Die FIA-Stewards griffen am Sonntag in Katar bei Lando Norris zu ganz extremen Straf-Mitteln. Für Missachtung von Doppelgelb wurde Lando Norris mit einer zehnsekündigen Stop-und-Go-Strafe belegt. McLaren tut sich danach schwer, das so demütig zu akzeptieren wie Norris. Stattdessen nimmt das Team die FIA in die Pflicht.

Norris, der dadurch nur Zehnter wurde, hatte nach dem Rennen die Stewards sogar für das harte Durchgreifen gegen ihn gelobt. Das Verlangsamen bei doppelgelben Flaggen ist schließlich eine Sicherheitsfrage. McLaren-Teamchef Andrea Stella gestand auch, dass Norris in einen Doppelgelb-Minisektor einfuhr und nicht verlangsamte. Trotzdem hat er anders als sein Fahrer für die Schwere der Strafe kein Verständnis.

So erklärt Stella: "Es gibt zwei wichtige Vorgaben, die wir gerne bei der Anwendung von Strafen sehen möchten. Verhältnismäßigkeit und Umstand. Bei dieser Strafe lässt die Anwendung beide dieser Vorgaben vermissen."

McLaren-Teamchef erklärt: Darum macht die Strafe keinen Sinn

"Umstand bezieht sich auf den Fall, den wir uns eigentlich anschauen", erklärt Stella. Der Zwischenfall - ein Spiegel lag abseits der Ideallinie - sei relativ harmlos. "Besteht unmittelbar Gefahr für jemanden? Gibt es einen Unfallort? Der Umstand des Zwischenfalls führt dann zur Verhältnismäßigkeit. Die Strafe muss relativ zur Schwere des Verstoßes angemessen und proportional sein."

"Da ist es interessant, dass die FIA selbst die gelbe Flagge mehrmals ein- und ausschaltete und an einem Punkt sogar entfernte", wundert sich Stella im Angesicht dieser Punkte darüber, ob nicht auch die Rennleitung den Zwischenfall nicht als unwesentlich einschätzte. Tatsächlich war die doppelgelbe Flagge nur sehr spärlich draußen, nachdem in Runde 30 der Rückspiegel von Alex Albon auf der Zielgeraden abgebrochen war.

Innerhalb von weniger als einer Minute wurde die doppelgelbe Flagge fünf Mal aktiviert und wieder deaktiviert. Norris erwischte eine der nur wenigen Sekunden langen Phasen, in denen sie aktiv war. Das im Fernsehen gezeigte Replay war hier übrigens irreführend: Es zeigte nicht den Verstoß, sondern die Runde danach. Auf dem Leuchtpaneel wurde hier schon gar nicht mehr Gelb gezeigt, sondern Gelb-Rot - die Warnflagge für eine verunreinigte Strecke.

Tatsächlich wurde schon nach einer Minute ganz auf gelbe Flaggen verzichtet und nur mehr die Warnflagge draußengelassen. Nach drei Minuten wurde selbst die Warnflagge entfernt. Bis zum Ausrufen des Safety Cars insgesamt sieben Minuten nach Beginn der Sequenz wurde daraufhin an der Stelle kein Flaggensignal mehr gezeigt.

McLaren verliert gute WM-Punkte: FIA zum Nachdenken aufgefordert

"In Sachen Umstand stellt sich da die Frage, wie ernst die Situation war", sieht Stella hierin den Beweis, dass der Zwischenfall bei weitem nicht so schlimm war. "Ich räume ein, dass Lando nicht verlangsamt hat. Aber das Fehlen von Umstand und Verhältnismäßigkeit ist äußerst besorgniserregend und könnte einen entscheidenden Einfluss auf unseren Kampf um die Weltmeisterschaft haben." Im Sinne der Verhältnismäßigkeit hätte er sich eine wenig dramatischere Strafe gewünscht.

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Norris war zu dem Zeitpunkt auf Kurs zu 18 Punkten, potenziell mehr. Am Ende wurden es zwei, während die WM-Konkurrenz bei Ferrari direkt vom Zwischenfall profitierte und aufrückte. War McLaren vor dem Beginn des Zwischenfalles also auf Kurs, den WM-Vorsprung um 11 weitere Punkte auszubauen, verlor man stattdessen 9 und geht mit nur 21 Punkten Vorsprung ins Finale in Abu Dhabi.

Aber gibt es nicht eigentlich Präzedenzfälle? Beim letzten Verstoß gegen Doppelgelb wurde 2021 genau die gleiche Strafe ausgesprochen. Stella hält dagegen: "Wir müssen sicherstellen, dass grundsätzliche Elemente von Umstand und Verhältnismäßigkeit bedacht werden. Für mich wirkte das, als hätte man ein verstaubtes Buch aufgeschlagen, gecheckt was das sagt, und das angewandt."

"Das ist mir etwas zu einfach", findet Stella. Die FIA hielt am Montagmorgen in einer Stellungnahme dagegen, dass die Strafe den zuletzt am 19. Februar 2024 upgedateten Straf-Richtlinien entsprach. Das wird aber nichts an Stellas Meinung ändern, wonach die Stewards alle Faktoren miteinbeziehen sollten, und ein einzelnes Strafmaß nicht ausreicht.

"Unserer Meinung nach gibt es da Raum für Verbesserungen", so Stella. Selbstreflexion ist alles, was er vom Verband fordert. Kritik an Personalien will er damit keine üben: "Wir vertrauen der FIA mit ihren Entscheidungen. Wie gesagt, wir erwarten, dass das analysiert wird."