'Lift and Coast', manchmal abgekürzt mit 'LiCo', ist in der Formel 1 schon seit Jahren immer wieder ein Thema. 2025 sorgt Ferrari dafür, dass es wieder so präsent ist wie wohl schon seit über einem Jahrzehnt nicht mehr. Aber was genau tut ein Charles Leclerc oder Lewis Hamilton hier eigentlich? Und warum? Motorsport-Magazin.com erklärt.
Formel 1 erklärt: Was ist Lift and Coast?
Was genau Lift and Coast ist, das lässt sich an und für sich schon recht einfach aus dem Namen ablesen. Lift - vom Gaspedal gehen. Coast - ausrollen. Der Fahrer geht also früher als nötig vor einer Kurve vom Gas und anstatt sofort auf die Bremse zu steigen, lässt er das Auto zusätzliche Meter rollen.
Die Technik funktioniert in einem Formel-1-Auto, das mit über 300 km/h am Ende von Geraden ankommt und mit massiv viel Abtrieb ausgestattet ist, an und für sich sogar sehr gut. Besonders am Ende von langen Geraden. Dort kann der Fahrer eine Verzögerung von 1 g erreichen, nur indem er vom Gas geht. Wenn er dann tatsächlich bremst, kann er das später tun, beziehungsweise weniger belastend. Vorteile bringt das mehrere.
Lift and Coast in der Formel 1: Warum muss der Fahrer es machen?
Spritsparen: Lift and Coast war in der Formel 1 besonders 2014 ein großes Thema, als die neue Generation der Turbo-Hybrid-Motoren eingeführt wurde und mit ihnen ein Benzin-Limit. Lift and Coast bedeutet ja natürlich, dass der Fahrer früher als nötig vom Gas geht, was im Umkehrschluss bedeutet: Der Motor verbringt weniger Zeit unter Volllast. Was eben Benzin spart.
Auch heute noch wird Lift and Coast eigentlich in jedem Rennen regelmäßig eingesetzt, selbst wenn die aktuellen Power Units keine großen Sprit-Probleme haben. Die Teams tanken aber üblicherweise zu wenig, um die ganze Distanz mit vollem Tempo abzuspulen. Auch freiwillig, denn dadurch ist das Auto zu Rennbeginn leichter und agiler und man kann daraus situative Vorteile ziehen. Mit dem Hintergedanken: Später im Rennen wird sich die Lage irgendwann entspannen. Dann können wir immer noch ein paar Runden per Lift and Coast Benzin sparen.

Motor sparen: Dass man mit Lift and Coast die Zeit unter Volllast auf den langen Geraden reduziert, hat nicht nur den Effekt des Spritsparens. Natürlich schont das auch den Motor. Ein angenehmer Nebeneffekt in der modernen Formel 1, in der die Anzahl der Motorenteile pro Jahr stark beschränkt ist.
Bremsen sparen: Indem per Lift and Coast schon früh verzögert wird, reduziert das dann die Belastung der Bremsen, wenn man sie tatsächlich nutzt. Denn das Auto ist nun schon langsamer, sprich die Bremszone ist kürzer, man bremst für kürzere Zeit und weniger heftig. Das ist auf Strecken wie Singapur oder Montreal von integraler Bedeutung. In Montreal sind die Bremszonen für sich bereits sehr hart, in Singapur ist die Kühlung auch eine Herausforderung.
Das zwingt die meisten Teams dazu, in einem Rennen die Belastung mit Lift and Coast zu managen und exzessiven Temperaturaufbau und Verschleiß zu verhindern. Ähnlich wie beim Spritsparen ist es auch hier eine Ermessensfrage. Ein Team kann bewusst kleinere Kühlöffnungen für effizientere Aerodynamik wählen - wenn der Fahrer dann aber im Rennen unerwartet im Verkehr in heißer verwirbelter Luft feststeckt, muss er dieses Risiko womöglich mit mehr Lift and Coast bezahlen.
Unterboden sparen: Dieses Thema rückte dank Ferrari 2025 wieder in den Fokus. Es ist eine Konsequenz der 2022 eingeführten Ground-Effect-Regeln, die über Kanäle im Unterboden Abtrieb erzeugt. Grundsätzlich steigt bei diesem Effekt der Abtrieb, je näher der Unterboden dem Asphalt kommt. Ein F1-Auto darf aber nicht beliebig tief fahren. Um das sicherzustellen, ist eine abnutzbare Planke unter dem Auto montiert. Ist die bei Messungen nach dem Rennen zu dünn, wird der Fahrer disqualifiziert.
Ein Aspekt des Ground Effects: Je schneller das Auto, desto stärker wird es an den Asphalt gesaugt. Hier kommt Lift and Coast ins Spiel. Indem der Fahrer schon früher auf der Geraden vom Gas geht, reduziert er das Tempo, dadurch reduziert sich der Saugeffekt, das Auto hebt sich, das Aufsitzen der Planke wird reduziert oder ganz verhindert und dadurch ihre Abnutzung.
Auch hier ist eine Risikoabwägung beim Setup vor dem Rennen der Auslöser für exzessives Lift and Coast. Das Auto tiefer zu fahren, kann mehr konstanten Abtrieb bringen. Vor allem der 2025er-Ferrari gilt als sehr anfällig für diesen Setup-Aspekt. Das hilft vor allem im Qualifying, aber dort geht es nur um ein paar Runden. Über 300 Kilometer am Sonntag würde sich bei einer aggressiven Abstimmung die Planke zu sehr abnutzen. Man muss also für sich entscheiden: Wie viel Qualifying-Pace will ich mir mit Lift and Coast im Rennen erkaufen?
Ist Lift and Coast für Formel-1-Fahrer schwierig?
Die Frage nach der Herausforderung ist noch ein durchaus interessanter Punkt bei Lift and Coast. Natürlich macht einen die Taktik insgesamt langsamer, logisch, wenn man das Auto rollen lässt, anstatt am Limit zu bremsen. Aber das bedeutet nicht, dass es einfacher ist. Im Gegenteil.
"Du versuchst am Limit zu sein, aber zugleich ist es wie ein Handicap, also ist es richtig schwierig", beschrieb es etwa Lewis Hamilton vor Jahren gegenüber der 'BBC'. Die Bremspunkte bewegen sich, und der Fahrer sucht nicht mehr das absolute Grip-Limit, sondern muss sich üblicherweise nach Meter-Vorgaben seines Ingenieurs richten.
"Du pushst immer noch, aber wenn du bremst, verlagert sich das Gewicht anders und es ändert die Art und Weise, wie sich das Auto durch die Kurve verhält, und die Balance", so Hamilton. Und natürlich wird ein Fahrer, der wegen einer kritischen Situation - ob jetzt bei Bremsen, Sprit oder Unterboden - in Lift and Coast gefangen ist, eine leichte Zielscheibe für einen Angreifer, der am Limit bremsen kann.



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