Als Max Verstappen am Samstag nach dem Sprint bei der Formel 1 in Katar aus dem Auto stieg, schien er schon fast mit dem Wochenende abgeschlossen zu haben. Auf einen desolaten achten Platz folgt viereinhalb Stunden später überraschend großer Jubel über die erste Pole seit dem Österreich-GP im Juni. Team und Fahrer können es selbst schon fast nicht glauben.

Nach dem Sprint hatte Verstappen in TV-Interviews noch gequält darüber gelacht, dass er nicht einmal den Haas von Nico Hülkenberg hatte einholen können: "Das sagt eigentlich alles darüber, wie schlecht dieses Wochenende bisher ist." Der Red Bull bot überhaupt keinen Grip.

In Highspeed-Passagen lag das Auto eigentlich gut, aber in den langsameren langgezogenen Ecken war die Balance von Kurveneingang bis Kurvenmitte unberechenbar: "Ich kann nicht pushen, kann kein Tempo mitnehmen, und dann gingen mir die Vorderreifen aus." Verstappens Prognose war daher sehr pessimistisch gewesen: "Ich glaube, das wird hart zu lösen sein." In der Pause bis zum Qualifying zerlegte Red Bull das Auto komplett und suchte nach Antworten.

Red Bull kippt im Katar-Qualifying ins Arbeitsfenster: Schon ist Verstappen da

Was waren also diese Antworten, dank denen Verstappen 55 Tausendstel vor George Russell auf die Grand-Prix-Pole fuhr? Das Auto sei vor allem wieder in das äußerst kleine Arbeitsfenster gefallen, urteilt Red Bulls Motorsport-Berater Dr. Helmut Marko: "Die Reifen haben wir auf Temperatur gebracht. Das ist unser Manko. Dass das Auto nur diese kleine Bandbreite hat, wo es funktioniert."

Was nicht heißt, dass man davor nicht auch viel umgebaut hat, vor allem am mechanischen Setup. Auch die Aufwärm-Taktik für die Reifen wurde geändert. Verstappen fuhr im dritten Qualifying-Segment anders als seine Konkurrenten nur einen Soft-Reifen. Damit fuhr er eine schnelle Runde, dann zwei Kühlrunden, und dann die zweite - entscheidende - Runde.

"Danke an das Team für ein Auto, bei dem die Balance viel zusammenhängender war", freut sich Verstappen. "Sobald das der Fall ist, kannst du sofort härter pushen. Es hat sich da draußen viel besser angefühlt." Auch Sergio Perez steuerte einen kleinen Teil dazu bei, indem er seinen Sprint für einen Setup-Test opferte. Das half auch ihm selbst: Er schaffte es wieder in Q3. Wenn auch nur auf einen neunten Platz mit neun Zehnteln Rückstand auf Verstappen.

Red Bull schöpft neue Hoffnung für Rennen: So kann Verstappen gewinnen

Die großen Umbauten haben sich also bei den spezifischen Bedingungen im Qualifying mit leeren Tanks bewiesen. Aber der Vorsprung von Verstappen auf Mercedes und McLaren ist bei weitem nicht gigantisch. Ein einfaches Rennen steht ihm nun sicher nicht bevor. Und mit dem neuen Setup fuhr er natürlich keine einzige Runde im Renn-Trimm mit vollen Tanks.

Aber Marko ist optimistisch: "Wir haben hier gesehen, dass das Überholen wahnsinnig schwierig ist. Die Temperaturen bleiben gleich. In dem Fenster gehe ich einmal davon aus, dass wir das auch im Rennen so halten können."

Um viel geht es für Verstappen aber natürlich nicht mehr in Katar. Die Fahrer-WM hat er schon, und in der Konstrukteurs-WM bräuchte Red Bull schon viel Mithilfe von McLaren und Ferrari, um den beiden noch einmal gefährlich zu werden. Aber es wäre ein positives Signal für Red Bull kurz vor Saisonende, auf der ersten Pole seit Österreich den ersten Sieg bei trockenen Bedingungen seit Spanien im Juni folgen zu lassen.

Einen Makel hat die Angelegenheit außerdem noch. Gegen Verstappen wird wegen unnötig langsamen Fahrens ermittelt. Beinahe wäre ihm auf der zweiten Kühlrunde Russell ins Heck gefahren. Damit bleibt vorerst ein kleines Fragezeichen hinter der Pole.