Günther Steiner ist nicht mehr Teamchef des Haas Formel-1-Teams. Bei 166 Grands Prix leitete der Südtiroler die Geschicke des amerikanischen Rennstalls. Als bis heute letztes neues Team stieg Haas 2016 in die Weltmeisterschaft ein - und startete fulminant. In den vergangenen Jahren häuften sich jedoch sportliche Ernüchterungen und Kontroversen abseits der Strecke, auch um Günther Steiner selbst.
Der Südtiroler zählte von Beginn an fest zum Inventar von Haas. Er selbst kann als Initiator des Formel-1-Projekts bezeichnet werden. Anfang der 2010er Jahre ging er auf Gene Haas mit einem etwas anderen Ansatz zur Gründung eines F1-Rennstalls zu. Der Vorschlag: So viele Autokomponenten von einem Partner einkaufen, wie laut Reglement erlaubt, um so Kosten zu sparen. Tatsächlich fand sich mit Ferrari solch ein Partner.
Haas: Enge Partnerschaft mit Ferrari
Die Partnerschaft zwischen Haas und Ferrari ging im Laufe der Zeit jedoch noch darüber hinaus. Haas hat neben seinem Teamsitz im US-amerikanischen Kannapolis und dem eigentlichen Sitz des Rennteams im britischen Banbury auch einige Aerodynamik-Ingenieure in Maranello vor Ort, wo Haas den Windkanal von Ferrari nutzt. Im Zuge von Einsparungen durch den Budget Cap wurde zudem Personal von der Scuderia übernommen.
In seinen erfolgreichsten Phasen begleiteten Haas dadurch jedoch auch immer wieder Kopier-Vorwürfe. Besonders die gemeinsame Nutzung des Windkanals sah sich immer wieder Kritik der Konkurrenz ausgesetzt, da so geistiges Eigentum von Ferrari an Haas hätte weitergegeben werden können, um in der Konsequenz sowohl Haas als auch Ferrari konkurrenzfähiger zu machen. Günther Steiner wies diese Vorwürfe seit jeher zurück.
Furioses Haas-Debüt
Nach der Einstiegsankündigung Anfang 2014 erfolgte unter Steiners Leitung der ursprünglich einmal für 2015 angedachte Einstieg erst in der F1-Saison 2016. Und gleich beim Debüt in Melbourne trug das Projekt die ersten Früchte. Der von Lotus zu Haas gewechselte Romain Grosjean erreichte den sechsten Platz. So ein gutes Ergebnis war den zuvor letzten Formel-1-Neueinsteigern aus dem Jahr 2010 (HRT, Lotus/Caterham und Virgin/Marussia/Manor) nie gelungen. Teamkollege Esteban Gutierrez komplettierte durch eine spektakuläre Kollision mit dem McLaren von Fernando Alonso das turbulente Haas-Debüt.
Bereits beim folgenden Rennen in Bahrain folgte das nächste Highlight, Grosjean erzielte diesmal sogar einen fünften Platz. Im weiteren Saisonverlauf gelangen jedoch nur noch drei weitere Punkteresultate, Platz acht in der Konstrukteurswertung war das Endergebnis, wobei alle 29 WM-Punkte vom Franzosen gesammelt wurden.
Dementsprechend musste Esteban Gutierrez 2017 sein Cockpit räumen, der bei Renault geschasste Kevin Magnussen übernahm. In diesem Jahr gelang erneut der achte Platz bei den Konstrukteuren, die Konstanz verbesserte sich allerdings und das Team sammelte 18 Punkte mehr als noch im Debütjahr.
In Erinnerung bleibt ein Zwischenfall im 2. Freien Training von Malaysia, in welchem Grosjean in Folge eines losen Gullideckels verunfallte. Laut Steiner verursachte der Zwischenfall Schäden in Höhe von einer halben Million Pfund. Deshalb forderte der Teamboss lautstark Schadensersatz, der erst ein Jahr danach bezahlt wurde.
Haas unter Günther Steiner: Höhepunkt 2018
Der bisherige Höhepunkt von Haas in der Formel 1 folgte in der Saison 2018. In 21 Saisonrennen sammelten Magnussen und Grosjean 93 Zähler und Haas beendete die Saison auf dem fünften Platz in der Konstrukteurswertung. Zudem erreichte Magnussen den neunten Rang in der Fahrer-WM, die bis heute beste Platzierung eines Haas-Fahrers. Auch das bis heute beste Einzelergebnis erreichte Haas in diesem Jahr. Den Großen Preis von Österreich beendeten die beiden Haas-Boliden auf den Plätzen vier und fünf.
In den Folgejahren zeigte die Formkurve von Haas jedoch kontinuierlich nach unten. 2019 folgten nur noch 29 Punkte und WM-Rang neun. Dabei kippte hinter den Kulissen zuweilen auch die Stimmung im Team, wie unter anderem in der Netflix-Serie 'Drive to Survive' klar zu erkennen war, die gleichzeitig Steiner aber zu großer Beliebtheit verhalf. Unter Fans wurde dabei besonders ein Streit zwischen Steiner und Magnussen im Rahmen des Großbritannien GP berühmt-berüchtigt. Auch durch die öffentlich ausgetragene Trennung von Hauptsponsor Rich Energy mitten in der Saison geriet das Team in die Schlagzeilen.
Die Saison 2020 beendete Haas erneut auf dem neunten Platz der Konstrukteurswertung, jedoch wurden in 17 Saisonrennen nur noch drei WM-Punkte gesammelt. Im Zuge der Corona-Pandemie geriet Haas zudem finanziell zunehmend in raues Fahrwasser, da Teambesitzer Gene Haas nicht mehr Geld ins Team investieren konnte, um die Zeit ohne Rennbetrieb in der ersten Jahreshälfte 2020 zu kompensieren. Das Team kämpfte ums Überleben.
Haas: Mit Schumacher und Mazepin gegen die Pleite
Haas brauchte dringend Einnahmen, mit den Fahrern Mick Schumacher und Nikita Mazepin gelang es 2021, an frisches Kapital zu gelangen, Magnussen und Grosjean mussten gehen. Letzterer sorgte in seinem schlussendlich letzten Rennen für Haas für den wohl heftigsten Unfall der jüngeren Formel-1-Geschichte. Beim Start zum Großen Preis von Bahrain kam der Franzose nach einem Kontakt mit dem AlphaTauri von Daniil Kvyat von der Strecke ab, das Auto durchbohrte die Leitplanke und verschwand in einem immensen Feuerball. Grosjean gelang die Flucht aus dem brennenden Wrack aus eigener Kraft und er trug lediglich Brandverletzungen davon.
Sportlich konnten seine Nachfolger das Ruder nicht herumreißen - im Gegenteil. Schon vor Beginn der Saison kündigte Günther Steiner an, dass es keine Weiterentwicklung des Autos während der Saison geben und der Fokus stattdessen voll auf dem neuen Reglement 2022 liegen würde. Der VF-21 war die Saison über hoffnungslos abgeschlagen, dementsprechend punktlos blieben die Rookies Schumacher und Mazepin. Schumachers zwölfter Platz in Budapest blieb das Höchste der Gefühle.
Der Auftakt in die neue Formel-1-Ära begann zunächst ähnlich suboptimal, wie die alte geendet hatte. Noch während der Testfahrten vor Saisonbeginn sorgte der russische Angriffskrieg auf die Ukraine dafür, dass sich Haas vom russischen Hauptsponsor Uralkali um Nikita Mazepins Vater Dmitri trennte. Wenig später waren auch die Dienste Mazepins im Cockpit nicht länger gewollt.
Spektakuläres Magnussen-Comeback und Schumacher-Wirbel
Günther Steiner rekrutierte kurzerhand Kevin Magnussen zum zweiten Formel-1-Comeback seiner Karriere - das spektakulär begann. Mit Platz fünf beim Saisonauftakt in Bahrain erzielte er das beste Haas-Ergebnis seit dem Österreich-GP 2018. Die Entwicklungsstrategie von Haas hatte sich scheinbar ausgezahlt. Auch bei zwei der nächsten drei Rennen punktete Magnussen, doch schon früh in der Saison ließ die Performance des VF-22 nach.
In den restlichen 18 GPs der Saison 2022 punktete Haas nur noch dreimal, hinzu kam ein achter Platz von Magnussen im Sprint von Brasilien. Zuvor sorgte Magnussen noch für einen Meilenstein in der Haas-Historie: Im regnerischen Qualifying ergatterte er die erste und bis heute einzige Pole-Position des Teams. Die Saison beendete Haas mit 37 Punkten auf dem achten Platz der Konstrukteurs-WM.
Sportlich bedeutete die Saison 2022 auf dem Papier einen Aufschwung. Abseits der Strecke nahmen die Brandherde jedoch zu. Im Fokus stand dabei besonders die Beziehung zwischen Günther Steiner und Mick Schumacher. Dieser verursachte im Schatten der starken Magnussen-Performances eine Vielzahl von kostspieligen Unfällen. Deshalb wurde er von Steiner mehrmals öffentlich unter teils drastischer Wortwahl an den Pranger gestellt. Die Berichterstattung darüber empfand Steiner als zu einseitig, nach einem hitzigen Interview in Baku gab er Sky Deutschland bis zu seinem Rauswurf als Teamchef keine Interviews mehr.
Steiner verhilft Hülkenberg zur F1-Rückkehr
Schlussendlich musste Schumacher nach der Saison seinen Hut nehmen, mit Nico Hülkenberg übernahm ein anderer Deutscher das zweite Haas-Auto. Für ihn war es ein Comeback im Stammcockpit nach drei Jahren. Das Experiment gelang, Hülkenberg schlug Magnussen im Qualifying-Duell und in der Weltmeisterschaft.
Der Haas-Bolide krankte 2023 jedoch an einem gehörigen Pace-Defizit im Rennen im Vergleich zum Qualifying. Für die Fahrer ging es so im Rennen fast nur rückwärts. Die Pace-Probleme im Vergleich zur Konkurrenz schienen nur zuzunehmen, erneut fiel Haas im Entwicklungsrennen während der Saison zurück. Die Konsequenz: Haas beendete zum zweiten Mal eine Formel-1-Saison auf dem letzten Platz.
Für Günther Steiner war es die letzte Saison als Haas-Teamchef. Mehr zu den Gründen seines F1-Rauswurfs lest Ihr in diesem Artikel:
Im Endeffekt kann Haas nach acht Jahren unter der Führung von Günther Steiner auf eine Pole-Position, 249 WM-Punkte und zwei schnellste Rennrunden zurückblicken. Ein Podestplatz blieb ihm und Haas bis zuletzt verwehrt.
Die Formel-1-Bilanz von Haas unter Günther Steiner:
Saison | Stammfahrer | WM-Punkte | WM-Platzierung | Bestes GP-Ergebnis |
---|---|---|---|---|
2016 | Grosjean/Gutierrez | 29 | 8 | 5 |
2017 | Grosjean/Magnussen | 47 | 8 | 6 |
2018 | Grosjean/Magnussen | 93 | 5 | 4 |
2019 | Grosjean/Magnussen | 28 | 9 | 6 |
2020 | Grosjean/Magnussen | 3 | 9 | 9 |
2021 | Schumacher/Mazepin | 0 | 10 | 12 |
2022 | Schumacher/Magnussen | 37 | 8 | 5 |
2023 | Magnussen/Hülkenberg | 12 | 10 | 7 |
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