Liam Lawson wird beim Großen Preis der Niederlande sein Formel-1-Debüt geben. Damit reiht sich der Neuseeländer in eine lange Reihe von Ersatzfahrern ein, die aus den verschiedensten Gründen kurzfristig einen Formel 1 Grand Prix bestreiten durften. Im Regelfall gehen diese kurzweiligen Intermezzi schnell und unauffällig über die Bühne, schließlich sind Ersatzfahrer nicht ohne Grund in genau dieser Funktion tätig. Doch gelegentlich konnten die Fahrer aus der zweiten Garde in ihrer kurzen Zeit auf der Strecke auf sich aufmerksam machen und dadurch eine langjährige Karriere im Motorsport einleiten. Motorsport-Magazin.com stellt drei dieser Fälle vor. (Formel 1 live aus Zandvoort: News von heute im Ticker)

Schumacher 1991: Dank Tränengas zum Formel-1-Debüt

Ein damals 22-jähriger, der Formel-1-Welt noch relativ unbekannter, Michael Schumacher feierte am 25. August 1991 sein Formel-1-Debüt auf dem legendären Circuit de Spa-Francorchamps in Belgien. Dem gebürtigen Kerpener verhalf dabei eine glückliche, allerdings auch kuriose Fügung. Bertrand Gachot, damals Stammfahrer bei Jordan, wurde zwei Wochen vor seinem Heim-GP zu einer 18-monatigen Haftstrafe verurteilt und konnte somit nicht am Rennen in Belgien teilnehmen. Der Grund: Gachot attackierte nach einem Unfall in Londons Straßenverkehr einen Taxi-Fahrer mit Tränengas. Teamchef Eddie Jordan suchte also händeringend nach einem Ersatzfahrer.

Michael Schumacher beim Großen Preis von Belgien 1991 mit Jordan.
Michael Schumacher bei seinem Debüt in Belgien 1991 in der mittlerweile legendären 7-Up-Lackierung, Foto: LAT Images

Das rief Peter Sauber, den damaligen Besitzer des Sportwagen-Teams Sauber-Mercedes, auf den Plan, der mit Michael Schumacher ein hochkarätiges Talent in seinen Reihen hatte. Der Schweizer rührte kräftig die Werbetrommel und überzeugte Jordan davon, sich mit Schumachers Berater Willi Weber über ein Engagement zu unterhalten. Weber bediente sich, mit dem möglichen Formel-1-Debüt seines Schützlings im Hinterkopf, einer Notlüge und behauptete, der Deutsche würde die Rennstrecke in den Ardennen bereits bestens kennen, obwohl Schumacher noch nie zuvor in Spa gefahren war. Am Ende einigten sich beide Parteien auf einen Vertrag, der nur für den Großen Preis von Belgien 1991 galt.

Trotz mangelnder Kenntnisse über die Strecke wusste Schumacher beim Rennwochenende in Belgien zu überzeugen und landete im Qualifying auf dem siebten Platz - vor Teamkollege Andrea de Cesaris. Das Rennen musste der Deutsche nach einer fulminanten Startphase mit einem Schaden an seiner Kupplung zwar abbrechen, doch Schumacher hatte sich in Belgien einen Namen gemacht. Es war der Startschuss in eine der erfolgreichsten Karrieren der Motorsport-Geschichte.

Sebastian Vettel: Punkte nach Kubica-Crash

Auch Sebastian Vettel feierte sein Debüt in der Königsklasse des Motorsports aufgrund von unvorhersehbaren Umständen. Beim Großen Preis von Kanada im Jahr 2007 erlitt Robert Kubica, damals Stammfahrer bei BMW-Sauber, einen der schlimmeren Unfälle in der Geschichte der Formel 1. Wie durch ein Wunder trug der Pole nur leichte Verletzungen davon, doch für das darauffolgende Rennen in Indianapolis erhielt Kubica von den Ärzten keine Starterlaubnis. Somit rückte Sebastian Vettel, damals noch 19 Jahre jung, in seiner Funktion als Ersatz- und Testfahrer in die erste Reihe auf.

Vettel beim Indianapolis GP 2007 für BMW-Sauber
Sebastian Vettel in Indianapolis 2007, Foto: James Moy

Ähnlich wie sein Kindheitsidol Schumacher, konnte auch Vettel bei seiner ersten Qualifying-Session auf sich aufmerksam machen. Bei der Zeitenjagd von Indianapolis setzte der Heppenheimer die siebtschnellste Zeit und lag damit nur zwei Plätze hinter seinem damaligen Teamkollegen Nick Heidfeld. Letzterer musste das Rennen mit Hydraulikproblemen aufgeben und es lag am jungen Vettel, ein gutes Ergebnis für BMW-Sauber einzufahren. Nach 73 Runden überquerte der Deutsche die Ziellinie auf dem achten Platz, wodurch sich er nach dem damaligen Punktesystem den letzten verfügbaren Zähler ergattern konnte. Dadurch war Vettel der damals jüngste Fahrer, der in der Geschichte der Formel 1 in die Punkteränge fahren konnte.

Nyck de Vries: Ein Blinddarm sorgt für Formel-1-Debüt

In der Saison 2022 war Williams erneut eines der schwächsten Teams in der Formel 1. Eine Stärke hatte der FW44 allerdings: Er war der Schnellste auf den Geraden. Demnach rechnete sich Williams beim Grand Prix in Monza Chancen auf das beste Saisonergebnis aus. Doch Tage vor dem 1. Freien Training sagte Stammfahrer Alex Albon für den Italien GP ab. Der Grund: Sein Blinddarm hatte sich entzündet und musste operativ entfernt werden. Eine Teilnahme am Grand Prix war somit ausgeschlossen.

De Vries Debüt in Monza dürfte der Höhepunkt in seiner Formel-1-Karriere gewesen sein, Foto: LAT Images
De Vries Debüt in Monza dürfte der Höhepunkt in seiner Formel-1-Karriere gewesen sein, Foto: LAT Images

Nyck de Vries, Formel-E-Weltmeister und Mercedes-Ersatzfahrer, durfte für das Kundenteam das Rennwochenende bestreiten. Der Niederländer packte die Gelegenheit beim Schopfe, schaffte es in den zweiten Qualifikationsabschnitt und startete das Rennen aufgrund zahlreicher Strafen von Position acht - zwei Plätze vor dem anderen Stammfahrer Nicholas Latifi. Auch im Rennen konnte de Vries überzeugen und beendete den Italien GP auf Platz 9. Die dadurch ergatterten zwei Punkte machten am Ende 20 Prozent der gesamten Punkteausbeute von Williams aus.

Der Verdienst seines beeindruckenden kurzfristigen Einspringens war ein Vollzeit-Cockpit bei AlphaTauri in der Saison 2023, nachdem Pierre Gasly zu Alpine abwanderte. Der Erfolg blieb für de Vries allerdings aus und er wurde mitten in der Saison von Daniel Ricciardo ersetzt, der nach einem Unfall im Freien Training in Zandvoort wegen einer gebrochenen Hand seinerseits durch Liam Lawson ausgetauscht werden musste.