unternehmen mit Sitz in Mainz hat sich als zuverlässiger Partner rund ums Heben, Bewegen und Transportieren einen Namen gemacht und einen neuen Audi R8 LMS gekauft, den der ehemalige ABT-Fahrer Nico Müller bei Taxifahrten pilotiert. "Ohne Nico, ein Freund von Sponsor Riga Mainz, wäre der DTM-Einsatz von Lucas nicht zustande gekommen", betont Abt-Teamchef Thomas Biermaier gegenüber Motorsport-Magazin.com.

Thomas Biermaier, Lucas di Grassi, Hans-Jürgen Abt und Harry Unflath bei m Audi-Fitnesstraining 2014 auf Lanzarote, in dessen Rahmen der Brasilianer seinen Formel-E-Vertrag mit dem damaligen Privatteam Abt Sportsline fixierte, Foto: Abt Sportsline
Thomas Biermaier, Lucas di Grassi, Hans-Jürgen Abt und Harry Unflath bei m Audi-Fitnesstraining 2014 auf Lanzarote, in dessen Rahmen der Brasilianer seinen Formel-E-Vertrag mit dem damaligen Privatteam Abt Sportsline fixierte, Foto: Abt Sportsline

"Lucas ist nur eine Leihgabe", lautet Biermaiers Botschaft an di Grassis neue Teamchefin Susie Wolff. Möglich wäre eine Rückkehr zum Team Abt Sportsline 2023, wenn die Verantwortlichen der DTM ihre geplante Elektrifizierung umsetzen. "Das werden zwei sehr emotionale DTM-Wochenenden für uns", ist der Abt-CEO überzeugt. Denn der Vize-Weltmeister der WEC-Saison 2016 wird bei beiden Einsätzen auf bekannte Gesichter treffen. Sein langjähriger Formel-E-Renningenieur Markus Michelberger wird den Ausflug in die traditionsreiche Rennserie ebenso betreuen wie einige seiner Formel-E-Mechaniker.

Di Grassi, der mit Audi drei Mal auf das Podest beim 24-Stunden-Rennen in Le Mans fuhr, ist Klimabotschafter der Vereinten Nationen (UN) und ein Anhänger der emissionsfreien Mobilität. Im Zuge seines Engagements wird jeder Kilometer, den er bei seinen DTM-Gastspielen über seinen Partner Moss kompensiert.

Seine Leidenschaft für Technik und Innovation nimmt auch in di Grassis Privatleben eine wichtige Rolle ein. Als Gründungsmitglied und Berater von Roborace treibt er die Entwicklung des autonomen Fahrens voran. Ein weiteres Projekt des bei den Medien als authentischer Gesprächspartner, der selten ein Blatt vor den Mund nimmt, und bei Fans, weil er fast jeden Wunsch nach einem Foto oder einer Unterschrift erfüllt, beliebt ist, ist die eSkootr Championship (eSC), eine Rennserie mit elektrischen Scootern. Als Mitbegründer und Nachhaltigkeits-Botschafter der Serie treibt di Grassi seit 2020 die zukunftsfähige Mikromobilität in den Städten an.

Auf den Rennstall aus dem Allgäu kommt mit dem Di-Grassi-Einsatz eine zusätzliche Herausforderung zu. Schließlich müssen die Verantwortlichen neben den R8 der Stammfahrer Mike Rockenfeller, Kelvin van der Linde und Sophia Flörsch nun noch ein viertes Auto betreuen.

Testmöglichkeit für di Grassi in Hockenheim

Bei privaten Testfahrten auf dem Hockenheimring wird sich der Routinier am Mittwoch dieser Woche auf seinen Einsatz in der DTM ebenso vorbereiten wie die Stammfahrer van der Linde und Rockenfeller. Damit es auf dem engen Straßenkurs in Nürnberg nicht zu bösen Überraschungen von unerfahrenen Serienneulingen kommt, hatte die DTM-Dachorganisation ITR potenziellen Gaststartern zur Auflage gemacht, vor dem Saisonfinale mindestens das Rennwochenende in Hockenheim bestreiten zu müssen.

Nachdem Motorsport-Magazin.com im Fahrerlager von Assen erstmals von Gerüchten über einen vierten Abt-R8 erfahren hatte, erkundigten wir uns bei den mehrfachen DTM-Champions Mattias Ekström und Rene Rast, ob sie an den verbleibenden vier Rennen der Saison teilnehmen würden. Sie dementierten unsere Anfragen, was die Spekulationen um den bis heute geheim gehaltenen Piloten zusätzlich anheizte.