Für Fans war der Freitag in Japan keine Erfüllung. Nur ein Training, das erste, brachte die Formel 1 erfolgreich durch. Unbeständiger Nieselregen in FP2 drängte die Teams zum Schluss, dass ein neuer Satz Intermediate-Reifen wertvoller sei als die Erkenntnisse für potenzielle Mischbedingungen im Rennen. Im Trockenen lag Max Verstappen überraschenderweise aber nur im Endergebnis vorne.

Mit 1:30,056 war Verstappen 0,181 Sekunden vor Sergio Perez im Trockenen der Tagesschnellste. Der beste Ferrari in den Händen von Carlos Sainz lag aber immerhin nur 0,213 Sekunden zurück. Deutlich spannender wurde es mit vollen Tanks im Renn-Trimm. Denn angesichts des da schon für FP2 erwarteten Regens stellten die Teams ihre üblichen Freitags-Fahrpläne schon um.

Die gewöhnlich erst am Nachmittag im 2. Training gefahrenen Longruns wurden auf FP1 vorgezogen. Eine rote Flagge nach einem Unfall von Logan Sargeant verkomplizierte die Lage jedoch noch weiter. Am Ende war das Feld breit gestreut. Doch wichtig: Verstappen und Charles Leclerc, zwei der zu erwartenden Protagonisten, fuhren zeitgleich auf praktisch gleich alten Hard-Reifen. Und hier lag Leclerc vorne.

Und zwar deutlich. Neun Zehntel war er im Runden-Schnitt schneller als Verstappen. Was jetzt erst einmal dramatisch klingt, aber wohl kaum der Wahrheit entspricht, so viel muss jetzt einmal gesagt werden. Die Sache ist die: Bis zum 2. Training hat sich üblicherweise die Eingewöhnungsphase bei allen gelegt. Jeder hat sein Basis-Setup gefunden, die Strecke hat ein gutes Grip-Niveau erreicht, und jeder hat ungefähr die gleiche Vorstellung, was Benzin im Tank angeht.

Wenn man allerdings nach nur einem halben FP1 und einer roten Flagge bereits in die Longruns startet, ist noch nichts aussortiert. Hinzu kommt, dass der Japan-GP in den April vorverlegt wurde. Der letzte Oktober ist noch nicht lange her, die Reifen sind identisch, aber die Wetterbedingungen deutlich anders - deutlich kühler.

Ferrari-Fahrer Charles Leclerc
Der Ferrari war bei kühlen schwierigen Bedingungen schnell, Foto: LAT Images

Und dann mussten alle nach 45 Minuten auf einer sogenannten "grünen Strecke" mit noch sehr wenig Gummiabrieb, und daher sehr wenig Grip, mit vollen Tanks Longruns fahren. Der Reifen-Abbau war deshalb unverhältnismäßig, erklärt Pirelli-Chefingenieur Simone Berra: "Mit den grünen Streckenbedingungen pushen sie, so viel sie können, um das Limit des Reifens zu finden. Wir wissen, dass sie unter Rennbedingungen etwas mehr managen können."

Ferrari näher dran als erwartet: Fahrer feiern großen Fortschritt 2024

So ist das Bild im Renn-Trimm in Japan nach dem ersten Tag verworren. Die Zugänge der Teams unterschieden sich deutlich mehr als in einem klassischen FP2. "Red Bull wird schwer zu schlagen sein dieses Wochenende", nimmt Carlos Sainz einer Hoffnung auf eine weitere Ferrari-Challenge am Abend erst einmal proaktiv Wind aus den Segeln. Mehr Aufschluss über den potenziellen Vorteil von Red Bull gibt die detaillierte Analyse der Qualifying-Simulation.

Hier ist ersichtlich, wie stark der Red Bull in den schnellen und mittelschnellen Kurven im ersten Streckenteil ist. Besonders in den Händen von Max Verstappen. Der holt den Großteil seiner zwei Zehntel Vorsprung im anfänglichen Geschlängel bis zu Degner. Sein Exit aus Spoon war außerdem schlecht, Teamkollege Sergio Perez holte Bestzeit im Mittelsektor und zeigte: Der Verstappen-Vorsprung könnte noch größer sein. Außerdem hatte Red Bull in Japan auch das erste größere Update zu testen, mehr dazu hier:

Der Ferrari kann nicht mithalten. "Ich denke, uns fehlt noch ein bisschen Pace, um nach der Pole zu greifen", analysiert Charles Leclerc. Doch dieses Defizit muss man relativ sehen. Dass Sainz bis auf zwei Zehntel an Verstappen herankam, ist nämlich ein enormer Erfolg. Im letzten September lag Leclerc über sechs Zehntel zurück. Der in den schnellen Kurven blamable Ferrari ist heute Geschichte. "Ehrlich gesagt ein bisschen näher dran als erwartet", meint Sainz sogar. "Positive Signale verglichen mit von vor fünf Monaten."

Fragezeichen hinter McLaren: Nix da Geheimfavorit?

Ferrari ist 2024 sogar vor McLaren. Jenem Team, das eigentlich im Vorjahr hier zweite Kraft war, und das eigentlich seit Monaten das beste Auto des Verfolgerfeldes in schnellen Kurven stellte. Mit den Plätzen acht für Oscar Piastri und zehn für Lando Norris waren aber beide im 1. Training über eine Sekunde hintendran.

F1 blamiert sich in Japan! Warum ist niemand gefahren? (16:32 Min.)

Hier trügt der Schein aber noch mehr als bei den vorhin angesprochenen Longruns. McLaren hatte die Fahrer knapp vor der Konkurrenz zur Qualifying-Simulation geschickt. Infolgedessen hatte Norris seine erste schnelle Runde nicht nur schon angefangen, sondern war sogar bereits im Mittelsektor. Im ersten Sektor war er nur eine Zehntel langsamer als Sainz.

"Auf der zweiten Runde sind dann meine Reifen eingebrochen", meint Norris. Das ändert aber nichts daran, dass der McLaren selbst im ersten Sektor - eigentlich dem Parade-Sektor des Autos - langsamer war als der SF-24. "Ferrari hat einfach einen guten Schritt gemacht und liegt vor uns", ist Norris ehrlich. Seine Entscheidung, weniger Abtrieb zu fahren als Teamkollege Piastri, sieht er rückblickend ebenso als falsch an. Sind diese Faktoren erst einmal bereinigt, rechnet Norris trotzdem damit, nur mit Mercedes und Aston Martin um die Plätze dahinter zu kämpfen.

Was bei denen aber geht, ist genauso unklar. Bei Aston Martin fuhr nur Lance Stroll am Freitag das komplette neue Update-Paket. Fernando Alonso lag mit dem alten Auto eine halbe Sekunde zurück. Bei Mercedes war FP1 in Lewis Hamiltons Augen die beste Session der Saison. Eine Session, in der wohlgemerkt eine Viertelsekunde schon auf den besten Ferrari fehlte, eine halbe auf den besten Red Bull.

Man fuhr danach Soft-Longruns und landete in der gleichen Zone wie der updatelose Alonso. Und bisweilen hat Mercedes 2024 große Schwierigkeiten, einzelne gute Trainings in gute Wettbewerbs-Sessions umzumünzen. Obendrauf war es in FP1 kalt - und der Mercedes W15 ist sehr gut darin, aus dem Setup-Fenster zu fallen, sobald es auch nur ein paar Grad wärmer wird.

Regen dominiert das Strategie-Bild vor dem Japan-Rennen

Der Wetterbericht dominierte nicht nur das zweite Training, sondern er wird auch das restliche Wochenende fest im Griff haben. Stand Freitagabend ist die Regenwahrscheinlichkeit für das Qualifying höher, für das Rennen aber im Auflösen begriffen. So ist ein Start bei 22 Grad und Sonnenschein durchaus möglich.

Red Bull-Fahrer Max Verstappen
Düstere Wolken am Freitag in Suzuka, Foto: Getty Images / Red Bull Content Pool

Schwierig für Teams, die davor nur bei schlechtem Wetter fuhren. Pirelli ist sich der Zweistopp-Sache sehr sicher, denn die hitzebedingte Abnutzung ist das Limit, der Soft aber bis zu eineinhalb Sekunden schneller als der Hard. Der potenzielle Vorteil eines Starts auf Soft ist daher hoch. Zugleich ist anzuzweifeln, dass der Hard länger als 30 Runden hält. Ferrari und Red Bull sind (neben Kevin Magnussen) die einzigen, die nur mehr einen Satz Hard übrighaben. Alle anderen haben sich zwei Sätze gespart.

Besonders für das Qualifying ist Regen weiter nicht ausgeschlossen. Hier könnte tatsächlich FP2 noch Sinn haben. "Die letzten fünf Minuten waren interessant für die Teams, um etwas über den Crossover-Punkt und feuchte Bedingungen zu lernen", meint Pirelli-Chefingenieur Berra. Also ab wann der Slick besser ist als der Intermediate. Red Bull und Aston Martin waren die einzigen zwei Teams, die keine einzige FP2-Runde fuhren.