Die Formel 1 hat ihren ersten Trip nach China seit 2019 erfolgreich hinter sich gebracht. Wobei der Begriff 'erfolgreich' im Auge des Fahrer- oder Teambetrachters liegt.

Denn wie üblich ging auch auf dem Shanghai International Circuit die Schere zwischen den Gewinnern und Verlierern des Rennwochenendes weit auseinander. Auf der einen Seite thront Max Verstappen, auf der anderen Seite die doppelt eliminierten Racing Bulls.

Gewinner: McLaren

Ja, Max Verstappen hat den China-GP 2024 gewonnen, aber unter dem Strich haben doch alle - inklusive er selbst - schon damit gerechnet. Nicht mit Platz 2 gerechnet hat allerdings Lando Norris. Bis zum Samstag predigten er und Teamkollege Oscar Piastri, dass die Rennpace des McLarens klar hinter jener von Ferrari zurückliege und man im Qualifying wohl nur überperformt habe.

Pustekuchen! Der MCL38 funktionierte auch auf einer Strecke, die dem Team aus Woking, ihrer eigenen Auffassung nach nicht so gut liegen sollte. Fürs Fleißheftchen gab es für Norris noch eine Pole Position im Sprint obendrauf, auch wenn diese nach dem verpatzten Start nicht viel brachte. Obwohl Oscar Piastri im Rennen vom Pech verfolgt war, konnten die Mercedes-Motokunden ihren WM-Vorsprung auf das Werksteam inzwischen auf 44 Zähler anwachsen lassen.

Verlierer: Racing Bulls

Pech ist ein gutes Stichwort für die jungen Rennbullen. Die konnten ihr Punktekonto an diesem Punkte nicht auffüllen. Ganz im Gegenteil: Keiner ihrer Fahrer erreichte das Ziel. Beide wurden innerhalb einer halben Runde aus dem Rennen gekegelt. Zunächst wurde beim Restart Daniel Ricciardo im Heck von Lance Stroll getroffen, dann unterschätzte Kevin Magnussen in Kurve 6 die Breite des VCARB-01 ein bisschen.

Die Strafen gegen die jeweiligen Fahrer helfen dem Team aus Faenza wohl wenig. Frust stand bei beiden Piloten auf der Tagesordnung. Bei Daniel Ricciardo, weil ihn Stroll um die Chance auf die ersten Formel-1-Punkte in dieser Saison gebracht hat. Bei Yuki Tsunoda, weil er allgemein an diesem Wochenende keine Performance in seinem Auto fand und sich keinen Reim darauf machen konnte, woran es haperte. Immerhin: Der Schaden in der Konstrukteurs-Wertung hält sich in Grenzen und beläuft sich auf einen einzigen Punkt, den man gegen Haas einbüßte.

Gewinner: Charles Leclerc

Für ein Podium reichte es nicht. Die Ferrari-Rennpace war weder im Sprint noch im Rennen so gut, wie Charles Leclerc sie sich ausgemalt hatte. Aber zufrieden kann der WM-Dritte trotzdem auf das Wochenende in China zurückblicken. Denn die Probleme, die ihn seit Saisonbeginn auf eine Runde quälten, waren nicht mehr auszumachen.

Leclerc selbst stellte schon nach dem Sprint-Qualifying fest, dass sein Fokus auf die Reifen-Vorbereitung Früchte getragen habe. In der Qualifikation am Samstag konnte er Carlos Sainz hinter sich halten - erstmals seit Bahrain. Auch bei der Rennpace hatte er den Spanier im Griff. Also auch ohne Pokal alles in allem ein gelungenes Renn-Wochenende.

Verlierer: Lance Stroll

War Daniel Ricciardos vulgärer Ausraster gegen Lance Stroll nach dem Rennen angebracht? Wohl eher nicht, der ansonsten so freundliche Australier hätte nicht unbedingt in die unterste Schublade der Beleidigungen greifen müssen. Aber das soll alles nicht darüber hinwegtäuschen, dass der Kanadier in Shanghai eine miserable Figure abgab.

Nicht nur auf der Strecke leistete er sich durch seinen Auffahr-Unfall einen beschämenden Patzer, auch seine uneinsichtige Reaktion anschließend am Mikrofon war keine Glanzstunde des Aston-Martin-Piloten. Fehler können passieren, aber irgendwann sollte man auch von einem Rennfahrer (eine Berufsgruppe, die nicht unbedingt für Selbstkritik bekannt ist) ein gewisses Maß an Einsicht erwarten können.

Ricciardo schimpft auf Stroll: "F*CK that Guy!" (15:32 Min.)

Gewinner: Nico Hülkenberg

2023 fuhr Nico Hülkenberg nur zweimal in die Punkte. 2024 hat er diese Marke mit seinem dritten Top-10-Resultat in den ersten fünf Rennen bereits überboten. Haas illustrierte an seinem Beispiel perfekt, wie man das neue Sprint-Format für sich nutzen kann. Am Samstagvormittag war sein Bolide nicht konkurrenzfähig und fraß sich durch die Reifen.

Einige Stunden voller Setup-Umbauten später war der VF-24 des Deutschen nicht nur Q3-fähig, sondern hatte auch eine mehr als beachtliche Rennpace. Hülkenberg war in der hinteren Hälfte des Formel-1-Feldes eigentlich immer im Kampf um die Spitze dabei und hatte dann auch im richtigen Moment Glück, als sich seine zwei schärfsten Konkurrenten auf den letzten Punkt gegenseitig aus dem Rennen nahmen. Das Glück des Tüchtigen könnte man sagen. "Zwei perfekte Sessions", so nannte es Hülkenberg.

Verlierer: Kevin Magnussen

Von Perfektion war Hülkenbergs Teamkollege Kevin Magnussen weit entfernt. Von Einsicht über seinen begangenen Fehler aber ebenfalls - Lance Stroll lässt grüßen. Bei dem Unfall mit Yuki Tsunoda in Runde 27 war Magnussen eine Karikatur seiner selbst. Das Bremsmanöver war viel zu optimistisch. Auch, dass Tsunoda selbst sich zuvor etwas rüpelhaft an ihm vorbeiboxte, entschuldigt das nicht.

Im Qualifying endete Magnussens Arbeitstag übrigens auch bereits nach Q1. Also die zwei wichtigsten Sessions, zweimal keine Glanzleistung und das an einem Wochenende, an dem der Haas für Punkte gut war. Entlastend kann man anfügen, dass der Däne im Sprint-Qualifying vor Hülkenberg war und im Sprint eine gute Leistung ablieferte. Aber das ist eben nur der Sprint…

Gewinner: Das Sprintformat

Apropos Sprint: Der hat an diesem Wochenende eine deutliche Kurssteigerung hingelegt. Das ist nicht nur unsere Meinung, sondern die geschlossene Ansicht aus dem Paddock. Denn praktisch alle Fahrer begrüßten die Umstellung des Wochenend-Formats für 2024. Einerseits wurde der logischere Zeitplan als Verbesserung gefeiert, andererseits auch die Parc-Ferme-Öffnung zwischen Sprint und Qualifying, die einige Verschiebungen zur Folge hatte. So waren vor dem Rennstart am Sonntag noch viele Fragen offen.

Dass der Sprint dank Fernando Alonso, Carlos Sainz und Co. selbst ein gutes Rennen abgab, trug natürlich auch seinen Teil zu der positiven Außenwirkung bei. Ein Wehrmutstropfen: Die Startzeit um 5 Uhr war natürlich etwas happig. Das allgemeine Stimmungsbild zum Sprint ist - sowohl unter den Fahrern als auch in der Öffentlichkeit - nach wie vor umstritten, aber das abgelaufene Wochenende war ein Schritt in die richtige Richtung.

Neue F1 Sprint-Regeln erklärt: Wie funktioniert das Format? (16:00 Min.)

Verlierer: Lewis Hamilton

Für einen Fahrer hätte man Parc Ferme nach dem Sprint wohl lieber geschlossen halten sollen. Und zwar aus Selbstschutz. Lewis Hamilton konnte im Kurzrennen am Samstagmorgen einen zweiten Platz bejubeln, dann wurde Hand am Setup angelegt. Er selbst habe die Entscheidung dazu getroffen, wie Hamilton nach dem Rennen betonte.

Und von diesem Moment an ging es nach hinten los. Hamilton klagte im Grand Prix über Untersteuern und über die mangelnde Performance der Soft-Reifen. Im Rennen konnte er gerade so Nico Hülkenberg hinter sich lassen, selbst ein beschädigter McLaren in den Händen von Oscar Piastri stellte eine zu hohe Hürde dar. Zuvor hatte Hamilton am Samstag schon im Qualifying nach einem starken Verbremser in der Haarnadel sein Q1-Aus hinnehmen müssen. Egal ob jetzt das Setup schuld an dem verpatzten Auftritt des Rekord-Weltmeisters war oder nicht, er muss es letztendlich auf seine Kappe nehmen.