Oscar Piastri und George Russell lachen zuletzt. Wieder, und wieder, und auch bei der Formel 1 in Miami sind sie es, die am Ende ihre Rennen bestmöglich exekutieren. Ihre direkten Gegner Lando Norris und Max Verstappen müssen sich beide Fragen über ihre Zweikampf-Taktiken stellen. Denn so, wie das ablief, war das wirklich - wie Norris nach dem Rennen anmerkte - "nicht clever". Das bestätigt auch die Renn-Analyse.
Norris hatte seinen Kommentar in der Pressekonferenz eigentlich in Richtung Verstappen abgezielt. Aber die beiden Fahrer, die in Miami aus der ersten Reihe gestartet waren, fuhren sich vom Start weg schrittweise immer tiefer in die Problemzone und machten es ihren Konkurrenten schlichtweg zu einfach.
Es begann in der ersten Kurve, die Pole-Mann Verstappen mit einem uncharakteristischen Fehler nicht sauber bekam und sich verbremste. Norris wagte es gleich, sich danebenzusetzen. "Wenn ich es versuche, beschweren sich alle. Wenn ich es nicht versuche, beschweren sich alle", hält er nach dem Rennen seinen Kritikern vor. In Miami bekam er die Rechnung präsentiert, als Verstappen sich einfach raustragen ließ und Norris in die Auslaufzone von Kurve 2 ausweichen musste.
Das warf ihn bis auf den sechsten Platz zurück und versetzte seinen Sieg-Ambitionen den ersten Dämpfer. "Rückblickend wäre es besser für Lando gewesen, einfach vom Gas zu gehen und den zweiten Platz zu halten", urteilt McLaren-Teamchef Andrea Stella, will es seinem Piloten aber nicht vorhalten: "Ich mag es, wenn Lando aggressiv ist und nach der Führung greift. Manchmal ist es eine Frage von Sekundenbruchteilen."
Komplett verloren war die Sieg-Chance für Norris nicht. Der McLaren war im Renn-Trimm in Miami unglaublich schnell. Sieben Zehntel pro Runde, unkte Red Bulls Motorsport-Berater Dr. Helmut Marko später. Schnell hatte sich Norris zurück auf Platz drei gekämpft und begann zum nunmehrigen Führungsduo von Verstappen und Oscar Piastri aufzuschließen.
Denn Verstappen hatte sich vorne entschlossen, jetzt den ersten Platz trotz massivem Pace-Defizit erst recht nicht herzugeben: "Ich hatte nichts zu verlieren, also wollte ich einfach etwas Spaß haben." Vier Runden sperrte er sich gegen Piastris Attacken, ehe er den McLaren mit einem Fehler durchwinkte. Das Gefecht hatte Norris bis auf zwei Sekunden herangebracht.
Lando Norris im überlegenen McLaren: Schlechter Fight gegen Max Verstappen?
Norris, wohl wissend, dass er Piastri jetzt nicht ziehen lassen durfte, begann schon in Runde 15 mit Attacken, die Verstappen erneut abwehrte. Die Zeit verrann. "So ist das mit Max - Unfall riskieren oder nicht vorbeikommen", urteilt Norris nach dem Rennen. "Außer du bekommst es genau auf den Punkt." Das schaffte er nicht, im Gegenteil. In Runde 17 hatte er schon dreieinhalb Sekunden hinter Verstappen verloren und beging nun einen verhängnisvollen Fehlgriff.
In Kurve 11 überholte er mit allen vier Rädern abseits der Strecke, und musste die Position daher wieder zurückgeben. In nur einer Runde verlor er drei Sekunden. Zwar schaffte er es im Anschluss endlich an Verstappen vorbei, aber effektiv war sein Rennen gelaufen. Piastri war ihm um gute neun Sekunden davongefahren: "Ihn einzuholen war immer so ziemlich unmöglich. Ich habe es versucht, es fast geschafft, aber es waren nicht genug Runden."
Andrea Stella wehrt nach dem Rennen Suggestionen ab, wonach Norris im Duell gegen Verstappen schlechter agiert hätte als Piastri: "Wäre Lando nicht um ein paar Zentimeter in Kurve 11 raus, hätte er ihn ungefähr gleich schnell überholt. Da sollten wir nicht zu viel reininterpretieren." Teuer war es für Norris aber insofern, dass er 4,6 Sekunden hinter Piastri ins Ziel kam.
Im zweiten Stint war Norris der schnellere McLaren. Dass beide pushten, sieht man an der über 30 Sekunden großen Lücke zum Rest der Welt. Norris schaffte es, die Lücke bis fünf Runden vor Schluss auf unter vier Sekunden zu verkleinern, dann steckte er auf. Die Zeit war ihm davongelaufen. Piastri gewann nicht, weil er der Schnellere war. Er gewann, weil er während des Norris-Verstappen-Duells einen Puffer aufbaute, der gerade groß genug war, um einen im Schnitt zwei Zehntel schnelleren Norris nicht nahe genug rankommen zu lassen.
Max Verstappen macht sich in Miami für Mercedes angreifbar
Fast 40 Sekunden Rückstand zeigen am Rennende wiederum Verstappen, dass er nie eine Chance hatte, mit McLaren um den Sieg zu kämpfen. Maximale Schadensbegrenzung wäre aber der dritte Platz gewesen. Den verbaute sich Verstappen mit seinem unter dem Strich wertlosen Duell gegen die McLaren selbst. Denn nur deshalb konnte George Russell beim Virtuellen Safety Car an Verstappen vorbeigehen.
Bis Runde 13 hatte sich Verstappen mit Piastri im Schlepptau kontinuierlich von Mercedes abgesetzt. 7,6 Sekunden lag er vor Kimi Antonelli, 9,4 Sekunden vor Russell, als Piastri ihn in der ersten Kurve in einen Fehler zwang. Ab da musste Verstappen zunehmend aggressiv agieren, um Norris ebenfalls hinter sich zu halten. Das kostete ihn massiv Zeit.
Bis Runde 18 hatte er die Mercedes um fünfeinhalb Sekunden aufschließen lassen. Und nach dem Fight schienen seine Medium-Reifen auch nicht mehr in der Lage, das vor den Duellen noch passable Tempo zu gehen. Strategisch war er jetzt in einer ungünstigen Lage. Mercedes hatte zwei Autos, und holte jetzt Antonelli an die Box, um eine Undercut-Gefahr auf Verstappen aufzubauen. Fünf Runden davor schien das noch unrealistisch.
"Wir mussten stoppen, um gegen Antonelli abzudecken, und die Reifen waren auch am Ende", so Red-Bull-Teamchef Christian Horner. Russell, der mit harten Reifen losgefahren war, konnte den Stint in die Länge ziehen und warten. Kam Regen? Eine Unterbrechung? Es kam ein Virtuelles Safety Car. Russell stoppte, verlor dank der Neutralisierung weniger Zeit, und kam eine Sekunde vor Verstappen auf der Strecke. Zur Erinnerung: Fünf Sekunden hatte der zwischen den Runden 13 und 18 gewonnen.
Max Verstappen pfeift auf vergebenes Miami-Podium
Natürlich war es letztendlich Glück für Russell, dass das VSC kurz nach Verstappens Stopp ausgerufen wurde. Trotzdem hatte es Verstappen ihm einfach gemacht. Hätte er die McLaren-Überlegenheit akzeptiert, hätte er das Risiko minimieren können. Das ist dem Weltmeister egal: "Wir sind hier, um zu gewinnen, und heute waren wir meilenweit davon weg. Da spielt es keine Rolle, ob du Dritter oder Vierter bist."
Bei Red Bull ist der Frust über die Auto-Performance viel zu groß, um sich über drei Punkte noch groß aufzuregen. Zum einen ist da die fundamentale Tatsache, dass man es nicht schafft, über die Renndistanz die Reifentemperaturen so gut zu kontrollieren wie McLaren. Alle anderen beginnen irgendwann deutlich zu überhitzen. Je heißer ein Rennen, desto deutlicher dieser Effekt. "Im letzten Rennen waren wir schnell genug, um sie zu schlagen, aber hier hat das ihren Vorteil komplett offengelegt", meint Christian Horner.
"Und wir hatten ein Bremsproblem, das die Schwierigkeiten im Rennen verschärft hat, das müssen wir verstehen", ergänzt Horner. Auch das zieht sich schon über die ganze Saison. "Manchmal ist es besser, manchmal kommt es wieder", beschreibt es Verstappen. Ein großes Update-Paket, das das alles lösen könnte, ist momentan nicht im Plan. Über die nächsten Rennen verteilt kommen vielmehr viele kleine Schritte. Was die letztendlich bringen, traut sich das Team nicht abzuschätzen.
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