Die Formel E startete mit einem Paukenschlag ins sechste Rennwochenende der Saison 2024. Rund neuneinhalb Minuten vor dem Ende des ersten Freien Trainings am Samstagmorgen, kam McLaren-Nissan-Pilot Sam Bird in Kurve 1 von der Strecke ab und schlug in die Barrieren ein. Bird konnte scheinbar unbeschadet aussteigen, doch im internationalen TV war schon bald darauf zu sehen, wie der Brite seine linke Hand argwöhnisch beäugte.
Kurz darauf stand fest: Bird würde das restliche Wochenende in Monaco nicht bestreiten können. "Nach seinem Zwischenfall auf der Strecke gibt es Anzeichen für eine mögliche Handverletzung, die weiterhin medizinisch versorgt werden muss", hieß es in einer Mitteilung von McLaren. "Sam wird ein Krankenhaus aufsuchen, um eine Röntgenaufnahme zu machen, welche dabei helfen soll, die Art der Verletzung zu klären", las sich das Statement weiter.
Nicht die erste Handverletzung in der Formel E
Es ist nicht das erste Mal in der jüngeren Vergangenheit der Formel E, dass ein Fahrer aufgrund einer Handverletzung zum Pausieren gezwungen wird. Zuletzt ereilte Robin Frijns das gleiche Schicksal beim Debüt der Gen3-Autos in Mexiko 2023. Der damalige Abt-Cupra-Pilot hatte sich Brüche an der Hand sowie am Handgelenk zugezogen und musste operiert werden. "Der Knochen ragte aus meiner Hand heraus, kein Spaß", ließ Frijns damals verlautbaren. Der Niederländer verpasste in der Folge drei Rennwochenenden, bei denen Kelvin van der Linde einsprang.
In der restlichen Saison 2023 wurde es nur wenig ruhig um die Thematik. In Sao Paulo zog sich etwa Sebastien Buemi einen Handbruch zu. Der Schweizer konnte jedoch schnell wieder ins Cockpit zurückkehren und verpasste kein Formel-E-Rennen. Und auch in Monaco selbst gab es im vergangenen Jahr einen Schreckmoment. Oliver Rowland verletzte sich bei seinem letzten Start für Mahindra ebenfalls an der Hand, entging jedoch einem Knochenbruch.
Auch Sam Bird selbst machte in der Vergangenheit bereits seine Erfahrungen mit Handverletzungen. Beim vorletzten Rennwochenende 2022 in London zog sich Bird einen Mittelhandbruch zu und verpasste mit dem Saisonfinale im südkoreanischen Seoul zum ersten Mal in seiner Karriere ein Formel-E-Rennen. Bei diesem verletzte sich dann zu allem Überfluss auch noch Antonio Giovinazzi im Samstagsrennen an der Hand und verpasste den Sonntagslauf.
Warum das Gen3-Auto das Risiko von Handverletzungen verstärkt
Verletzungen an der Hand sind also mitnichten ein reines Problem der Gen3-Autos, die seit 2023 im Einsatz sind. Die Boliden verstärken jedoch das grundsätzliche Problem. Wegen des zusätzlichen Gewichts durch den zur Gen3-Ära neuen Frontmotor und der fehlenden Servolenkung, ist die Lenkung sehr schwergängig. Dadurch müssen die Fahrer ihre Lenkräder mit großer Anstrengung halten, weshalb noch höhere Kräfte wirken und es schwieriger wird, bei einem plötzlichen Kontakt rechtzeitig das Lenkrad loszulassen.
Beim Frontmotor kommt es im nächsten Jahr mit den Gen3-Evo-Autos zu einer Neuerung. Dieser kann nun nicht mehr nur zur Energierückgewinnung eingesetzt werden, sondern zu bestimmten Zeitpunkten auch zur Beschleunigung. Alle Details zu den neuen Formel-E-Boliden lest Ihr in diesem Artikel:
Aufgrund des bekannten Problems gibt es schon länger Forderungen nach einer Servolenkung. "Motorsport ist gefährlich und das Risiko kann man nie ganz verbannen. Aber man kann es verringern", hatte etwa Jean-Eric Vergne gegenüber Motorsport-Magazin.com beim Berlin ePrix im April 2023 erklärt. "Ich habe schon das Gefühl, dass wir in einem sicheren Auto fahren. Es wäre aber auf jeden Fall besser, in Zukunft eine Servolenkung zu haben", so der zweimalige Formel-E-Champion damals.
Das ist der Bird-Ersatz
Durch die Bird-Verletzung kommt in Monaco McLaren-Ersatzfahrer und Formel-2-Pilot Taylor Barnard unverhofft zu seinem Formel-E-Renndebüt. Der 19-Jährige testete zuvor bereits für McLaren bei den Vorsaison-Testfahrten in Valencia im Oktober 2023 sowie beim sogenannten 0. Freien Training in Misano vor zwei Wochen. In diesem durften lediglich Piloten ohne ePrix-Erfahrung zum Einsatz kommen, von denen Barnard die schnellste Rundenzeit fuhr.
Nachdem der Brite im zweiten Freien Training nur kurz Gelegenheit erhielt, sich mit den Bedingungen in Monaco vertraut zu machen, ging es direkt ins Qualifying. Wenig überraschend blieb Barnard in diesem chancenlos. In seiner Qualifying-Gruppe fuhr er die langsamste Rundenzeit und geht bei seinem ePrix-Debüt vom letzten Startplatz ins Rennen. Auf den zweitlangsamsten Fahrer seiner Gruppe, Dan Ticktum im ERT, fehlten Barnard mehr als sieben Zehntelsekunden. Auf Teamkollege Jake Hughes, der 16. wurde, hatte Barnard 1,174 Sekunden Rückstand.
In seiner bisherigen Karriere ging Barnard bisher nahezu ausschließlich in Formel-Nachwuchsserien an den Start, nachdem er 2020 aus dem Kartsport aufgestiegen war. Highlights blieben bisher die Vizemeisterschaft in seiner ersten vollen Saison in der ADAC Formel 4 im Jahr 2022, sowie die Vizemeisterschaft in der Formula Regional Middle East 2023 und 2024.
In der vergangenen Saison ging Barnard zudem mit dem Hinterbänkler-Team Jenzer in der Formel 3 an den Start und konnte mit einem Sieg im Hauptrennen von Spa Rang zehn in der Meisterschaft erreichen. 2024 bestreitet Barnard seine Rookie-Saison in der Formel 2 mit PHM Racing und steht nach drei Rennwochenenden noch punktlos da.
McLaren muss auch für Barnard Ersatz finden
In Folge des Fahrerwechsels in Monaco, muss das Formel-E-Team von McLaren auch Barnard selbst ersetzen. Denn dieser sollte ursprünglich beim Rookie-Test in Berlin in zwei Wochen bei McLaren zum Einsatz kommen. Da Barnard nun jedoch über ePrix-Erfahrung verfügen wird, darf der Nachwuchsfahrer nicht mehr an dem Rookie-Test teilnehmen.
Für Bird selbst bedeutet der Ausfall in Monaco ein weiteres Kapitel in der anhaltenden Abwärtsspirale des 37-Jährigen. Nachdem er Mitte März in Sao Paulo überraschend seinen ersten Formel-E-Sieg seit mehr als zwei Jahren einfuhr, holte Bird nur noch einen WM-Zähler. Dadurch fiel der 12-fache ePrix-Sieger in der Fahrer-WM auf Rang acht zurück. Auf den WM-Führenden Pascal Wehrlein fehlen Bird nach dem Monaco-Qualifying 54 Punkte. Im teaminternen Duell führt er hingegen noch mit 38:25 Punkten gegenüber Jake Hughes.
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