Michael Schumacher. Wie beginnt man ein Portrait über den erfolgreichsten Formel 1-Piloten aller Zeiten? Was gibt es über jemanden noch zu schreiben, der alles gewonnen hat, was es in seiner Sportart zu gewinnen gibt? Was kann über ihn noch gesagt werden, das noch nicht in einem von unzähligen Artikeln, Portraits, Fernsehbeiträgen oder Büchern niedergeschrieben oder gesagt wurde? Wo soll man beginnen?

Vielleicht bei seiner unglaublichen Erfolgsgeschichte und seiner astronomischen Siegstatistik? Bei seinen 90 Grand Prix Siegen. Bei seinen 246 Grand Prix Teilnahmen. Bei seinen 153 Podestplätzen. Bei seinen 68 Pole Positions. Bei seinen 75 schnellsten Rennrunden. Bei seinen sieben Weltmeistertiteln. Bei seinen 1.354 WM-Punkten. Bei seinen 114 Startplätzen in der ersten Startreihe. Oder bei einem seiner anderen Rekorde aus einer schier unendlichen Liste an Bestwerten? Besser nicht, denn das machen nach der Ankündigung seines Rücktritts doch alle...

Er brach fast alle Rekorde., Foto: Sutton
Er brach fast alle Rekorde., Foto: Sutton

Sollten wir also besser den klassischen Einstieg wählen? Der 1,74 m große, gelernte Kfz-Mechaniker wurde am 3. Januar des schönen Jahres 1969 als Sohn eines Kartbahnpächters in Hürth-Hermülheim geboren... Nein, diese Variante wird dem besten F1-Piloten seiner Zeit und dem besonderen Anlass nun wirklich nicht gerecht.

Beginnen wir demnach lieber mit dem Moment seines größten Erfolges? Eine gute Idee, welche jedoch schon bald an ihre Grenzen stößt: Denn was war Michael Schumachers größter Erfolg? War es der Gewinn seines ersten Formel 1 WM-Titels, welchen er anno 1994 trotz einiger regeltechnischer Diskussionen und eines Unfalls im letzten Saisonrennen in Adelaide mit dem Benetton-Team erringen konnte?

Oder war es der Gewinn seines insgesamt dritten Fahrerweltmeistertitels im Jahr 2000, als er nach vielen Jahren der Aufbauarbeit zusammen mit der Scuderia Ferrari den WM-Pokal erstmals seit dem Jahr 1979 wieder nach Maranello holte? Oder war es überhaupt keiner seinen sieben Titelgewinne, sondern sein erster Grand Prix Sieg mit Benetton-Ford in seinem so genannten Wohnzimmer Spa-Francorchamps 1992? Die überlegenen Triumphfahrten in den Jahren 2002 und 2004? Oder sein erster Sieg in Rot im verregneten Barcelona 1996?

Michael & Corinna Schumacher stehen immer im Rampenlicht., Foto: Sutton
Michael & Corinna Schumacher stehen immer im Rampenlicht., Foto: Sutton

Diese Liste ließe sich wohl ewig fortsetzen und würde die Aufgabe eines perfekten Einstiegs wohl nie erfüllen. Also drehen wir den Spieß um und versuchen es mit dem Moment seiner größten Niederlage. Des schlimmsten Schocks in seiner sportlichen Karriere.

Aber auch hier ist die Auswahl überraschend groß: Waren es die Disqualifikationen und Betrugsvorwürfe zu Benetton-Zeiten? Die hitzigen Gefechte mit Damon Hill und Jacques Villeneuve auf und neben der Rennstrecke? Die Kollisionen in den WM-Finals von 1994 und 1997 sowie die anschließende Aberkennung des Vizeweltmeistertitels 1997? War es sein bislang schlimmster Unfall am 11. Juli des Jahres 1999 im britischen Silverstone, als er sich nach einem technischen Defekt in der ersten Rennrunde in der Stowe-Corner das rechte Schien- und Wadenbein brach? Oder war es gar die katastrophale Saison 2005, in welcher er erstmals seit 2000 seinen WM-Titel wieder verlor? Sogar seine Abschiedssaison lieferte mit dem Parkmanöver von Monaco und der überfahrenen roten Flagge in Ungarn zwei Tiefpunkte der langen Karriere des Kerpeners.

Womöglich ist es am besten einfach andere über ihn sprechen zu lassen, wenn man herausfinden möchte wer dieser Michael Schumacher wirklich ist. "Was soll ich sagen? Michael ist schnell, sogar unglaublich schnell. Und er ist engagiert, intelligent, topfit, und jederzeit bereit. Michael ist ohne jeden Zweifel der beste Fahrer mit dem ich je das Glück hatte zusammen arbeiten zu dürfen." So die Worte von Schumachers langjährigem Benetton- und Ferrari-Weggefährten Ross Brawn. Dem Mann, der Schumacher während der Rennen immer mit seinen genialen strategischen Schachzügen ins Ohr flüsterte.

Eine andere wichtige Seite des Seriensiegers beleuchtet sein enger Freund und Noch-Teamboss Jean Todt: "Die Scuderia ist seine zweite Familie. Wir beide verstehen uns auch ohne Worte. Michael trägt das Ferrari-Pferd in seinem Herzen und jeder bei Ferrari verehrt ihn geradezu grenzenlos."

Er hat sieben WM-Titel auf seiner Kappe., Foto: Sutton
Er hat sieben WM-Titel auf seiner Kappe., Foto: Sutton

Egal wie viele Statistiken, Erfolge, große oder auch niederschmetternde Momente man in der langen und glänzenden Karriere des Michael Schumacher aufspürt, der beste Weg - quasi die Ideallinie - um den Mann zu beschreiben, dessen offizielle Biographie aus der Feder seiner Pressedame Sabine Kehm einfach nur "SCHUMACHER" heißt, führt über jenen Michael Schumacher, den die meisten gar nicht kennen.

Es ist der Weg, der die allgemein verbreiteten Meinungen und Vorurteile über einen arroganten, überheblichen und kühl berechnenden Perfektionisten außen vor lässt und sich stattdessen auf jenen Michael Schumacher konzentriert, der sich als Familienmensch für Hilfsbedürftige einsetzt, Jahr für Jahr mehr oder minder öffentlich beachtet Millionenbeträge für Kinder in Not spendet und seine eigene Familie am liebsten weit weg vom künstlichen F1-Paddock weiß.

Wer ist dieser Kerpener? Er ist ein Mensch wie jeder andere auch. Ein liebender Familienvater. Und zufällig eben auch der erfolgreichste Formel 1-Pilot aller Zeiten. Obwohl Jacques Villeneuve glaubt, dass sich nach seinem Rücktritt niemand mehr an Schumacher erinnern wird, wird er für seine Fans und die Geschichtsbücher auch nach Brasilien 2006 unvergesslich und vor allem unersetzlich sein.