Der Samstag des Formel-1-Wochenendes in Österreich bringt für Nico Hülkenberg vor allem eines mit sich: Geduldiges Warten auf Steward-Urteile. Schon nach dem Sprint erhielt der Deutsche eine 10-Sekunden-Strafe und zwei Strafpunkte, weil er Fernando Alonso im Rennen von der Strecke abgedrängt hatte. Er fiel damit von P14 auf P19 zurück - ernsthafte Konsequenzen für die WM-Wertung hatte das also nicht.

Sprint-Strafe sorgt für Aufreger: Alonso verteidigt Hülkenberg

"Ich war sehr überrascht, als ich das hörte. Ich bin zu den Stewards gegangen, um sie um eine Stellungnahme zu bitten." Wenngleich die Strafe den Haas-Fahrer aus sportlicher Sicht nicht schwer trifft, herrschte bei Hülkenberg Unverständnis darüber. Er vertritt nämlich eine andere Meinung dazu. "Wenn alles am Limit ist, muss man ein gewisses Risiko eingehen und ein bisschen aus der Komfortzone herausgehen. Ich habe ihn nicht absichtlich abgedrängt. Beide Vorderachsen haben blockiert - das passiert am Ende der Lebensdauer eines Reifens, wenn alles am Limit ist", erklärte Hülkenberg seine Sicht auf die Situation im Sprint.

Ausgerechnet Fernando Alonso, der Leidtragende von Hülkenbergs Aktion, nahm seinen Gegner in Schutz und erachtete die Strafe als zu hart: "Das Manöver war sicherlich zu optimistisch. Aber ich bin nicht einverstanden mit den Strafpunkten - wieder einmal. Denn wenn wir nicht gegeneinander Rennen fahren und keine Überholversuche unternehmen dürfen, können wir nichts erreichen. Wenn man einen Fehler macht, muss man den Preis dafür zahlen. Zum Beispiel indem man die Position zurückgibt oder eine Zeitstrafe kassiert. Aber ich denke nicht, dass es ein gefährliches Manöver von ihm war. Er hat einfach versucht, zu überholen - etwas zu optimistisch, aber die Strafpunkte verstehe ich immer noch nicht."

Aston Martin-Pilot Fernando Alonso im Zweikampf mit Nico Hülkenberg im Haas
Für sein Manöver gegen Fernando Alonso im Sprint erhielt Nico Hülkenberg eine 10-Sekunden-Strafe, Foto: LAT Images

Hülkenberg erneut bei den Stewards: Reglement muss geändert werden!

Doch mit der Strafe für das Manöver im Sprint war die Begegnung zwischen Hülkenberg und den FIA-Stewards in Spielberg noch nicht beendet. Nach der Qualifikation folge Teil zwei, als der Haas-Pilot aufgrund von zwei Vorfällen erneut zur Anhörung vorgeladen wurde.

Hülkenberg geriet im Qualifying zum Großen Preis von Österreich wegen Fehlverhaltens in der Boxengasse in den Fokus der Rennleitung. Der Verstoß bezog sich auf denjenigen Artikel des International Sporting Codes, der besagt, dass Autos in der Fast Lane Vorrang vor denen haben, die aus der Garage herausfahren. Gegen diesen hat Haas das erste Mal in Q1 verstoßen, als er knapp vor dem Williams von Alex Albon herausfuhr und ein zweites Mal in Q2, als er sich knapp vor dem Red Bull von Sergio Perez einreihte.

Im betreffenden Artikel steht aber auch, dass ein Auto, sobald es seine Garage verlassen hat, sich so bald wie möglich in die Fast Lane einfädeln soll, wenn es sicher ist. Unnötige Behinderungen sind dabei zu vermeiden. Um diesen Punkt dreht sich auch das Steward-Urteil für Hülkenberg.

Nachdem sie die Kameraaufnahmen ausgewertet hatten, kamen die Stewards zu dem Schluss, dass zu dem Zeitpunkt, als Hülkenberg seine Box verließ, keine geeignete Lücke zum Einfädeln vorhanden war. Jedoch wurde dabei berücksichtigt, dass die Box des Teams am Ende der Boxengasse liegt, wo sich oft ein Stau bildet. Dies machte es Haas quasi unmöglich, eine geeignete Lücke zu finden. Die Schuld für das Einfädeln in die Fast Lane und die potenzielle Behinderung wird nicht dem Fahrer angelastet, sondern dem Team. Haas erhält für den ersten Vorfall eine Verwarnung, für den zweiten Vorfall wurden aufgrund der noch schwierigeren Umstände keine weiteren Maßnahmen ergriffen, so heißt es im Entscheidungsdokument der FIA.

Am Sky-Mikrofon gab sich der Emmericher schon vor dem Urteil gelassen in Bezug auf eine drohende Strafe: "Da kommen höchstens frische Blumen, sonst nichts." Dennoch machte der Formel-1-Pilot das grundsätzliche Problem deutlich: "Unsere Position in der Boxengasse ist einfach undankbar. Man sieht nicht viel, es ist ein toter Winkel. Es ist ein wirklicher Nachteil, denn man müsste immer alle vorbeilassen und sich ganz hinten anstellen. Dann bekommst du Probleme mit dem Timing und den Temperaturen und allem." Diese spezielle Situation sollte sich die FIA nochmal ansehen, forderte Hülkenberg. Denn seit es die neuen Regeln der vorgegebenen Delta-Zeit in der Aufwärmrunde im Qualifying gibt, häuft sich die Problematik des Staus in der Boxengasse.

"Wenn wir weit vor jemanden, der hinten in der Schlange steht, rausfahren, sollten wir fahren dürfen. Sonst verlieren wir am Ende einfach immer. Das halte ich nicht für fair und richtig", verteidigte sich Hülkenberg, der den Offiziellen Verbesserungsvorschläge unterbreiten möchte und hofft, dass sich das Reglement diesbezüglich ändert.

Freitag frustriert, Samstag triumphiert: Hülkenberg beeindruckt wieder in Q3

Sportlich lief es - ganz entgegen seiner eigenen Prognose am Freitag nach dem Sprint-Qualifying - für Nico Hülkenberg am Samstag dennoch ganz gut: "Ich bin froh, dass ich mich nach gestern wieder erholt habe. Heute Morgen war ich eigentlich zufrieden mit meinem Sprint. Die Art und Weise, wie ich es geschafft habe, im dichten Verkehr zu bleiben, und wie sich das Auto verhielt, hat mir Zuversicht für die Qualifikation gegeben", rekapitulierte der Deutsche, der sich am Freitag nur für Startplatz 17 im Sprint qualifizieren konnte und sich für Samstag keine Fortschritte versprach.

Nico Hülkenberg schrieb sein Wochenende am Freitag schon ab. Wie das Sprint-Qualifying bei Verstappen, Leclerc und Co. lief sowie die sonstigen Brennpunkte des Freitags in Spielberg beleuchtet Christian in diesem Video:

Red Bull Streit eskaliert! Hat Horner Verstappen rausgekickt? (09:37 Min.)

Insbesondere im Vergleich zu seinem Teamkollegen Kevin Magnussen, der am Freitag noch die Pace vorgab und dem Hülkenberg im Sprint-Qualifying deutlich unterlag, ist die Lernkurve von Freitag auf Samstag zu erkennen. Stück für Stück hat sich Hülkenberg nach vorne gearbeitet. "Es war ein Prozess, bei dem ich ein immer besseres Gefühl für das Auto bekam. Ich habe in Q1 und Q2 Fortschritte gemacht und die Runde in Q2 war sehr wichtig, weil sie uns in die Top-10 brachte. In Q3 war es nicht perfekt, aber ich denke, dass wir heute das Maximum herausgeholt haben. Die ersten acht Autos vor uns sind morgen nicht in unserem Rennen", analysierte der Deutsche sein Qualifying, bei dem er am Ende an neunter Position stand.

Bemerkenswerterweise gelangen die Fortschritte, ohne dass Haas größere Setup-Veränderungen vorgenommen hätte. Hülkenberg zufolge liege der Unterschied in den Feinheiten: "Manchmal hängt es einfach vom Gefühl und vom Rhythmus ab. Im Sprint-Qualifying hast du nur einen Versuch. Es ist, als wäre die Session schon vorbei, kaum dass sie begonnen hat. Wenn dann ein paar Details nicht stimmen und du nicht die perfekte Harmonie und das perfekte Gefühl findest - wie es gestern der Fall war - dann bist du im Hintertreffen."

Optimistisch blickt Hülkenberg dem Rennen entgegen, für das er sich im Vorfeld schon gut positioniert hat: "Heute Morgen hatte Kevin eine sehr anständige Pace. Er war sogar in der Lage, Aston Martin und Alpine davonzufahren. Wir müssen keine Angst haben oder uns verstecken. Ich denke, wir haben ein anständiges Paket für jeden im Mittelfeld."