Beim Training der Formel 1 in Zandvoort kam es zu einer ungewöhnlichen Häufung von Abflügen. Insgesamt gab es am Trainingstag drei rote Flaggen zu verzeichnen. Aber auch abgesehen davon erwischte es zahlreiche Piloten mit Drehern oder kleineren Kiesbett-Besuchen. Warum aber ausgerechnet hier?

Diese Frage ist schnell beantwortet, wenn man die Fahrer fragt. Der Wind wird von den meisten Piloten dafür verantwortlich gemacht und tatsächlich ging es während dem gesamten Freitag ziemlich böig zu. Das ist keine Seltenheit auf der Strecke des Niederlande-GPs, die in einer exponierten Lage beinahe direkt an der Nordsee-Küste beheimatet ist. Die umliegenden Dünen - das Markenzeichen der Strecke - bilden nur einen geringen Schutz.

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Formel-1-Fehlerserie: Der Wind ist schuld - aber nicht nur

"Der Wind verursachte viel Untersteuern oder Snap-Übersteuern, je nach Auto. Praktisch Untersteuern in der Mitte der Kurve, was dann zu Übersteuern am Ausgang wird, aufgrund der Sättigung der Vorderachse", beobachtete Pirelli-Ingenieur Simone Berra von außen. In FP1 war Kimi Antonelli der einzige Fahrer, den es so schwer erwischte, dass eine rote Flagge notwendig wurde. Der Italiener schlug zwar nicht an, blieb aber nachdem er seine Reifen blockiert hatte, im Kiesbett stecken.

Sein Trost: Nach dem Ende jener Session erwischte es Formel-1-Weltmeister Max Verstappen. Der Lokalmatador beging nach seinem Probestart den selben Fehler. Carlos Sainz am Ende der Gegengeraden und George Russell verzeichneten in FP1 ebenfalls einen Verbremser inklusive Ausritt, doch die beiden konnten weiterfahren. Genauso übrigens wie Lewis Hamilton und Yuki Tsunoda, die sich jeweils drehten.

Russell nannte nach dem zweiten Training eine Theorie, warum der Wind ausgerechnet auf einer Strecke wie Zandvoort einen so großen Einfluss habe. Denn schließlich liegen nicht wenige Formel-1-Kurse auf offenen Flächen, die windanfällig sind. Aber nur selten gibt es so viele Ausritte innerhalb eines Tages.

Er erklärte es mit der Kurvencharakteristik. "Der Kurs verfügt über viele 180-Grad-Kurven. Wenn es also böig ist, dann fährt das Auto durch die gesamte Biegung in einer Kurve. Das Auto ist also viel anfälliger dafür", so Russell. Als Gegenbeispiel nannte er Silverstone. Auf dem britischen Ex-Flugplatzkurs sind die meisten Kurven schwingender – man denke etwa an Maggotts-Becketts - und bekommen so nur den Wind aus einer bestimmten Richtung ab. Das macht Windböen für die Fahrer kalkulierbarer, schätzt der Mercedes-Pilot.

Fahrerstrecke Zandvoort: Der Wind macht den Formel-1-Kurs noch schwieriger

Dazu kommt noch, dass Zandvoort kaum Asphalt-Auslaufzonen bietet und generell ein etwas schmalerer Kurs ist. Da bleibt nicht viel Platz für Fehler - oder eben für ungünstig getimete Windböen. Eine Herausforderung, die den bei den Piloten beliebten Kurs schon lange den Ruf als Fahrerstrecke eingebracht hat.

Den Wind machte auch Alex Albon als Ursache dafür aus, dass er sich im zweiten Training vor Kurve 1 verbremste und anschlug. Dabei verbog er seinen Williams-Frontflügel und blieb beim Versuch weiterzufahren schließlich wie schon am Vormittag Antonelli und Verstappen im Kiesbett hängen. Die Folge war die zweite rote Flagge der Session, nachdem bereits kurz nach Trainingsbeginn Lance Stroll seinen Aston Martin in der überhöhten Hugenholtzbocht versenkt und schwer beschädigt hatte.

Es war der mit Abtand schwerste Zwischenfall des Trainingstages in Zandvoort, aber Stroll blieb dabei unverletzt. Mehr zu dem Abflug von Stroll könnt ihr hier nachlesen:

Einen größeren Zwischenfall gab es noch: Lewis Hamilton legte im zweiten Training seinen zweiten 360-Grad-Dreher des Tages hin. Der Ferrari-Pilot bemühte aber nicht den Wind als Erklärung für seine beiden Pirouetten, sondern erklärte es einerseits damit, dass er zu viel gepusht habe und andererseits durch mangelnden Fahrkomfort. "Unser Auto war sehr unberechenbar", so Hamilton.