Fast zwei Wochen hatte McLaren Zeit, um die Niederlage von Monza zu verdauen. Zeit, in der man die teaminterne Hackordnung überdenken konnte. Teamchef Andrea Stella hatte es am Sonntagabend damals schon angedeutet. Nach langen Diskussionen steht jetzt fest: Oscar Piastri muss sich hinten anstellen. McLaren will Lando Norris so gut wie möglich dabei helfen, 62 Punkte auf Max Verstappen aufzuholen und Formel-1-Weltmeister zu werden.
"Aber wir wollen es möglichst so tun, ohne unsere Prinzipien zu verraten", schränkt Stella gegenüber der 'BBC' ein. "Was wir nicht wollen, ist eine Situation wie in Monza, wo wir eine Schikane auf den ersten beiden Plätzen erreichen und auf den Plätzen eins und drei verlassen Denn das tut dem Team weh. Das Interesse des Teams steht an erster Stelle. Das sind die Situationen, die wir unbedingt lösen müssen."
McLaren-Teamplayer Piastri würde auch F1-Siege für Norris aufgeben
Stella lobt vor dem nächsten F1-Rennen in Baku seine beiden Fahrer: "Selbst als ich Oscar fragte, ob er bereit wäre, einen Sieg herzugeben, meinte er: 'Das tut weh, aber wenn es das Richtige ist, dann werde ich es tun." Piastri bestätigt das wenige Stunden später selbst: "Als egoistischer Fahrer ist eine Teamorder natürlich kein Spaß. Aber zugleich weiß ich auch, dass es viel mehr gibt als nur mich selbst."
"Früher in der Saison wäre es wohl überzogen gewesen, aber jetzt ist der Zeitpunkt angemessen", so Piastri. Ganz bis zu geschenkten Siegen wird es aber nicht gehen, meint Lando Norris: "Nein. Generell geht es wohl um Positionen weiter hinten."
Mit Konkretem geizen die Fahrer in Baku. Norris lässt sich nur zu einem vagen Beispiel hinreißen: Unter den neuen Regeln wäre Piastri in den letzten Runden von Monza wohl aufgefordert worden, seinen zweiten Platz an Norris abzugeben. Aber wenn man mit Doppelspitze ganz vorne gewesen wäre? Norris winkt ab: "Wenn er vorne auf Siegkurs ist und den Sieg verdient, dann verdient er den Sieg."
McLaren-Teamorder doch nicht klar: Was bedeuten die neuen Regeln wirklich?
"Es ist jedenfalls keine allgemeine Regel, dass ich Lando nicht angreifen kann", bestätigt Piastri. Statt klarer Ansagen wird es mit voranschreitenden Presserunden der Fahrer verwässert, und Piastri räumt schließlich ein: "Es braucht noch etwas mehr Diskussionen. Aber ich denke, der Hauptpunkt ist, dass es nicht einfach nur darum geht, dass ich für Lando in jedem Rennen zur Seite fahre."
Sorgfältig soll Piastris Angriff gegen Norris in der zweiten Schikane von Monza hierfür untersucht worden sein. Nur was sind die Konsequenzen? Beide Fahrer stimmen überein, dass das Manöver grundsätzlich erlaubt ist. Ganz klar unter den alten "Papaya-Regeln", eine von Andrea Stella erfundene Umschreibung für die bei allen Teams eigentlich gängige Vorschrift, sich nicht ins Auto zu fahren und beim Teamkollegen vorsichtiger zu sein als bei allen anderen. Aber auch die neuen Regeln sollen eine Attacke hier weiter erlauben.
Doch die Attacke - da sind sich alle Beteiligten einig - war definitiv ein echtes Problem. Als Folge verlor Norris nicht nur die Führung an Piastri, sondern auch Schwung, und dann den zweiten Platz an den späteren Sieger Charles Leclerc. "Da braucht es jetzt Zusammenarbeit, um sicherzustellen, dass das nicht noch einmal passiert", so Piastri. Unklar bleibt wie: "In diesem exakt gleichen Szenario wären manche Dinge anders."
Nicht aber wegen eines Stillhaltepakts am Start, so viel bestätigt Norris: "Manchmal ist es nicht smart zu kämpfen, aber wenn du mit diesem Gedankengang in die erste Runde gehst, dann ist das der falsche Ansatz."
Piastri hat vollstes Vertrauen in Norris & McLaren
Für Piastri ist es tatsächlich nicht das erste Mal, dass er sich auf Team-Entscheid hinten anstellen muss. So erhielt er etwa mehrfach bereits Update-Pakete erst ein Rennen später als Norris. Doch der 23-Jährige sieht es weiterhin pragmatisch: Schuld ist nur daran, dass er bislang meist hinter Norris lag. "Ich weiß, man wird sich in Zukunft daran erinnern. Das war immer der Fall, ob mit Updates, oder Strategie."
Auch Norris gibt den Teamplayer: "Ich will nicht, dass man mir die Meisterschaft schenkt. Ja, einen Titel zu haben wäre toll, und kurz fühlst du dich überragend, aber langfristig wärst du darauf denke ich nicht stolz. So will ich keinen Titel holen. Ich will ihn holen, indem ich gegen Max kämpfe, indem ich Max schlage, in dem ich alle schlage und beweise, dass ich der Beste auf der Strecke bin."
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