Die Reifen sind für die ganze Formel 1, auch für McLaren, in Imola eine schwierige Angelegenheit. Auf der Suche nach mehr Renn-Action hat Pirelli 2025 weichere Reifen zum Emilia-Romagna-GP gebracht. Die machten am Samstag im Qualifying jedoch Probleme. Sind das die bestmöglichen Nachrichten für Polesetter Oscar Piastri? Sind die Gegner jetzt erst recht chancenlos?
Zum ersten Mal hat Reifenlieferant Pirelli in Imola den sogenannten C6-Reifen als Soft mit dabei. Der ist der weichste der sechs Slick-Optionen, die der Hersteller im Programm hat. Designt wurde er ursprünglich nur für Straßenkurse, aber jetzt ist er auch in Imola dabei, mit dem Hintergedanken, die Teams zu alternativen Strategien zu zwingen.
Das scheint nicht aufzugehen. Hier ist anzumerken: Weil man hier bei einem Boxenstopp gigantische 28 Sekunden verliert, sind die Teams bereit, wirklich fast alles zu unternehmen, um sich mit einer Einstopp-Strategie über die Distanz zu retten. Daran scheint die Verweichlichung der Reifenwahl nichts geändert zu haben.
Pirelli rechnet damit, dass eine Zweistopp-Strategie zwar schneller wäre, aber um weniger als fünf Sekunden verteilt auf die gesamte Renndistanz. Das reicht den Teams als Argument nicht. Diese theoretische Rennzeit beinhaltet nämlich keinen Verkehr, und auch nicht die Tatsache, dass es in Imola wegen der engen Strecke und nur einer DRS-Zone fast unmöglich ist zu überholen.
Formel 1 hadert im Qualifying mit den Reifen: Mysteriöses Problem
Die Favoritenrolle fällt also sowieso schon klar auf Polemann Oscar Piastri vor seinen ersten Verfolgern Max Verstappen, George Russell und Lando Norris. Für die McLaren-Jäger sind die Umstände durch die weichen Reifen aber doppelt ungünstig, weil kein Auto die Reifen so gut schont wie der MCL39.
Zeigt der Samstag, dass es sogar noch einfacher wird für Piastri? Am Freitag schien das Feld noch durch die Bank recht zufrieden damit, die Reifen unter Kontrolle zu halten. Doch im Qualifying entglitt den Fahrern der Grip. Alle, sogar McLaren, klagten auf dem Soft am Samstagnachmittag über permanente Balance-Probleme. Die waren so ausgeprägt, dass der Medium unter dem Strich wohl der bessere Reifen war. Aston Martin nutzte das, um sich mit Fernando Alonso auf Startplatz fünf vorzuschummeln.
Warum war das so plötzlich aufgetreten? Vielleicht, weil die Teams erst im Qualifying den ganzen Sprit aus dem Auto lassen und den Motor voll aufdrehen. "Davor erforschst du die Limits des Reifens nicht", mutmaßt Piastri. "Wenn du dann immer weiter pushst, geben sie irgendwann einfach auf." Sein Teamchef Andrea Stella unterstreicht, dass sich die Soft-Reifen einfach in den schnellen Passagen von Imola zu stark verformen: "Sie sind einfach zu weich."
Das Problem im Qualifying ging aber wohl nicht auf Überhitzung zurück. Die meisten Fahrer hatten Probleme mit Untersteuern, meint man von Pirelli. Der Reifen fiel einfach aus dem Balance-Fenster. Warum? Vielleicht, weil die Teams aktiv mehr Untersteuern in ihre Setups einbauten. Der limitierende Faktor im Longrun war am Freitag thermaler Verschleiß auf der Hinterachse. Gegensteuern hat hier immer Untersteuern zur Folge. Da die Teams diesen neuen Reifen noch nicht kennen, tun sie sich zugleich schwer, in der Feinabstimmung mögliche Probleme vorzubeugen.
Max Verstappen: Hoffen auf Start-Konter in Imola
Das alles unterstreicht aber nur: Wenn Oscar Piastri den Start gewinnt, dann ist er für die Konkurrenz schwer aufzuhalten. Es ist das perfekte Rennen für den McLaren MCL39. "Die weicheren Mischungen helfen uns nicht", weiß Max Verstappen. "Da überhitzen wir unsere Reifen mehr." Erst recht, wenn er hinter Piastri herfahren müsste.
Verstappen ist dennoch ein gefährlicher Herausforderer für Piastri. Erst in Saudi-Arabien gerieten die beiden am Start aneinander. Damals drückte Piastri, von P2 kommend, Verstappen in der ersten Kurve raus und sicherte sich damit letztendlich den Sieg. In Imola ist es gar nicht so schwer, sich das umgekehrte Szenario vorzustellen. Denn 399 Meter hat Piastri bis zur ersten Bremszone vor sich.

Das ist eine Ewigkeit für Verstappen, um sich im Windschatten des McLaren anzusaugen und sich eine Attacke zurechtzulegen. Und wenn er erst einmal vorne ist, wer weiß? Es könnte sich das Japan-Szenario wiederholen. Auch dort war Überholen fast unmöglich, und Verstappen schaffte es mit einem perfekten Rennen daher, McLaren bis ins Ziel in Schach zu halten.
Nachteil für Verstappen ist aber eben wieder der hier viel höhere Reifenverschleiß. In Suzuka war der wegen der dort viel härteren Reifenpalette gar nicht vorhanden gewesen. So baut auch der Vierte Lando Norris darauf: "Ich hoffe nur, dass die Reifen schnell sterben. Das ist dann unsere Stärke." Verstappen ist seinerseits besorgt, die Freitags-Longruns waren nicht gut. Seitdem hat er aber viel am Setup geändert: "Hoffentlich klebt das etwas besser."
George Russell erkauft sich Startplatz 3 womöglich zu teuer
Norris würde gerne nach vorne, vorbei an Verstappen und George Russell. Besonders dem Mercedes-Piloten blüht für das Rennen ein Rückzugsgefecht. Er hat sich seinen dritten Startplatz nämlich teuer erkauft. Wie die vorhin schon erwähnten Aston Martins wagte er sich in Q3 am Ende auf Medium. Das war jedoch der einzige Medium-Reifen, den Russell noch hatte.
Die optimale Renn-Strategie ist eine Medium-Hard-Einstopp. Während Piastri, Verstappen und Norris hierfür noch je einen neuen Medium und sogar zwei neue Hard haben, muss Russell jetzt irgendwann mit dem im Qualifying schon angefahrenen Medium fahren. Am Start wird er daher relativ zur Konkurrenz weniger Grip haben, und ein Reifen, der einmal einen Qualifying-Hitzezyklus durchlaufen ist, hat auch zu Stint-Beginn nicht mehr die beste Performance.
Der Sieg ist insgesamt eine Angelegenheit von Piastri, Verstappen, Russell und Norris. Fernando Alonso wird sich dahinter gegen starke Williams im Kampf um die Mittelfeld-Krone wehren müssen. Ach ja, und wir sollten Ferrari noch erwähnen. Die sahen im Renntrimm am Freitag gut aus, aber die Qualifying-Leistung war desaströs.
P11 für Charles Leclerc, P12 für Lewis Hamilton. Auf diesem Kurs ist das Wochenende damit praktisch vorbei. Sofern man nicht von Chaos profitieren kann, bringt zweitbeste Rennpace hinter McLaren von so weit hinten gar nichts. Mehr zur Ferrari-Misere gibt es hier:
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