Fast genau ein Jahr nachdem die FIA den Bewerbungsprozess für neue Formel-1-Teams startete, ist nun klar, dass es in absehbarer Zeit wohl keine neuen Teams geben wird. Nachdem die FIA Andretti als einzigem Bewerber grünes Licht gegeben hatte, wurde die Bewerbung der US-Amerikaner nun vom Kommerziellen Rechteinhaber brutal abgeschmettert. Mit dem Autoriesen General Motors und der Marke Cadillac bleibt nur noch eine minimale Hoffnung.

Angeblich nahmen Andretti-Vertreter einen Vor-Ort-Termin mit der Formel 1 am 12. Dezember nicht wahr, heißt es unter anderem in einem drei Seiten langen Dokument, in dem die Formel 1 erklärt, warum die Mannschaft von Michael Andretti unerwünscht ist. Die Quintessenz lautet: Der neue Rennstall wäre nicht konkurrenzfähig und würde dem Sport somit nichts bringen. Der wahre Grund allerdings wird nur am Rande angeschnitten: Ein zusätzliches Team würde dem Kommerziellen Rechteinhaber und den bestehenden Teams möglicherweise Geld kosten.

Die Formel 1 müsste zwar per se nicht mehr Preisgeld ausschütten, doch die Verhandlungsposition der bestehenden Teams für das nächste Concorde Agreement, das 2026 in Kraft tritt, wäre eine andere. Die zehn Teams wollen ihren Kuchen nicht in elf Teile zerschneiden lassen. De facto müsste die Formel 1 einen größeren Teil ausschütten.

Formel 1 mit klarer Ansage: Andretti wäre erfolglos

Während sich der Auswahlprozess der FIA vor allem mit den technischen und finanziellen Fähigkeiten der Bewerber befasste, ein Formel-1-Team auf die Beine stellen zu können, interessierte sich der Kommerzielle Rechteinhaber schlicht auf den Mehrwert, den ein zusätzliches Team der Serie bringen müsste.

Am 2. Oktober 2023 stand für die FIA fest, dass von den vier Bewerbern lediglich Andretti alle Kriterien erfüllt. Seither überlegte die Formel 1, mit welcher Begründung man das Team ablehnen kann. "Ein elftes Team per se würde keinen Mehrwehrt für die Meisterschaft bedeuten", heißt es im ersten Punkt der Begründung. "Am meisten Mehrwert würde ein Neuling bringen, indem er konkurrenzfähig ist. Wir glauben nicht, dass der Bewerber konkurrenzfähig wäre."

Eine Ohrfeige für Andretti, der bereits zig Millionen für die Entwicklung eines Autos nach dem aktuellen Reglement investiert hat. "Dass ein neues Team die verpflichtende Power-Unit-Belieferung für mehrere Saisons in Anspruch nehmen müsste, wäre für das Standing und das Prestige der Meisterschaft schädlich", heißt es in der Begründung weiter.

Alpine fällt Andretti in den Rücken

Der Plan von Michael Andretti war es, Motor und erlaubte Zukaufteile von Alpine zu beziehen. Doch der Vorvertrag trat nicht in Kraft, weil sich der Bewerbungsprozess zu stark in die Länge zog. Nachdem Fristen verstrichen waren, machte Alpine - mehr oder weniger freiwillig - einen Rückzieher.

Weil Andretti zunächst auf einen Kundenmotor angewiesen wäre, aber niemand liefern will, müssten die Amerikaner von der Belieferungs-Klausel im Reglement Gebrauch machen. Dort ist festgelegt, dass ein Team unter bestimmten Bedingungen vom Hersteller beliefert werden muss, der am wenigsten Kunden hat. Weil Alpine nur das Werksteam hat, würde die Belieferung auf die Franzosen zurückfallen.

Andretti profitiert von F1, nicht umgekehrt

Auch den Namen 'Andretti' will die Formel 1 nicht als Mehrwert gelten lassen. "Die F1 würde der Marke Andretti mehr bringen als umgekehrt", heißt es in Punkt 16 des Statements. Dabei ist Mario Andretti nicht nur der letzte US-amerikanische Formel-1-Weltmeister. Andretti baute sich in den USA mit äußerst erfolgreichen Teams in nahezu allen Rennserien ein Imperium auf.

Sohn Michael Andretti, der die Formel-1-Bewerbung anführte, ist ein weiterer Sprössling der Andretti-Dynastie. Mario äußerte sich via Social Media zur Entscheidung mit den Worten: "Ich bin am Boden zerstört."

Außerdem führte die Formel 1 an, dass man die Promoter mit einem zusätzlichen Team vor eine Herausforderung stellen würde. Nicht überall wäre Platz für elf Teams. Monaco und Zandvoort werden im Statement nicht erwähnt, doch bereits im Vorfeld wurden die beiden Grands Prix als mögliche Hindernisse angeführt.

Andretti-Einstieg für die Formel 1 zu früh

Für die Formel 1 ist der Regel-Umbruch ein weiterer Grund, Andrettis Bewerbung abzulehnen. Ein Auto für lediglich ein Jahr entwickeln und dann ein komplett neues für Jahr zwei? Zu viel des Guten, meint die Formel 1. Als Haas 2016 einstieg, war der Regelumbruch 2017 allerdings kein Problem.

Dass Cadillac 2025 zum letzten Jahr des aktuellen Reglements einsteigen will, hat allerdings einen Grund: Bis dahin müssen Neueinsteiger 'nur' 200 Millionen US-Dollar als Aufnahmegebühr bezahlen. Unter dem neuen Concorde-Agreement wird die Summe deutlich angehoben, die Rede ist von 600 Millionen US-Dollar und mehr.

Formel 1 will General Motors und Cadillac nur mit Motor

Am Ende lässt sich die Formel 1 noch ein kleines Hintertürchen offen: Man würde 2028 anders auf eine Bewerbung blicken, wenn Andretti mit einer Power Unit von GM an den Start gehen würde. Entweder als Werks- oder als Kundenteam. Dann würde man die Unterstützung eines prestigeträchtigen Automobilherstellers mit in die Ehe einbringen.

Die Andretti-Bewerbung wurde allerdings von Anfang an von der GM-Marke Cadillac unterstützt. Zuletzt hatte man auch angekündigt, 2028 eine eigene Power Unit an den Start bringen zu wollen. General Motors stellte nach Flirt-Versuchen anderer Teams bereits klar, dass man nur zusammen mit Andretti in die Formel 1 kommen würde.

Die Andretti-Verbindung wird aber auch negativ angelastet: Eine Pflicht-Belieferung seitens eines anderen Herstellers bis zum Andretti-Einstieg würde Probleme mit dem geistigen Eigentum bedeuten, so die Formel 1.

Ist der Andretti-Einstieg damit komplett vom Tisch? Fraglich ist, ob die Formel 1 überhaupt darüber entscheiden darf. Die Amerikaner könnten Liberty Media nach der Entscheidung vors Gericht zerren. Es könnte also durchaus noch hässlich werden, zumal schon Millionen investiert wurden.

Die ganze Begründung der Formel 1 gibt es hier im Wortlaut: