Dieser Freitag schien Charles Leclerc richtig locker von der Hand zu gehen. Vor Heimpublikum in Monaco war der Ferrari-Pilot vom ersten Training an richtig stark. In FP1 packte er die weichsten Reifen noch nicht aus und stand daher erst in FP2 ganz oben in der Ergebnisliste. Am Nachmittag wurde er Runde um Runde schneller. Seine Bestzeit von 1:11,278 war noch nicht einmal das Limit.

"Wenn man sich meine drei Sektoren anschaut, dann ist da noch einiges an Rundenzeit drin, wenn man alles auf den Punkt bekommt", zieht Leclerc ein für den Rest der Formel 1 besorgniserregendes Fazit. Denn es stimmt: Er fuhr im Laufe des 2. Trainings zwar in allen drei Sektoren Bestzeiten. Aber auf drei verschiedenen Runden.

Leclerc fährt Monaco-Trainings mit mehr Risiko

Addiert man die drei besten Leclerc-Sektoren aus FP2 zusammen, kommt man auf eine Rundenzeit von 1:11,004. Die wäre starke 0,462 Sekunden schneller als die beste Zeit seines ersten Verfolgers Lewis Hamilton. "Auf dem Soft hatten wir Probleme, alles hinzubekommen, da war die ganze Zeit viel Verkehr", erklärt Leclerc.

Selbst auf dem vierten Anlauf mit dem gleichen Soft-Reifen gab der Leclerc-Ferrari noch eine Zeitenverbesserung her. Tatsächlich fuhr Leclerc in diesem Versuch seinen absolut schnellsten ersten Sektor. Dann lief er auf Verkehr auf und brach die Runde ab. Also ist es theoretisch sogar vorstellbar, dass er die 1:11-Marke schon am Freitag hätte knacken können.

"Ich habe großes Vertrauen ins Auto, aber es ist wichtig, dass wir diesen Rhythmus ins 3. Training mitnehmen", mahnt Leclerc jedoch bereits. Denn er hat mehrere Problemfelder im Blick. Zuerst einmal: "Ich bin etwas mehr Risiko gegangen als die anderen, was sich heute ausgezahlt hat, aber es geht um das Qualifying morgen. Da geht jeder ans Limit." Und es gibt ein noch größeres Problem.

Hat Ferrari ein Setup-Problem? Gigantische Schere Leclerc-Sainz

Zwischen den beiden Ferrari-Piloten Leclerc und Carlos Sainz klafft nämlich eine riesige Lücke. Im Ergebnis sieht die ganz offensichtlich nach einem Sainz-Problem aus: Der Spanier war als Sechster starke 0,684 Sekunden langsamer als Leclerc: "Ich konnte einfach die maximale Performance über eine Runde nicht rausholen, weder aus dem Soft noch aus dem Medium."

Doch das ist nur die halbe Geschichte. "Aus irgendeinem Grund fühlte ich mich im Longrun unglaublich schnell", wundert sich Sainz. Auf dem Medium war er das schnellste Auto im Feld. Hier verkehrte sich die interne Hackordnung bei Ferrari ins Gegenteil. Leclerc sprach direkt nach dem Training am Funk von einem Reifen-Desaster. Sein Runden-Schnitt auf dem Medium war eine ganze Sekunde langsamer als Sainz.

Ferrari-Fahrer Carlos Sainz Jr.
Carlos Sainz brauchte bis Trainings-Ende, um in Schwung zu kommen, Foto: LAT Images

Ganz klar ist Ferrari nicht, was hier passiert ist. Sainz gibt Umbauten in der Mittagspause die Schuld: "Wir haben uns mit diesen Setupänderungen zu Beginn von FP2 ein bisschen verirrt. Dann war ich das ganze FP2 lang einen Schritt hintendran. Spät im Longrun schien ich aufzuholen."

Ferrari findet sich so in einer etwas ungewöhnlichen Situation wieder. Man hat auf eine Runde und im Renn-Trimm das schnellste Auto, hat es aber noch nicht geschafft, diese beiden Elemente zu vereinen. Aber wir sprechen hier von Monaco. Überholen ist praktisch unmöglich. Ein starkes Qualifying-Auto wird zu bevorzugen sein.