Er kam um Viertel nach Zehn durch das Drehkreuz in den Paddock, 20 Minuten nach Fernando Alonso. Natürlich herrschte ein Riesenauflauf rund um den roten Helden. Danach ging es zu seinem letzten Meeting, dem letzten Mittagsschlaf, der letzten Massage, der letzten Fahrerparade und dem letzten Shakehand-Foto mit Alonso. Eine knappe halbe Stunde vor seinem letzten Start rollte er langsam in die Startaufstellung, Erinnerungen an das vermurkste Qualifying vom Vortag wurden wach. Doch Schumachers 248 F1 hatte ein neues Innenleben: Die Benzinpumpe und deren Drumherum, samt eines Temperatursensors, waren erneuert worden. Gute zehn Minuten vor dem Start bekam Schumacher von Pelé seinen letzten Pokal für die Leistungen in der Formel 1 überreicht. Die letzten 71 Runden in der Karriere des Michael Schumacher konnten beginnen.

Das letzte Rennen

Und wie sie begannen: Zum Abschluss lieferte Michael Schumacher wenigstens in den ersten 11 Runden noch einmal ein wahres Feuerwerk. Vorne zischte Felipe Massa von der Pole in Führung, dahinter ging es jedoch hoch her. Michael Schumacher versuchte schon in der ersten Kurve innen an beiden BMW Sauber vorbeizugehen. Doch die zogen herein und verfehlten den Deutschen nur um Haaresbreite. Schumacher musste sogar über den Randstein ausweichen. Wenig später knackte er die weiß-blaue Wand: Kubica drängte Heidfeld heraus und machte damit Platz für den Ferrari mit der Startnummer 5.

Kurz dahinter schepperte es kräftig: Auch die beiden Williams-Piloten gerieten aneinander. Rosberg fuhr Webber ins Heck. Beide schieden aus - die Ära Cosworth endete mit einem Doppelausfall und einem Knalleffekt: Rosberg krachte auf dem Rückweg zur Box heftig in die Mauer und verursachte damit eine Safety Car-Phase. Zuvor schnappte sich Schumacher sowohl seinen Bruder Ralf Schumacher als auch Rubens Barrichello. Damit lag er bereits auf Platz 6 hinter Massa, Räikkönen, Trulli, Alonso und Fisichella. Den Italiener wollte er nach dem Re-Start knacken. Nach zehn Runden zog er aus dem Windschatten des Renault, ging im Senna S vorbei und musste Fisichella urplötzlich mit schlingerndem Heck wieder passieren lassen - Reifenschaden!

Wie am Vortag humpelte Schumacher mit einem lädierten Auto an die Box zurück, musste alle Konkurrenten ziehen lassen und war nach dem Notstopp nur noch 18., kurz vor der Überrundung durch seinen Teamkollegen. Die Träume vom Abschiedssieg waren jäh zerplatzt. Die letzten 60 Runden des Michael Schumacher verkamen zu einer Daueraufholjagd, einem Kampf mit schwerem Auto gegen alles und jeden. Durch die Boxenstopps der Konkurrenten und einige Überholmanöver kämpfte er sich Platz für Platz in Richtung Punkteränge.

Auf dem Weg dorthin zog als Letzter Nick Heidfeld im deutsch-deutschen Duell den Kürzeren. 34 Runden vor dem Ende war Schumacher wieder in den Punkten und fuhr eine schnellste Rennrunde nach der anderen. So hatte auch Kubica keine Chance. Schumacher war auf Platz 7, aber nur für wenige Sekunden, dann ging Kubica dank eines Fahrfehlers wieder vorbei. Allerdings sollte das nicht lange so bleiben, bevor Schumacher sich den Polen erneut vornahm. Das nächste Ziel war bereits Massas Verfolgergruppe von Platz 2 bis 6.

In der 47. Runde fuhr er dann zu seinem letzten planmäßigen Boxenstopp herein. Nach 7,7 Sekunden ging es wieder auf die Jagd. Vor ihm lag sein Ex-Teamkollege Rubens Barrichello. Aber auch er war gegen Schumacher machtlos. Nun war er wieder ganz am Anfang des Rennens angekommen. Er lag als Sechster hinter dem Fünften Fisichella. Im ersten Anlauf kam ihm ein überrundeter Super Aguri in die Quere, im zweiten Anlauf machte Schumacher einen Fehler und verlor den Anschluss, beim dritten Anlauf verbremste sich Fisichella und schenkte Schumacher so Platz 5. Der nächste Gegner auf der Abschieds-Tournee war Kimi Räikkönen, sein Nachfolger bei Ferrari. Der Finne ließ sein Schicksal aber nicht so einfach über sich ergehen, verteidigte Platz 4 auf der gesamten Streckenbreite. Doch drei Runden vor dem Ende hatte er keine Chance gegen einen fulminant auffahrenden Ex-Champion, der sich im Senna S innen am McLaren Mercedes vorbeiquetschte. Ein großartiger Schlusspunkt einer unvergleichlichen Karriere.

Das Rennen der anderen

Nach dem Reifenschaden bei Schumacher, konnten Massa, Räikkönen, Alonso und Fisichella an der Spitze schon einmal für das nächste Jahr üben: Sie fuhren weit abseits des scheidenden Champions ein Rennen für sich. Ein Rennen, in dem die ausstehenden WM-Entscheidungen bereits nach 11 Runden gefallen waren. Schumacher verlor das letzte Quäntchen Hoffnung auf den Fahrertitel, Ferrari verlor die letzte Chance auf den Konstrukteurstitel und Toyota verspielte mit einem zeitgleichen Doppelausfall von Ralf Schumacher und Jarno Trulli den 5. Platz in der Konstrukteurswertung, sehr zur Freude von BMW Sauber.

Die Freude wurde allerdings etwas getrübt. Schon am Start kamen sich die beiden Weiß-Blauen gegenseitig in die Quere, später fuhr Tonio Liuzzi Nick Heidfeld ins Auto. An der Spitze ließ Felipe Massa nichts anbrennen. Der Brasilianer fuhr einen ungefährdeten und absolut überlegenen Sieg heraus. Selbst der alte und neue Weltmeister, der jüngste Doppel-Champion aller Zeiten, hatte keine Chance gegen Massa. Immerhin reichte es für Alonso zu Rang 2. Allerdings fuhr er nur knapp vor Jenson Button über die Ziellinie. Platz 4 gehörte dem Star des Tages: Michael Schumacher. Die Punkteränge komplettierten Räikkönen, Fisichella, Barrichello und de la Rosa. Das letzte Saisonrennen des Jahres sah den ersten Sieg eines Brasilianers in der Heimat seit Ayrton Senna 1993 und den Abschied des erfolgreichsten Rennfahrers aller Zeiten.